Als Toyota vor rund 14 Jahren den Hybrid-Prius auf den Markt brachte, fühlten sich selbst Experten und namhafte Autoentwickler noch bemüßigt, diese Technologie als programmierten Miss-Erfolg zu belächeln. Zwei Antriebs-Motoren in einem Auto wären die ineffizienteste Art der Mobilität, sagten Fahrzeugentwickler unisono. Aber der Markt wollte Hybride und bekam sie. Erst nur von Toyota, dann von
allen anderen auch.
Jetzt folgt Toyotas nächster Big Bang: die Brennstoffzelle. Nicht als Forschungsprojekt in einem Concept Car, sondern real beim Toyota-Händler: Schon nächstes Jahr soll der MIRAI, auf Deutsch: Zukunft, auf den europäischen Markt kommen. Das ist 20 Jahre früher, als es Optimisten noch vor zehn Jahren vermutet haben. Toyotas Ankündigung pünktlich zur Los Angeles Autoshow ist nicht wirklich eine Überraschung. Oder etwa doch? Jedenfalls lacht heute niemand mehr. Lächeln kann man höchstens über das sonderbare Aussehen des Mirai.
„Der Toyota Mirai markiert einen Wendepunkt in der Automobilindustrie“, sagt Akio Toyoda in einer Videobotschaft. Mit knapp 500 Kilometern soll das Brennstoffzellenfahrzeug eine ähnliche Reichweite wie konventionell angetriebene Limousinen bieten und kann in genauso kurzer Zeit aufgetankt werden. Als Kraftstoff dient Wasserstoff, der aus verschiedenen Materialien – selbst aus Abfall – gewonnen werden kann. Statt CO2– und anderer Schadstoffemissionen stößt der Mirai dabei nur Wasserdampf aus. „Wir haben von Fahrzeugen geträumt, die unsere Abhängigkeit vom Öl verringern und die Umweltbelastung reduzieren. Es war ein mutiges, aber zugleich inspirierendes Ziel. Und heute ist es Realität“, so Toyoda voller Begeisterung.
Die Ankündigung zur Autoshow in Los Angeles hat Aufsehen erregt. Dass es wieder wie beim Hybrid das Unternehmen Toyota ist, das als erster damit richtig und nicht nur mit homöopathischer Kleinserie auf den Markt kommt, hat nicht wirklich überrascht. Anders als beim Hybridmodell Prius dürfte aber heute niemand mehr zweifeln, dass es Toyota nachhaltig schafft, die Brennstoffzelle zum Erfolg zu machen.
Auf dem Weg ins automobile Morgen-Land will heute jeder vorne dabei sein. Die Bewunderung für den neuesten Paukenschlag wird nur hinter vorgehaltener Hand hörbar. „Während wir noch dran arbeiten, sind die schon damit da. Es ist wie beim Wettlauf Hase und Igel“, ärgert sich ein Manager eines deutschen Premiumherstellers. Er erinnert dabei an die Erfahrungen mit dem Hybrid, den in Deutschlands Autoindustrie niemand wollte.
Inzwischen sind Hybrid-Modelle nicht nur gesellschaftsfähig geworden, sondern fast schon eine Verpflichtung. Auch gegen die physikalische Vernunft. Vor allem aus den USA schwappte die Forderung der Kunden nach Hybridisierung nach Europa, wo grüne Politiker den Toyota Prius zur Kaufempfehlung machten und Hollywoodstars mit dem Privatjet zu Veranstaltungen einschwebten, um dann für verbrauchsarme Toyota Hybride zu heucheln. Sei´s drum: Umweltbewusste Kunden oder solche, die Umweltbewusstsein suggerieren wollen, fahren Hybrid.
Und das muss man Toyota lassen: Der letzte Misserfolg war nicht das unbeirrbar durchgesetzte Hybridkonzept, sondern Einbrüche in der Qualität, mehrere Rückrufe und das Versagen in der Formel 1. Beeindruckend bleibt es aber, wie zielorientiert das japanische Unternehmen seinen Weg gegangen ist, ohne sich mit Selbstzweifeln in Frage zu stellen. Nach dem Motto, wer sich verunsichern lässt, ist unsicher, zogen die Japaner ihr Hybrid-Ding durch, das nur mit der ebenso konsequenten Handlungsweise von BMW i zu vergleichen ist.
Noch heute murren viele Ingenieure, dass der Hybrid physikalisch keinen Sinn macht, wenn man die Ölressourcen schonen will. Wenn überhaupt, dann nur im Kurzstreckenverkehr; auf der Langstrecke mit höherem Tempo geht der Vorteil gegen null. Der nächste Schritt Plug-in, bei dem eine große Batterie über ein Ladekabel aufgeladen werden muss und bis zu maximal 50 Kilometer rein elektrisches Fahren erlaubt, ist da schon wesentlich alltagstauglicher. Aber auch hier gilt: nur, solange keine langen Autobahnfahrten absolviert werden. Die offiziellen Verbrauchswerte von 2,1 bis 3,3 Litern selbst bei Sportwagen wie dem BMW i8 (Systemleistung 362 PS) oder für den Porsche 918 Spyder (Systemleistung 887 PS) sind absolut realitätsfern, weil sie das Ergebnis einer komplizierten Formel sind, die am grünen Tisch ersonnen wurde. Sie überbewertet die rein elektrische Fahrt und ignoriert, dass auch die Stromerzeugung CO2 emittiert. Dass der Porsche 918 auf zügiger Langstrecke zehn Liter verbrennt, ist doch immer noch ein sensationeller Wert, den niemand verheimlichen muss.
Toyotas neuester Coup ist beeindruckend. In 100 Jahren, so die Zukunftsforscher, werden wir überwiegend mit Brennstoffzellen unterwegs sein, die reichweitenkritische Batterien überflüssig machen und den Strom für den Elektroantrieb mit Wasserstoff erzeugen.
Mit dem Toyota „Zukunft“ bekommt der Ausbau einer Wasserstoff-Infrastruktur einen Boost, der das Reichweitenproblem in Wasserdampf auflösen kann. Wasserstoff zu tanken dauert dann nicht länger als heute die Tankfüllung mit Benzin oder Diesel. Das Tanken von Strom kann da zeitlich natürlich nicht mithalten. Es bleibt abzuwarten, wie die Wettbewerber reagieren und wie schnell sie die Brennstoffzelle in eigenen Modellen realisieren können. BMW hatte den lange favorisierten Verbrennungsmotor mit Wasserstoff – fast serienreif – aufgegeben, aber auch gesagt, dass Wasserstoff der Kraftstoff der Zukunft ist. Durchsetzbar war das Thema mangels Infrastruktur aber noch nicht. Auch wer zu früh kommt, wird zuweilen vom Leben bestraft. Dass der Initiator des Wasserstoffantriebs bei BMW, Wolfgang Reitzle, dann bei Linde das Thema weiter forciert hat, ist ein glücklicher Zufall. Linde arbeitet nun mit Daimler zusammen, um Wasserstoff alltagstauglich zu machen. Daimler arbeitet seit 1994 an der Brennstoffzelle, hat auch einige B-Klassen mit diesem System in Serie gebaut. Ursprünglich wollte Daimler die B-Klasse mit Wasserstoffantrieb 2014 auf den Kunden-Markt bringen. Der Markteinstieg ist nun auf 2017 verschoben worden. Da wird Toyota schon zwei Jahre Vorsprung haben.
Und was werden die Autokritiker der Umweltverbände sagen? Entscheidend wird sein, woher der Strom für die Wasserstoff-Erzeugung kommt. Strom aus Kohlekraft wäre natürlich kontraproduktiv. Und ein regenreiches Jahr würde dann sicher den Brennstoffzellen-Autos angelastet, denn aus ihren Auspuffrohren entweicht nur Wasserdampf. Wenn einmal Millionen Autos Wasserdampf emittieren, könnte das durchaus ein Argument werden, mit dem sich die Klimaforscher noch nicht wirklich auseinander gesetzt haben. Argumente gegen das Auto lassen sich immer (er)finden.
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