Wolfgang Reitzle for President? – Der ADAC bleibt auf der Suche nach einem neuen Präsidenten bisher erfolglos

Es gibt Nachrichten, die schaffen es einfach nicht bis in die Tagesschau. Manche noch nicht einmal auf Bild.de oder Spiegel online. Eine solche Nachricht war eine Meldung im Radio. Antenne Bayern vermeldete, dass sich ADAC-Beiratssprecher Jürgen Heraeus einen Kandidaten mit Auto-Erfahrung auf dem Präsidenten-Posten wünschen würde. Kein abwegiger Gedanke. Und natürlich fiel ihm dazu auch ein Name ein, der immer genannt wird, wenn irgendwo ein wichtiger Wirtschaftsposten zu besetzen ist: Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Reitzle.

Da kann es keinen Zweifel geben. Wolfgang Reitzle wäre ein Gewinn für den ADAC, aber der ADAC alles andere als ein adäquates Aufgabengebiet für Reitzle. Der Ex-BMW-Vorstand, Ex-CEO der ehemaligen Londoner Ford-Luxusabteilung Premier Automotive Group und erfolgreichster CEO beim Linde-Konzern ist noch nicht einmal gefragt worden, wie zu hören ist. Gut so. Wer hätte auch den Mut, dem vielleicht erfolgreichsten Manager Deutschlands das Angebot zu machen, Präsident eines moralisch darnieder liegenden Vereins zu werden, der sich gerade auf den Weg macht, wieder glaubwürdig zu werden. Denn das wird dauern. Und Reitzle ist als Aufsichtsratschef bei Continental und als Berater in der Autobranche wichtiger als der Präsident eines Vereins für liegengebliebene Autofahrer.

Reitzle würde den ADAC zweifellos wieder auf die Beine stellen, ihm ein ganz neues Image und wieder Glaubwürdigkeit verschaffen. Aber ganz anders, als sich das Jürgen Heraeus vorstellt. Reitzle ist weder als Zauderer noch als konfliktscheu bekannt. Als er an jenem Freitag im Februar 1999 (siehe auch Reitzle-Portrait im Stern) auf dem Sprung auf den BMW-Chefsessel von den Arbeitnehmervertretern gemeuchelt wurde, lehnte er es knallhart ab, weiter als Entwicklungsvorstand zweiter Mann zu bleiben. Schließlich war ihm vom damaligen Aufsichtsratschef Eberhard von Kuenheim in die Hand zugesagt worden, dass er, Reitzle, Vorstandsvorsitzender werden würde. Von Kuenheim hatte es ernst gemeint, aber nicht mit dem Widerstand der Arbeitnehmer gerechnet. Es kam zum Eklat, und Reitzle machte sich auf, Fords Luxusmarken (Jaguar, Land Rover, Aston Martin, Volvo und Lincoln) aufzupäppeln. Nach dem Abgang des damaligen Ford-Chefs Jacques Nasser konnte sich Reitzle gegenüber den Erbsenzählern in Detroit mit seinen Qualitätsansprüchen nicht mehr durchsetzen. Er nahm das Angebot an, Linde-Chef zu werden. Der verstaubte Gemischtwarenkonzern produzierte Gabelstapler und Kühltruhen und auch Industriegase, spielte auf dem Weltmarkt kaum eine Rolle. Reitzle fokussierte Linde auf Gase und machte die Linde Group zum Weltmarktführer.

Das ist schon ungewöhnlich: Da verlässt ein Vorstand vor 15 Jahren BMW, und noch heute machen dort Entwickler große Augen der Bewunderung, wenn sie den Namen Reitzles hören. Und es gibt viele, die sagen, dass es nach dem Abgang Reitzles ein paar Jahre gedauert hat, bis die Ingenieure im FIZ wieder in der Spur waren. Reitzles sprühte nicht nur vor Ideen, sondern er riss auch andere mit, um diese Ideen umzusetzen.

Dieser Mann beim ADAC? Das geht einfach nicht. Das wäre wie wenn man einen Wildwasserkanu-Champion zum Kapitän auf einem Container-Frachter machen wollte. Eine solche Organisation wäre Reitzle viel zu langsam. Und dass sie sich schnell ändern würde, ist nicht zu erwarten. Am Ende hat wohl auch der ADAC-Beiratssprecher Jürgen Heraeus eingeräumt, dass der Name Reitzle nicht wirklich ein Vorschlag war, sondern nur ein Beispiel für den richtigen Maßstab, wie der nächste Präsident ungefähr sein sollte.

Die Vorschlagsliste der Bild-Zeitung fürs ADAC-Präsidentenamt ist da schon realistischer: Favorit der Leser ist der CDU-Politiker Friedrich Merz, daneben werden Paris-Dakar-Siegerin Jutta Kleinschmidt, Unternehmensberater Roland Berger, Ex-Finanzminister Theo Weigel und die ehemalige Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth genannt.

Die Bild-Zeitung kritisiert, dass der ADAC auf seiner anstehenden Mitgliederversammlung die Wahl eines Präsidenten wohl absetzen wird. Mangels eines Kandidaten und um sich ohne Zeitdruck umzuschauen, wie es heißt. Könnte es sein, dass es der ADAC deshalb nicht eilig hat, weil Gras über die skandalösen Vorgänge zur Wahlmanipulation beim Gelben Engel wachsen soll? Warten wir´s ab.



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