Nach Bekanntwerden des Diesel-Skandals bei Volkswagen im September 2015 hat Daimler-Chef Dieter Zetsche immer wieder beteuert, dass bei Mercedes keine Betrugssoftware installiert ist. Im Verkehrsministerium ist man da anderer Ansicht.
Im kleinen Kreis soll Zetsche über VW gespottet haben, „wobei man nicht wusste, ob er sich darüber lustig machte, dass sich VW hat erwischen lassen oder ob er tatsächlich moralisch empört und davon überzeugt ist, im eigenen Haus sauber gearbeitet zu haben“, berichtet ein Ingenieur aus der Mercedes-Pkw-Entwicklung. Andere wollen in den Gesprächen mit Zetsche immer auch „einen Hauch Schadenfreude herausgehört“ haben.
Fest steht, dass Dieter Zetsche nach dem angeordneten Rückruf von über 238.000 Diesel-Fahrzeugen schwer unter Druck geraten ist. In Europa sind 775.000 Fahrzeuge betroffen. In den USA dürfte das Verdikt des Bundesverkehrsministers aufmerksam zur Kenntnis genommen worden sein, zumal da auch in den USA gegen Mercedes-Benz ermittelt wird.
Wenn die Vorwürfe stimmen, wird es eng für Dr.Z.
Wenn sich herausstellen sollte, dass auch Daimler-Diesel mit Euro 6-Norm mit illegaler Abschalt-Software ausgestattet sind, dann wird es eng für Zetsche. Allerdings gibt sich Daimler nach wie vor überzeugt, nicht illegal gehandelt, sondern das Gesetz ausgenutzt zu haben, das ja die Abschaltung der Reinigung mit AdBlue bei bestimmten Temperaturen erlaubt. Aus dem Verkehrsministerium ist allerdings zu hören, „dass wir alles rauf und runter untersucht haben und für uns zweifelsfrei feststeht, dass in den betroffenen Autos gegen gesetzliche Regelungen verstoßen wird“. Wir hätten keinen Rückruf angeordnet, wenn es auch nur den Hauch von Zweifel daran geben würde. Daimler will dies nun vor Gericht klären lassen, kann sich aber dem Rückruf nicht entziehen. Dass sich eine Feststellungsklage lange hinziehen dürfte, ist allen Beteiligten klar. Eine rechtskräftige Feststellung könnte auch erst nach dem 31.12.2019 vorliegen. Solange ist Dieter Zetsche noch als CEO im Amt.
In Turnschuhen zum Minister-Rapport
Dass Zetsche die Ladung zum Rapport im Ministerium vor 14 Tagen locker genommen hat, war schon an seinem Outfit zu erkennen. Locker und cool gekleidet, mit Turnschuhen an den Füßen, lächelte er beim Betreten des Ministeriums. Als er wieder rauskam war zu sehen, dass er nicht mehr gut drauf war. Und bei seinem Besuch am 11.6. kam er auch nicht mehr in Turnschuhen. Dass fast zeitgleich die Staatsanwaltschaft in München die Privatwohnung von Audi-Chef Rupert Stadler durchsuchen ließ und ihn jetzt als Beschuldigten führt, ihm Betrug vorwirft, macht deutlich, dass die deutsche Vorzeigeindustrie ernst machen muss mit dem Versprechen aufzuklären. Die Floskel, dass man mit den Behörden voll kooperiere, hat auch Volkswagen nichts genutzt. Vor allem in den USA, wo ein leitender Manager zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde. Auch er hatte voll kooperiert und sich sogar als Kronzeuge angeboten.
Wer wagt sich noch nach Detroit?
Wie geht es weiter? Ein Mercedes-Mann am Telefon: „Wir sind alle gespannt, wer sich nicht nur von unseren Führungskräften noch auf US-Messen in Detroit, Los Angeles oder Las Vegas sehen lässt. Daran lässt sich viel ablesen.“ Die US-Justiz nimmt keine Rücksicht auf große Namen, wie der Fall Winterkorn beweist. Angestachelt von Donald Trumps Anti-German-Cars-Meinungsmache könnte sich mancher Staatsanwalt politische Vorteile versprechen, noch härter gegen die Car Guys aus Germany vorzugehen. Das ist zwar reine Spekulation, aber nicht von der Hand zu weisen.
Tatsächlich unterscheidet sich das amerikanische Rechtssystem in einem Punkt dramatisch von unserem. Anklage erheben kann dort die Staatsanwaltschaft auch schon dann, wenn die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Und mit Untersuchungshaft ist man in den USA schnell zur Hand, besonders dann, wenn Verdächtige im Ausland wohnen und die USA nur besuchen.
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