Wenn ich wetten müsste, was in der Automobilentwicklung die nächsten Jahre Realität werden wird, dann zwei Dinge: 1. Das so genannte Verbrenner-Verbot wird noch vor der geplanten EU-Überprüfung 2026 fallen. 2.: Die Autohersteller, die keine Verbrenner mehr entwickeln wollen und schon einen Verbrenner-Endtermin genannt haben, werden ihre Aussagen revidieren.
So auch Daimler-Chef Ola Källenius, der noch 2021 sagte, dass Mercedes ab 2035 nur noch Batterie-Autos verkaufen werde. Nun rudert er in realistische Gefilde zurück und beschränkt sich darauf, 2035 nur noch die Hälfte an Batterieautos verkaufen zu wollen. Aber selbst das ist nicht sicher, wie wir aus Källenius´ Umfeld hören.
Ganz sicher dürfte der grün-fromme Wunsch der Politik, in Deutschland bis 2030 15 Millionen reine E-Autos zugelassen zu haben, bereits jetzt als hinfällig betrachtet werden. „Wir sind umzingelt von Realität“, sagte kürzlich Wirtschaftsminister Robert Habeck in einer Talkshow und machte damit deutlich, dass ideologische Vorgaben an der Wirklichkeit zerschellen wie Prototypen im Crash-Test. Vielleicht ist das Ampel-Credo mit seiner Hinwendung zur Batterie-Mobilität auch nur ein „Test“ wie beim Heizungsgesetz, um zu sehen, wie weit die Autokäufer auf dem Weg zum Batterie-Auto mitgehen.
Ola Källenius hat mit der Entscheidung, die geplante E-Auto-Plattform „MB.EA-Large“ wegen hoher Kosten und geringer Nachfrage zu canceln, eine Art Wende vollzogen, die nicht nur intern für Verwunderung gesorgt hat. „Erst hat er auf dicke E-Hose gemacht und nun steht er in der Unterhose da“, kritisiert ein Mercedes-Marketer ziemlich drastisch. „Damit gibt er doch zu, dass die 100-Prozent-E-Strategie gefloppt ist. Im Marketing haben wir das von Anfang an kritisch gesehen.“ Dass die Münchner Konkurrenz ein wenig Schadenfreude empfindet, verwundert deshalb nicht. Ist man doch von den Stuttgartern für die BMW-Strategie konsequenter Technologie-Offenheit kritisiert worden.
Verwunderlich allerdings, dass ausgerechnet jener Autohersteller, der sich nicht auf Batterie-Autos allein festgelegt hat, nun nicht darüber klagt, einen Einbruch bei den E-Autos verzeichnen zu müssen. Wie gesagt: BMW ist mit seiner technologieoffenen Strategie zwar belächelt worden, jetzt schwingt in den Gesprächen mit Mercedes-Leuten stille Bewunderung mit. Dass nun BMW-CEO Oliver Zipse auf erfolgreiche Zahlen ausgerechnet auch im E-Segment verweisen kann, bestätigt einmal mehr die Richtigkeit der Technologie-Offenheit. BMW kritisiert aber deutlich die EU-Regelung zum Verbrenner: „Eine Regulatorik, die Kundenbedürfnisse und Marktrealitäten ignoriert, aber gleichzeitig nicht in der Lage ist, die erforderlichen Rahmenbedingungen für alternative Technologien zu schaffen, kann nicht erfolgreich sein“, heißt es im Vierzylinder, der wie ein Verbrenner-Monument in den weißblauen Himmel ragt.
Autovermieter nehmen Abstand zum Batterieauto – vorläufig
Die E-Mobilität wird, nein wurde von der Politik zwar mit einer geradezu pathologischen Besessenheit forciert und finanziell mit Steuergeld gefördert, aber mittlerweile verglimmen die E-Strohfeuer in der Asche einer kurzsichtigen Politik. Ein führender Entwickler aus Wolfsburg schimpft hinter vorgehaltener Hand, „dass wir von der Politik verraten wurden. Erst wurden wir quasi in diese Richtung gedrängt, jetzt hat uns die Politik geradezu fallengelassen. Wenn an einem Freitag Herr Habeck verkündet, dass die Förderprämie für E-Autos am Sonntag ausläuft, hat er der E-Mobilität eigentlich den Stecker gezogen. Immer deutlicher wird: Die grüne Politik will nicht nur keine E-Mobilität, sondern offensichtlich gar keine individuelle Mobilität“. Der Entwickler will „nur noch den Ruhestand in drei Jahren erreichen, aber der Zerstörung unserer Industrie nicht länger als engagierter Ingenieur zuschauen“.
Tatsächlich werden die Befürworter der Batterie-Autos überall weniger. Auch bei den Autovermietern, die noch vor drei Jahren ihre Flotten um Hunderte von Batterieautos bereicherten. Hertz wollte bis zu 100.000 Tesla- und bis zu 65.000 Polestar-Modelle kaufen, Sixt bis zu 100.000 Autos von BYD. Alle haben sich bei den Restwerten dramatisch verkalkuliert und immense Verluste verbuchen müssen. Die Betriebs- und Reparaturkosten liefen aus dem Ruder, heißt es bei Sixt.
Die Politik hat ihre Unterstützung zurückgezogen
Selbst der Präsident des Bundesverbands Elektromobilität, Kurt Sigl, kritisiert die fehlende Unterstützung durch die Politik. Außerdem sei es der falsche Weg, dem Markt etwas aufzuzwingen. „Es muss sich von selbst durchsetzen.“ Dazu fehlten aber die Rahmenbedingungen wie Lade-Infrastruktur. Sigl hält die E-Mobilität gleichwohl für die bessere Lösung, den Verbrenner langfristig für ein Auslaufmodell. Der ehemalige BMW-Entwicklungschef Wolfgang Reitzle kritisiert eine „überstürzte Einführung“ von E-Autos. Diese sei einer grünen Ideologie entsprungen, die sich nicht durchsetzen lasse.
Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Ex-Daimler-Mann hält klimaneutrale Kraftstoffe für eine sinnvolle Alternative und verweist auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Autofahrer. „Wir brauchen deshalb einen Mix, eine gute Balance – und nicht diese extrem einseitige politische Bevorzugung des Elektromotors.“
Mercedes-Chef Källenius, einst Batterie-Euphoriker räumt jetzt in der Zeit ein: „Den Zeitpunkt für den letzten Verbrenner kennen wir schlichtweg nicht.“ Es gibt Experten, die eine weltweite E-Mobilität noch nicht einmal in 100 Jahren und grundsätzlich einen sehr langsamen Übergang zum Batterieantrieb erwarten.
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