BMW 730d: Der beste Siebener aller Zeiten – die Zukunft nicht mitgerechnet

Der Siebener repräsentiert in der sechsten Generation weiterhin das Top-Angebot der Marke BMW. Im ewigen deutschen Wettstreit mit der S-Klasse von Mercedes und mit dem Audi A8 ist die Spitze nach wie vor klar strukturiert: Die S-Klasse bleibt unangefochten weltweit Klassenprimus. Daran hat auch der aktuelle Siebener nichts geändert, den wir als 730d xDrive ausprobiert haben.

Die Reihenfolge des globalen Markterfolgs sagt nicht unbedingt etwas über die Qualitäten eines Modells. Das Prestige einer Marke, der Nimbus und das Image spielen im Segment der Oberklasse eine über den technischen Qualitäten stehende große Rolle. Die S-Klasse hat weltweit offensichtlich den höchsten Image-Wert der Oberklasse, vor allem als Chauffeurs-Limousine. Der 7er hat etwas jüngere Käufer, ist als dynamisches Fahrer-Automobil positioniert, obwohl man den Siebener zunehmend auch bei den Krisen-Gipfeln dieser Welt vorfahren sieht.

BMW 7er Schlüssel bietet Infos per Display

BMW 7er Schlüssel bietet Infos per Display

Die ersten Sekunden in einem Automobil signalisieren sofort, ob man sich wohlfühlt oder sich erst langwierig auf das Interieur einstellen muss. Im Siebener stellt sich dieses Wohlgefühl sofort ein. Ergonomisch auf den Fahrer ausgerichtet, erscheint alles wie gewohnt. Wie gewohnt? Genau das ist die andere Seite derselben Medaille: Perfektion im Detail, aber ohne jede Überraschung. Was für den Innenraum gilt, ist auch außen festzustellen.

Das Design macht keine großen Sprünge

Noch nie ist es uns passiert, dass wir in einem neuen Modell von BMW so oft voller Verunsicherung gefragt wurden: „Ist das der Neue?“ BMW-Designer werden diese Fragen ob ihrer Laienhaftigkeit verdammen oder still in sich hineinmurmeln: „Ich habe doch schon immer gewusst, dass wir formal weiter springen müssen.“ In die Zukunft nämlich. Beim oberflächlichen Hinschauen könnte der neue 7er durchaus als besseres Facelift des Vorgängers wahrgenommen werden. Vielleicht liegt der Grund für die nur formale Evolution in der umstrittenen Revolution des Chris-Bangle-Siebeners. Der war wesentlich mutiger. Steckte den Entscheidern bei BMW dieser wunde Punkt noch immer in den Knochen, als sie dem Design des aktuellen Siebeners ihren Segen gaben? Tatsächlich ist der aktuelle Siebener auch intern heftig kritisiert worden, weil er nicht sichtbar macht, was in ihm steckt. Aber auch was in ihm steckt, ist nicht überall wirklich von Innovationen getragen, die einen Wow-Effekt auslösen.

Dass die Rohbaustruktur mit ihrem intelligenten Mix aus Karbon, Magnesium, Aluminium und Stahl produktionstechnisch absolut High-Tech der Spitzenklasse repräsentiert, ist klar. Dieses innovative Element, das zudem 130 Kilogramm zum Vorgänger spart, hat für den Kunden aber keine Signalwirkung, mit der er am Stammtisch punkten kann, sofern Oberklasse-Besitzer überhaupt dort anzutreffen sind. Im Ernst: Innovationen, die unsichtbar bleiben, sind nur für den Ingenieur innovativ. Der Kunde nimmt sie als selbstverständlich hin.

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Der Innenraum glänzt mit guter Form und hochwertigen Materialien Fotos. BMW

Einen Hauch von Sensation ist höchstens die im neuen 7er vorhandene Möglichkeit, das Fahrzeug per Display-Schlüssel in eine enge Parklücke oder Garage einzuparken, ohne am Steuer zu sitzen. So was kann man stolz dem Nachbarn vorführen, das ist ein Detail aus der Zukunft des autopilotierten Fahrens. Leider hatte unser Testwagen dieses Feature nicht aufzuweisen, so dass wir uns nur theoretisch damit befassen können.

Ist der Siebener wirklich „der Anspruch von Morgen“?

Der 7er ist zweifellos ein perfektes Automobil und ohne Frage Stand der Technik. Aber reicht das aus, die Konkurrenz aus Stuttgart zu überholen? Das war früher anders, als BMW 1994 im Siebener weltweit als erster Hersteller das Navi einführte. Eine Sensation. Das anfangs umstrittene iDrive-System, jener Drehknopf, mit dem sich viele Funktionen ansteuern ließen: einmalig innovativ. Und heute von anderen Herstellern übernommen. Die heute als Innovation vorgestellte Gestensteuerung, mit der man das Radio lauter oder leiser machen, den Ton abschalten oder einen Telefonanruf annehmen kann, ist ganz witzig. Aber abgesehen davon, dass sie (noch) nicht perfekt funktioniert, bietet die konventionelle Lautstärke-Regelung über den Knopf im Lenkrad noch den Vorteil, die Hand nicht vom Steuer nehmen zu müssen und schneller erreichbar zu sein. Fazit: Nicht überall, wo das Marketing Innovation draufschreibt, steckt Innovation drin. „Der Anspruch von Morgen“, wie BMW den 7er zur Einführung beworben hat, ist bestenfalls der hohe Anspruch von Heute.

Der Reiz, dem Beifahrer die Gestensteuerung zu demonstrieren, hält nicht lange an. Wir haben uns immer schnell wieder der Steuerung per Knopf im Lenkrad bedient. Die Temperatur-Regelung mittels Touch-Bedienleiste ist neu und fühlt sich gut an. Und der mit einem kleinen Display versehene „Schlüssel“ verblüfft mit ein paar Informationen. So zum Beispiel wie weit der Kraftstoff noch reicht. Der Fahrer kann also schon vor dem Losfahren am Frühstückstisch überprüfen, ob er gleich zum Tanken fahren sollte. Man kann damit auch die Lüftung vor dem Einsteigen einschalten bzw. programmieren.

Die Zukunft muss warten, aber jeder Kilometer ist überzeugend

Der AdBlue-Tank fasst 24 Liter und reicht für 10.000 km

Der AdBlue-Tank fasst 24 Liter und reicht für etwa 10.000 km je nach Fahrweise Foto:pet

Unsere Erwartungshaltung wurde dennoch leicht enttäuscht: Wenn BMW einen neuen Siebener auf die Straße stellt, dann sollte da mehr kommen als technologische Spielereien, die auch Wettbewerber schon haben oder schon im Vorgänger vorhanden war. Sicher, alles ist gegenüber dem Vorgänger verbessert worden, aber reicht das? Kein Detail, das nicht Bestnoten verdient hätte, vom Head-up-Display mit um 75 Prozent vergrößerter Projektionsfläche bis zur Bedienung und Darstellung der Navigation. Von der Qualität der Verarbeitung bis zur Hochwertigkeit der Materialien. Von den Einstellmöglichkeiten des Fahrwerks bis zu den auf den jeweiligen Fahrmodus abgestimmten Schaltpunkten der seidenweich schaltenden 8-Gang-Automatik. Das ist Top-Niveau, wie auch die zahlreichen ersten Preise bei Auto-Wettbewerben rund um den Globus beweisen. Das ist aber alles Gegenwart und nicht wirklich zukunftsweisend. Bleibt die Zukunft einem noch nicht entschiedenen BMW 9er vorbehalten? Irgendwie widerspricht der aktuelle Siebener dem BMW-Slogan zum 100. Geburtstag, der „die nächsten 100 Jahre“ proklamiert. Dieser Siebener steckt mit all seinen technischen Finessen in der Gegenwart fest. Da muss mehr kommen.

Fest steht aber auch: Der von uns getestete 730d xDrive mit seinen 265 PS überzeugte auf jedem Kilometer. In Sachen Fahrkomfort mag die S-Klasse eine Nuance besser sein, aber in der Synthese von Komfort und Fahrdynamik ist der Siebener nach wie vor das Maß der Dinge. Es ist die Summe seiner Eigenschaften, die ihn auch ohne Innovations-Sprünge zu einem Spitzenprodukt werden lassen. Wie präzise er einlenkt, wie er sich dem Grenzbereich nähert und jederzeit kontrollierbar bleibt, wie souverän, leise und angenehm soundig der Diesel sein Drehmoment ausspielt, wie zielorientiert die 8-Gang-Automatik die Gänge ansteuert und wie komfortabel er Dank serienmäßiger Luftfederung abrollt.

Dass die vorhandenen Assistenten beeindrucken, ist auch dem Wettbewerb geschuldet, die ebenfalls mit einem Heer an Assistenten daherkommt. Der aktive Lenkeingriff in unserem Testwagen hält zwar die Spur, der 7er pendelt dabei allerdings zu stark von Seitenbegrenzung zu Seitenbegrenzung, so dass der Fahrer gerne schnell wieder selbst eingreift, wenn er nicht den Eindruck einer Trunkenheitsfahrt generieren will. Das System darf allerdings auch nicht mit autopilotiertem Fahren verwechselt werden, trotzdem sollte die Spurhaltung weicher ablaufen. Dass sich der Tempomat per Knopfdruck auf das gerade geltende Tempolimit einstellen lässt, wird grafisch sehr schön dargestellt. Von einer automatischen Tempolimit-Regelung, wie sie Audi ermöglicht, hält BMW offenbar nichts, weil die Münchner keinerlei Bevormundung der Freude am Fahren wollen. Das ist eine Philosophie, die man akzeptieren kann.

Alle Systeme harmonieren bestens und überzeugen

Der 730d xDrive bietet Fahrvergnügen pur. Es ist beeindruckend, welches Temperament dieser Diesel entwickelt. 5,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h geben beredt Zeugnis davon, dass Drehmoment wichtiger sein kann als eine hohe PS-Leistung. 620 Newtonmeter ab 2000 Umdrehungen sagen alles. Dass sich der Verbrauch bei unserer zügigen Testfahrt zwischen acht und maximal achteinhalb Litern bewegte, beweist: Der Diesel hat nach wie vor seine Berechtigung, besonders dann, wenn er wirklich so sauber ist, wie ihn BMW gemacht hat. Interessant in diesem Zusammenhang, dass wir auf etwa 3.000 Kilometer etwa zwei Liter AdBlue für den SCR-Katalysator hätten nachfüllen müssen, jenen in den Abgasstrom einzuspritzenden Harnstoff, der die Stickoxide in Stickstoff und Wasser umwandelt.

P90178434_highRes_the-new-bmw-7-seriesDie BMW Ingenieure haben den 730d zu einem Automobil gemacht, das Freude am Fahren mit Verbräuchen ermöglicht, die vor 20 Jahren noch ins Reich der Fantasie gehört haben. Der Klang des Triebwerks: angenehm sonor, unaufdringlich und Dank vielfältiger Dämmung sehr leise. Der Motor, die Automatik und das gesamte Fahrzeug harmonieren in einer Weise, die uns fragen lässt: Muss es wirklich mehr sein? Keine Frage, dass der BMW 7er seine Besitzer vor allem mit seinen Fahreigenschaften begeistern wird. Unser Fazit ohne Frage: Das ist der beste Siebener aller Zeiten – die Zukunft nicht mitgerechnet.

Technische Daten BMW 730 d xDrive: Länge: 5,10 Meter, Breite (inkl. Spiegel): 2,17 Meter, Höhe: 1,47 Meter, Radstand: 3,07 Meter, Leergewicht: 1.900 Kilogramm, Tankinhalt: 78 Liter, Motor: Sechszylinder-Diesel mit TwinPower Turbo, Hubraum 2.993 ccm, Leistung: 265 PS bei 4.000 U/min, max. Drehmoment: 620 Newtonmeter bei 2.000 bis 2.500 U/min, 0 – 100 km/h: 5,9 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h, Durchschnittsverbrauch NFZ 5,2 Liter Diesel auf 100 km, CO2-Emission kombiniert: 127 g/km, Euro 6, Effizienzklasse A+, Preis ab: 82.600 Euro.

 

 

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