VW – Das „Diesel-Thema“ oder die unendliche Geschichte

„Der VW-Skandal brodelt seit Monaten und welche Fragen sind eigentlich geklärt? Keine einzige. Das größte deutsche Unternehmen behandelt den größten anzunehmenden Betrugsfall in seinen Reihen, wie eine mittelgroße Rückrufaktion, bei der es darum geht, eine Panne zu beheben. Bis heute gibt es keine bekannten Schuldigen.“ Das schreibt das Handelsblatt und liegt damit im Mainstream der öffentlichen Meinung.

Allerdings ist die Sache nicht so einfach, sondern hoch komplex. VW steckt zwar tief im Schlamassel, aber zu Schnellschüssen sollte sich das Management nicht verleiten lassen. In zwei Wochen will VW-Chef Müller ja ein erstes Zwischenergebnis bekannt geben, und das ist angesichts des Umfangs einer solchen Untersuchung doch recht zügig, auch wenn das die Öffentlichkeit gerne noch schneller hören würde.

Schlimm ist, dass jeden Tag neue Erkenntnisse aus dem Schlamm des Skandals an die Oberfläche blubbern. Fast jede Marke des Konzerns ist irgendwie NOx-vergiftet oder CO2-vernebelt. Nach Porsche hat´s jetzt auch Audi erwischt, das heißt, Audi musste einräumen, eine Software verwendet zu haben, die nicht von den US-Behörden genehmigt war. Einer Schuld ist man sich in Ingolstadt aber nicht bewusst, ein Vorsatz sei nicht vorhanden, lässt sich aus der Audi-Pressemitteilung zwischen den Zeilen lesen. Das ist natürlich Unsinn, denn Audi kennt die gesetzlichen Regelungen in den USA bis in die letzte paraphierte Verästelung und wusste um das Risiko einer nicht genehmigten Software.

Das fällt an allen bisherigen Äußerungen auf: Echtes Bedauern, geschweige Demut klingt trotz aller recht floskelhaften Entschuldigungen nicht durch. Das gilt auch für die Äußerungen des VW-Aussichtsrats. Wenn man das Interview mit dem Niedersächsischen Ministerpräsidenten Weil in der FAZ liest, hat der Mann in seiner Funktion wohl gar nichts mitbekommen. Jetzt alles dem Management zuzuschieben, ist eines Aufsichtsrats unwürdig.

VW macht beim „Diesel-Thema“, wie der Skandal in Wolfsburg bagatellisierend genannt wird, aber auch durchaus schwer wiegende Fehler: Zum Beispiel, wenn der Konzern deutsche Kunden schlechter behandelt als amerikanische, die gleich mal mit 1000 Dollar milde gestimmt wurden. Das ist taktisch völlig daneben, unsensibel und stillos. Die Hausjuristen mögen noch so viele Argumente für eine solche Regelung haben, hier zählt, wie so was draußen bei den Kunden ankommt. Denn Wahrnehmung ist Wirklichkeit. Auch dann, wenn die Wahrnehmung nicht der Wirklichkeit entspricht.

Und jeden Tag kommen neue Tatsachen ans Licht. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft auch noch wegen Steuerhinterziehung. Allerdings ist kaum anzunehmen, dass VW die Verbrauchswerte geschönt hat, um Steuern zu sparen oder den Kunden günstigere Steuern zu ermöglichen. Die Steuerhinterziehung ist quasi ein Nebeneffekt der Manipulation, aber ganz sicher nicht ein Ziel gewesen.

Wenn wir die Zeichen richtig interpretieren, dann deutet jetzt alles auf einen handfesten Krach zwischen Vorstand und Aufsichtsrat hin. Dass nach der letzten Aufsichtsratssitzung Matthias Müller wortkarg und ohne Fragen zuzulassen allein vor die Presse trat, ist ein erkennbares und überdeutliches Zeichen dafür. Müller hat jetzt die einmalige Chance, die Übermacht der Gewerkschaft zu brechen. Das ist unabdingbar, wenn Volkswagen bessere Margen einfahren soll. Das fordert zwar auch der wortgewaltige Bernd Osterloh, versucht aber gleichzeitig die notwendigen Schnitte schon im Vorfeld abzuwürgen. Dass Volkswagen viel zu teuer produziert, ist nicht zuletzt der Gewerkschaft und dem Betriebsrat anzulasten, die viel zu lange vom Vorstand gestreichelt wurden.

Jetzt zeigt sich auch, wie katastrophal falsch es war, den Konzern auf Martin Winterkorn und Ferdinand Piëch auszurichten. Das Riesenreich, in dem die Sonne nie unterging, war nicht mehr kontrollierbar. Ohne radikale Einschnitte wird sich das nicht ändern. Wenn Müller den Kampf mit der Arbeitnehmerseite aufgeben muss, wird er hinwerfen. Er kann ziemlich souverän entscheiden, muss (und wollte eigentlich) nicht mehr Karriere machen. Vielleicht eine Chance für die völlig unbelasteten Vorstände Andreas Renschler und Herbert Diess. Denen traut man einen Neustart zu. Aber „vorher müsste es noch schlimmer kommen“, orakelt ein Insider. Und: „Dann kann sich die IG Metall die Verluste an Arbeitsplätzen selbst zuschreiben. Wenigstens verdienen die Vorstände nichts mehr.“

 

 

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