Der Diesel-Skandal zieht immer weitere Kreise. Wer hätte gedacht, dass ein kleines Software-Paket die Autowelt so massiv verändern, nein: so aufmischen kann, dass kaum ein Stein auf dem anderen bleibt. Ein Ende der Aufregung um geschönte Abgaswerte ist noch lange nicht abzusehen. Jetzt müssen sich neben VW auch andere Hersteller gegenüber den amerikanischen Behörden erklären. Das lässt nichts Gutes ahnen. Einzig BMW scheint makellos dazustehen.
Würde die Geschichte in einem Roman spielen, wäre das orkanartige Verbrennungsmotor-Bashing sicher eine konspirative PR-Kampagne der Hersteller von Elektromobilität. Mag sein, dass die üblichen Verschwörungs-Theoretiker dies tatsächlich für gegeben halten. Der Terminus von geheimer Industriepolitik vor allem der Amerikaner macht bereits die Runde. Und keine Frage: Die Diesel-Diskussion wird dafür sorgen, dass die E-Mobilität nun doch schneller kommt als erwartet.
Egal wie sich die Behörden, die Kunden und Volkswagen einigen: Schon heute lässt sich konstatieren, dass es einen Diesel-Boom in den USA nicht mehr geben wird. Die von den deutschen Herstellern in Entwicklung und Diesel-Werbung, in Clean-Diesel-Image-Kampagnen und PR investierten Dollar-Millionen sind sinnlos verbrannt.
Das Misstrauen gegenüber German Engineering wuchert bei Amerikanern wie ein mentales Krebsgeschwür. Dabei geht es zwar vor allem um Diesel, aber die Unantastbarkeit von Made in Germany ist offenbar dahin. Und wir müssen froh sein, wenn Diesel nicht auch in Europa noch deutlicher geächtet und aus den Innenstädten verbannt werden. Viele Autokritiker nutzen die Gelegenheit, nehmen die „Diesel-Thematik“ nun als willkommenen Anlass, individuelle Automobilität mit Verbrennungsmotoren grundsätzlich zu verdammen. Schlimmer noch: sie als die Ursache für Klimawandel, Tote, Feinstaub und eigentlich allen Übels auf der Welt verantwortlich zu machen.
Dass Amerikaner dennoch gerne Autos europäischer Herkunft fahren, ist dem Prestige geschuldet, mit dem sich die Kunden gerne schmücken. Und spricht man mit unvoreingenommenen Amerikanern, die einen German Diesel-Pkw von Volkswagen fahren, sind die voll des Lobes. Sie begeistern sich für die Power, das Drehmoment und die miles per gallon. Ich habe im Raum Los Angeles mit einigen gesprochen. Interessant ist dabei, dass sich jeder über eine finanzielle Entschädigung freuen und diese auch mitnehmen würde. Nur einer von sieben von mir Befragten würde auch ein Rückkaufangebot wahrnehmen. Aber nicht der Umwelt zuliebe, sondern weil er ein größeres Auto braucht und diese Gelegenheit einfach nutzen würde. Und bei einer Reparatur bzw. dem Aufspielen einer neuen Software fürchten alle, dass es einen starken Leistungseinbruch des Motors geben und der Verbrauch deutlich ansteigen könnte. Am liebsten würden sechs Befragte die Entschädigung kassieren, das Auto aber lassen, wie es ist. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass besonders in den USA eine gewisse Heuchelei dazugehört. Es ist wie mit der übertriebenen Prüderie im Land, das dennoch die größte Porno-Industrie der Welt beheimatet.
Natürlich sind sieben befragte VW-Dieselfahrer nicht repräsentativ, auffallend aber war, dass sich keiner von denen mit seinem Diesel nun als Umweltsünder fühlt. „Es gibt schlimmere Abgassünder als mein VW-Diesel“, sagte einer. Allerdings räumte er auch ein, dass man gesetzliche Regelungen nicht durch Tricks umgehen dürfe. „Die Gesetze machen Sinn. Vor 30 Jahren gab es in LA noch Smog über der Stadt, der zwar lange nicht so schlimm war wie in Peking, aber heute haben wir hier blauen Himmel. Das kommt nicht von ungefähr.“
Dass das Misstrauen gegenüber Autoherstellern weltweit zu einem Rückgang der Autoverkäufe führen wird, ist nicht zu befürchten. Allerdings gefährdet der vor allem in Europa zunehmende Gegenwind alle Autohersteller der EU. So kritisiert die deutsche Bundesumweltministerin Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) mit gewisser Schadenfreude verallgemeinernd : „Jetzt kommt die Lawine ins Rollen. Nicht nur VW hat jahrelang die Verbraucher betrogen und der Umwelt geschadet, sondern fast jeder Autohersteller. Das ist mit Wissen der Bundesregierung geschehen, die den Betrug jetzt nicht mehr unter der Decke halten konnte und reagieren musste.“ Das ist starker Tobak und deutet an, dass es der Autoindustrie künftig sehr schwer gemacht werden wird, in Sachen Verbrauch oder Abgas zu tricksen und zu schönen.
Vermutlich orakelt Frau Höhn richtig. Die Lawine rollt erst an und stößt ein Thermofenster nach dem anderen auf. Irgendwann hat man dann vielleicht den Durchblick und fragt sich, was die Außentemperatur eigentlich mit der Betriebstemperatur zu tun hat. Klar, am Nordpol braucht ein Motor länger, bis ihm warm wird, aber sonst? Wird der Motor warm, gibt es keine Versottungsgefahr mehr und das Thermofenster kann geschlossen werden, oder? Warum also hängt das Thermofenster am Scharnier der Außentemperatur und nicht an der Betriebstemeparatur?