ADAC-Skandal und kein Ende: Es geht nicht mehr nur um geschönte Teilnehmerzahlen – Aufklärung muss tiefer gehen – Industrie beklagt Inflation der Auto-Preise

Es seien, so meldete sich am Wochenende ein Kollege bei mir, nicht nur die Zahl der Einsendungen beim Gelben Engel aufgeblasen worden, sondern durchaus auch die Reihenfolge einzelner Test-Ergebnisse. Der Kollege war früher selbst ADAC-Tester und war im Streit mit PR-Chef Ramstetter aus dem Amt „gemobbt“ worden, wie er selbst sagt. Allerdings habe er keinen Zweifel, dass der Golf dieses Jahr tatsächlich die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte. Auch wenn es nur 3400 waren. „Manipuliert werden vor allem Testergebnisse bei Zubehör, Reifen, Kindersitzen, Skiträgern. Ja, auch das in der FAZ aufgegriffene Scheitern eines Dacia sei bewusst provoziert worden, weil Herr Ramstetter die Marke „nicht leiden konnte“.

In einer Sitzung zu einem Reifentest soll Ramstetter getobt und die Anweisung gegeben haben, dass „Conti gewinnen muss“, erzählte mir ein Teilnehmer. „Der hat seinen Reifen-Experten rund gemacht und wie einen dummen Schuljungen behandelt.“ Bezeichnend auch in diesem Fall: „Da saßen auch Leute von Continental mit am Tisch.“ Dass Conti in hohem Maße Anzeigen schaltet, den Gelben Engel sponsert, seit Jahren Partner des ADAC ist, macht die Verquickungen deutlich, die zumindest anrüchig erscheinen. Für einen vorrangig ans Anzeigengeschäft denkenden Chefredakteur stellt sich dann vielleicht tatsächlich die Frage, ob ein Reifen einen Vergleich gewinnen kann, dessen Hersteller noch nie eine Anzeige geschaltet hat und auch sonst mit dem ADAC nichts zu tun hat. Dass Ramstetter das Anzeigenvolumen der Motorwelt deutlich in die Höhe getrieben hat, kann zu denken geben. Partizipierte er gar am Gewinn des Magazins? Oder hat er es als Chefredakteur absolut seriös und unabhängig von Anzeigenkunden auf Erfolgskurs gebracht? Oder ist die Zusammenarbeit zwischen Redaktion und Anzeigenverwaltung doch zu eng, noch unabhängig testen zu können? Alles Fragen, die der ADAC sich auch selbst beantworten sollte. Wenn der ADAC den Skandal wirklich aufklären will, darf er aber nicht im eigenen Hause damit aufhören. Eigentlich müsste er den Mut haben, auch bei den Anzeigenkunden, bei industriellen Partnern der Motorwelt nachzufragen, ob ihnen ein gutes Abschneiden ihrer Produkte bei einem Test in Aussicht gestellt wurde, wenn sie Partner des ADAC werden oder in größerem Umfang Anzeigen schalten. Nur wer würde dies zugeben? Wurde vielleicht auch mal die Exklusiv-Vorabberichterstattung mit „ersten offiziellen Fotos“ über ein neues Modell oder der erste Testwagen mit einem guten Testbericht belohnt? Da müsste jetzt ein unabhängiger Experte die letzten zwei Jahre Motorwelt durchforsten und analysieren. Ob sich die ADAC-Aufklärung in diese Tiefen wagt? „Mit der Definition der Testkriterien kann man jedes Auto zum Sieger oder zum Verlierer machen“, sagte mir vor vielen Jahren der Test-Chef der Autozeitung, als ich dort selbst Chefredakteur war. Deshalb schlug er mir ein unveränderliches Kriterien-Raster vor, das jedes Auto mit den gleichen Maßstäben maß. Das führte dann dazu, dass ein Porsche 911 wegen seines kleinen Kofferraums natürlich in diesem Punkt alt aussah. Allerdings verzichtet natürlich kein Porsche-Fan auf einen Kauf, weil der Kofferraum klein ist. An diesem Beispiel sieht man, dass die Wertungen bei so genannten Vergleichstest mit Vorsicht zu genießen sind. Man sollte sie als Orientierungshilfe sehen, nicht als unumstößliches Urteil anerkennen. Dennoch geben sich alle Fachzeitschriften die größte Mühe, nachvollziehbar und plausibel zu testen und zu bewerten. Allerdings führt das dann auch dazu, dass die neue S-Klasse in einem ersten Vergleichstest gegen den „alten“ BMW 7er verlieren kann (Autobild), während dieser Vergleich in anderen Blättern zum gegenteiligen Ergebnis geführt hat. Man sollte also als Verbraucher keinen Vergleichstest so ernst nehmen, wie er gemeint ist.

Vielleicht wird dieser ADAC-Skandal auch dazu führen, dem inflationären Treiben von Autopreisen und deren Kategorienflut nicht nur Einhalt zu gebieten, sondern sie auch distanzierter zu betrachten. Beim Gelben Engel waren es zu Beginn nur fünf Kategorien, jetzt sind es schon neun. Bei anderen Preisen werden noch mehr Preis-Kategorien ausgeschrieben. Von der besten Werbung bis zum besten Mitteklasse Import. Auf die Spitze treibt es die Autozeitung. Damit möglichst jeder Hersteller eine „Auto Trophy“ nach Hause tragen und die Übergabefeier möglichst prominente Preisempfänger als Gast erwarten kann, hat die Autozeitung 29 Kategorien erfunden. Autozeitung online vergibt zudem zusätzlich die Design Trophy.

Da gibt es die Kategorien „Sportwagen“, „Sportwagen Import“, „Supersportwagen“, „Supersportwagen Import“. Und weil zum Beispiel 2013 der Sportwagen Corvette Stingray auch noch einen Preis bekommen sollte, packte man dieses Modell in die Kategorie „Bestes Preis/Leistungsverhältnis“. Lächerlich wird´s dann auch in der Kategorie SUV, die unterteilt wird in „bis zu 30.000 Euro, über 30.000 Euro, und in über 30.000 Euro Import“.

Man kann das durchaus als richtig, gercht und gut bewerten, aber die Inflation der Auszeichnungen verwirrt, weil am Ende fast jedes gängige Modell, jedes Unternehmen gewinnt.

Das Murren in den Autofirmen ob dieser Veranstaltungsflut ist nicht zu überhören. Und die Autofirmen denken nach dem ADAC-Skandal noch ernsthafter darüber nach, ob sie zu jeder Veranstaltung immer ihre erste Manager-Garde schicken müssen. Ich kann mir vorstellen, dass BMW-Chef Norbert Reithofer und VW-Boss Martin Winterkorn überhaupt nicht glücklich darüber sind, am Sonntag in der 20-Uhr-Tagesschau im Zusammenhang mit dem ADAC-Desaster lachend groß im Bild zu erscheinen. Ich würde mich sehr wundern, wenn die beiden nächstes Jahr erneut beim Gelben Engel erscheinen. Wenn er überhaupt noch stattfindet.

Für jeden Hersteller gibt es nur eine Auszeichnung, die wirklich zählt: die Entscheidung des kaufenden Kunden.

Er muss überzeugt werden, nicht eine anonyme Schar von Juroren oder Lesern. Wenn ich an den ersten Autopreis der Republik denke, den 1964 der Stern mit anderen europäischen Magazin aus der Taufe hoben hatte, das „Auto des Jahres“, habe ich auch meine Zweifel. Unabhängige Auto-Journalisten geben ihre subjektive Bewertung ab und sorgen so für eine seriöse Wahrnehmung. Trotzdem wurden schon Autos mit diesem Preis bedacht, die sich als absolute Gurken erwiesen haben. Man muss nur in die Liste der Autos des Jahres schauen, um manche epochale Fehleinschätzung zu erkennen. Und um laut zu lachen. Beispiel: Der 1974 auf den Markt gekommene Golf schaffte es trotz seines Markterfolgs erstmals 18 Jahre später, nämlich 1992 auf den ersten Platz. Dafür wurden zuvor solche unsäglichen Autos wie der Simca 1307 oder der Simca Horizon mit dem begehrten „Auto-des-Jahres-Preis“ geehrt.

Der Auto Club Europa (ACE) hat sich mit scharfen Worten gegen Auszeichnungen in der Automobilbranche ausgesprochen. Wer wirklich wissen wolle, welche Wagen am beliebtesten seien, solle auf die fälschungssicheren Zulassungszahlen des Kraftfahrtbundesamtes schauen, teilte der Verein mit.

«Demgegenüber ist alles andere offenbar nur Blendwerk und aufgeblasene Selbstinszenierung», hieß es in der Stellungnahme. Es sei erklärungsbedürftig, warum Repräsentanten namhafter Autohersteller sich diese «peinliche Farce» weiter antun wollen. Dem ist nicht viel hinzuzufügen.

Nur das: Auch die Zulassungsstatistik hilft dem Verbraucher letztlich nicht bei der Entscheidung, welches Auto für ihn das beste ist. Diese Entscheidung kann nur er alleine treffen.

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