Einen Fahrbericht nicht über das Fahren zu beginnen, muss an dieser Stelle erlaubt sein. Denn über das Fahrerlebnis hinaus, habe ich mit dem Einser noch ganz andere Erfahrungen gemacht.
Als ich den neuen Einser erstmals zu sehen bekam, war ich ein wenig enttäuscht. Nicht spektakulär, nicht aufregend, etwas zu angepasst und brav, in Summe angewandte Unauffälligkeit.
Was für ein Irrtum!
Heute sehe ich das ganz anders. Für mich ist der Einser in meiner Wahrnehmung zum schönsten Auto in der so genannten Kompaktklasse gereift. Der Einser wirkt auf einmal sehr souverän, ästhetisch elegant und hat genau jenes Quentchen Understatement, mit dem ich mich identifizieren möchte. Und er ist präsenter, als man es von einem so genannten Kompaktauto erwarten würde. Immer wenn ich einen neuen Einser auf der Straße sehe, möchte ich ihm hinterher pfeifen. Besonders das gelungene Heck zeugt von intelligenter Formensprache: Der Einser steht satt auf den Rädern, wirkt kraftvoll und ausgesprochen unverwechselbar.
Das ist wirklich allerhöchste Design-Kunst: die Abkehr von der Liebe auf den ersten Blick. Für einen Designer ist es vielleicht leichter, etwas Spektakuläres zu formen. Und es gehört eine gewaltige Portion Zurückhaltung, Demut und Bescheidenheit dazu, die Eitelkeit, sofort gefallen zu wollen, zurückzustellen. Es ist ziemlich einfach, Paukenschlag-Design zu entwickeln, das Aufsehen erregt. Es ist verdammt schwer, Design-Substanz mit Langzeitwirkung zu formen. Gutes Design erreicht das maximale „Drehmoment“ erst nach längerer Reife.
Es gibt viele Beispiele für jenes Blendgranaten-Design, das mit einem Knalleffekt die Bühne betritt und nach kurzer Zeit der Gewöhnung anheimfällt, die schnell in einen Alterungsprozess mündet. Design, zumal beim Automobil, wird all zu oft mit modischem Styling verwechselt. Jeder von uns kennt diesen Prozess: Ein neues Auto erscheint uns sofort als „toll“ geformt. Und nach ein, zwei Jahren, wissen wir nicht mehr, warum. Aus Gewöhnung wird gewöhnlich.
Umgekehrt hat jeder von uns schon einmal diese Erfahrung gemacht, dass uns Dinge zunächst gar nicht beeindrucken und auf einmal als wunderbar wahrgenommen werden: Autos, ja auch Musik, Gesichter, Mode, Formen die erst im Kleinhirn reifen und sich aus der Normalität schälen, um auf einmal als schön empfunden zu werden. Gutes Design ist immer nachhaltig und zukunftsorientiert. Design ist das Tor zur Zukunft, nicht zur Gegenwart.
Eigentlich will ich über den BMW 125d schreiben, nicht über Design-Philosophie. Aber gerade beim Einser wird gutes Design so greifbar und anschaulich. Beim Wettbewerber A-Klasse von Mercedes-Benz habe ich die gegenteilige Erfahrung gemacht. Begeisterung auf den ersten Blick, nur noch Sympathie auf den zweiten und wahrscheinlich Langeweile in zwei Jahren.
Wer wie ich von einem 5er auf den Einser umsteigt, muss auf kaum etwas verzichten. Ja irgendwie fühle ich mich im Einser wohler. Er passt wie der maßgeschneiderte Anzug. Nichts sitzt zu locker, alles ist auf Effizienz getrimmt, auch der Innenraum. Mussten wir uns früher Kompakte (damals waren sie noch kleiner) überstreifen wie einen hautengen Handschuh, dürfen wir uns im Einser getrost absorbieren lassen von (allerdings aufpreispflichten) Sportsitzen, Schaltern und perfekt auf unsere körperlichen Bedürfnisse ausgerichteten Bauteilen. Das Bestreben, den Menschen als Teil der Natur und kühle Technik miteinander zu verschmelzen, in Harmonie zu verbinden, hat dem BMW Innenraum-Designer den Stift geführt. Bei uns heißt das nüchtern Ergonomie. Es läuft auf dasselbe hinaus.
Auch BMW setzt im Innenraum auf hochwertige Materialien, die den Premium-Anspruch rechtfertigen. Alles fasst sich sehr gut an, das haptische Erlebnis verdient höchstes Lob. Ja selbst das Klacken des Blinker-Signaltons klingt hochwertig. Die BMW typische Fahrerorientierung der Armaturen, inzwischen als selbstverständlich vorausgesetzt, macht sich im Einser sehr angenehm bemerkbar.
BMW hat sich mit Efficient Dynamics an die Spitze der Bewegung gesetzt, die vorgibt, dem Klimawandel Einhalt zu gebieten, obwohl der Einser-Besitzer selbst ohne Klimaretter-Allüren einfach sparsam unterwegs sein will. Und da ist er mit dem 125 d sehr gut bedient. Das BMW Diesel-Topmodell der Einser-Reihe ist mit 218 PS sehr ambitioniert motorisiert. Weil der Vierzylinder nur runde 1500 Kilogramm zu beschleunigen hat, ist er mit seiner traumhaft schaltenden und waltenden 8-Gang-Automatik in 6,3 Sekunden auf 100 km/h. Die beiden Turbolader greifen dabei sehr geschmeidig und gleichmäßig in die Kraftentfaltung ein. Der Drehmoment-Verlauf erreicht mit 450 Newtonmeter zwischen 1500 und 2500 Umdrehungen den Höhepunkt, die höchste Motor-Leistung liegt bei 4400 U/min an. Diese Werte machen deutlich, wie dynamisch dieser Kompaktwagen unterwegs ist, der so gar nicht kompakt erscheint. Der Viertürer (wieso wird die Heckklappe nur immer als fünfte Tür bezeichnet?) ist ein absolut erwachsenes, vollwertiges Fahrzeug. Auch auf der hinteren Sitzbank finden zwei Erwachsene ausreichend Platz. Zugelassen ist der Einser natürlich für fünf Personen.
Der 125 d stößt locker in den Bereich zwischen 240 km/h (die offizielle Höchstgeschwindigkeit) und 250 km/h vor. Damit kannst du auf der freien Autobahn auch mit einem 740i mithalten, wenn du es darauf anlegst. Der Unterschied: Mit einem echt und durchaus „dynamisch“ erfahrenen Durchschnittsverbrauch im 125 d von 6,2 Litern Diesel verbrauchte ich weniger als die Hälfte des gleich schnellen Siebener. Nein, das ist kein ernst gemeinter Vergleich. Aber der 125d ist ein verdammt gutes und effizientes Auto. Der offizielle Verbrauch des 125 d liegt bei normgeschönten 4,7 Litern, die man allerdings bei extrem zurückhaltender und vorausschauender Fahrweise durchaus erreichen kann. Aber um diesen Wert zu erreichen, macht dieser Einser einfach zu viel Spaß. Werte um sechs Liter sollten wir uns auch heute noch leisten können bzw. dürfen, zumal weil der CO2-Wert mit 126 g/km selbst unter EU-Kriterien zu akzeptieren ist.
Der Einser ist mit seinem Heckantrieb (es gibt ihn auch mit X-Drive) sehr sportlich unterwegs. Straff gefedert, sehr neutral ausgelegt ist er in jeder Situation agil und fahrdynamisch auf der Höhe der Zeit. Ob zügige Kurven oder schnelle Autobahnfahrt: Immer ist Freude am Fahren angesagt. In schnellen Kurven zeigt der Einser, dass sein Fahrwerk zu den besten seiner Art gehört. Provokatives Schnellfahrern mündet in ein leichtes, gleichwohl einfach zu kontrollierendes Übersteuern, das vom DSC sofort in seine Schranken verwiesen wird.
Der Basispreis mit 8-Gang-Sport-Automatik ist mit 35.930 Euro durchaus im Premium-Segment verortet. Er liegt damit ziemlich genau auf dem Niveau des hauseigenen Elektroautos i3. Insofern werden es die effizienten Einser-Modelle dem i3 nicht gerade leichter machen. Aber BMW Kunden zeichnen sich ja durch konsequente Entscheidungsfreude aus. So wie BMW. Wer konsequent elektrisch fahren will, wird nicht mehr tanken wollen. Es wird auch Menschen geben, die sowohl elektrisch als auch mit Verbrenner fahren wollen.
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