Wiederbelebungsversuch

Ein chinesischer Hersteller glaubt, die wirtschaftlich gescheiterte Automarke Smart endlich auf Erfolgskurs bringen zu können.

Von Harald Kaiser

Es war einmal. Aus unserem kollektiven Gedächtnis ist sie weitgehend gestrichen. Fast so, als hätte es sie nie gegeben. Dabei war das Tamtam um das Produkt ab 1998 eine zeitlang enorm. Es geht um die Automarke Smart, die jetzt eine radikale Kehrtwende in der Hoffnung vollzieht, demnächst Gewinne erzielen zu können. Vor beinahe 25 Jahren gab es jede Menge Getöse, um die Wägelchen und deren so genannte Produktwelt ins Bewusstsein der vorwiegend jungen und umweltbewussten Zielgruppe zu hämmern.

Etwa die schlanken, markanten und mittelhohen Glastürme, in denen die Miniflitzer einst öffentlichkeitswirksam präsentiert wurden. Gibt’s die noch? Längst verkauft, zweckentfremdet oder abgerissen. Was blieb vom Anspruch, eine neue Mobilität zu schaffen? Bloße Erinnerung. Und wurde das Ziel erreicht, ein Automobil für die City zu bauen, das zum „Must-have“ der Yuppies wird, weltweit einen Trend auslöst, Milliardengewinne erzeugt und in jede noch so kleine Parklücke passt, selbst quer? War auch nur ein (Alb)Traum, aus dem über die Jahre einige Daimler-Vorstände verschwitzt und ernüchtert aufgewacht sind, obwohl die ultrakompakten Knutschkugeln nach wie vor zum Straßenbild zählen. Auf Schwäbisch ausgedrückt war das Unternehmen Smart „ein Nullinger“, mithin ein Versuch, der – wieder auf schwäbisch – „granatenmäßig“ in die Hose gegangen ist.

Gab’s wenigstens Mini-Erfolge? Nie waren die auch nur ansatzweise in Sichtweite. Die eigens im französisch-deutschen Grenzort Hambach gebaute Fabrik „Smartville“ für den Straßenfloh mit lediglich 2,50 Metern Länge gehört inzwischen dem noch jungen englischen Geländewagenhersteller Ineos, der dort neben seinem Offroader Grenadier auch die automobile Kurzware als Elektro-Variante bauen lässt. Noch. Denn wie lange das Abenteuer andauernd wird, können mutmaßlich selbst Experten nicht abschätzen. Geschäftlicher Segen jedenfalls hat auf dem Autochen nie gelegen. Schon der Start des Schrumpf-Mercedes wurde wegen seines eigenwilligen Äußeren gleich von mehreren Spottnamen unfreundlich begleitet: Man nannte ihn „Bonsai-Benz“, „Elefantenrollschuh“, „Hartschalenkoffer“ (wegen der Plastikbeplankung), „Gehhilfe“ oder auch „Randstein-Tamagotchi“.

Der einst von Swatch-Uhr-Erfinder Nicolas Hayek unter dem Eindruck von Ölkrise und zugeparkten Innenstädten erfundene und von Mercedes-Designer Johan Tomforde in Form gebrachte kleine Gernegroß sollte die mobile Welt mit geringen Abmessungen, mit kaum verschwendeten öffentlichen Parkraum, mit wenig PS und geringem Durst neu sortieren. Das Ergebnis kommt einer systematischen Geldverbrennung gleich: Nach Expertenschätzung kostete das Smart-Abenteuer Daimler einschließlich aller Investitionen in alter Währung neun Milliarden Mark und jede Menge Managerköpfe — obwohl nach Angaben von Designer Tomforde gut 2,5 Millionen Smarts verkauft worden sein sollen.

Aber aufgeben will Daimler deswegen nicht. Jedenfalls nicht ganz, obwohl sich die Stuttgarter inzwischen weitgehend von der ehedem hoffnungsvollen Marke getrennt haben. Die vermeintlichen „Cleverles“ aus der Mercedes-Hochburg, die auch schon mal die „Hochzeit im Himmel“ mit Chrysler und Mitsubishi milliardenmäßig versemmelt haben, schufen jüngst für den Smart ein neues gemeinsames Bett mit dem chinesischen Hersteller Geely. „Joint Venture“ heißt solch ein Firmengebilde im üblichen Wirtschafts-Denglisch. Aus Fernost soll ab Herbst 2022 fortan als erstes Modell der neue Smart anrollen – kein kurzer Cityflitzer mehr, sondern ausgerechnet ein deutlich größerer viertüriger SUV mit Elektroantrieb für vier bis fünf Personen. Daimler liefert nur noch das Design zu – und dürfte gottfroh sein, diesen Mühlstein am Hals größtenteils nicht mehr allein schleppen zu müssen. Denn nun sind die Edel-Karrossiers nur noch Mitgesellschafter der neu gegründeten „smart Automobile & Co. Ltd.“ an der Hangzhou Bay vor Shanghai. Sieht man davon ab, dass der künftige Smart einen Elektroantrieb im Leib trägt, hat sich das Gesamtkonzept des Chinesenautos weit entfernt von der einst gepredigten „neuen Mobilität“.

Finanziell sowieso, aber auch vom Image her eine ziemlich bittere Entwicklung, denn der Anspruch war mal ein ganz anderer. Wir erinnern uns. Die stets sehr bemühten Presseleute von Smart jubelten zum 20jährigen Bestehen der Marke 2018, dass man an eine tolle Erfolgsgeschichte der automobilen Neuzeit glauben konnte. Originalton aus der Pressemappe von damals mit der Überschrift „Eine Idee setzt sich durch: „Am 2. Juli 1998 läuft der erste smart fortwo vom Fließband in Hambach. Am 3. Oktober 1998 startet die Markteinführung. Auf der IAA überrascht die junge Marke 1999 die Weltöffentlichkeit gleich mit einer Reihe neuer Modellstudien. Auf Grundlage des smart city coupé wird eine Cabrio-Version präsentiert, die der „geschlossenen“ Kleinstwagengesellschaft eine neue Dimension öffnet – das Dach. Das smart cabrio bietet Lebensfreude pur. Ab Frühjahr 2000 rollen die kleinsten Seriencabrios der Welt auf den europäischen Straßen.“

Und weiter im selbstgefälligen Blabla: „Während die Diskussion um die Einführung des Drei-Liter-Autos am Anfang des neuen Jahrtausends die Welt bewegt, lanciert smart kurz nach der Präsentation auf der IAA Ende 1999 bereits den cdi-Motor mit einem Verbrauch von 3,4 Litern auf 100 Kilometer. Die sparsamste Art der automobilen Fortbewegung ist erfolgreich geboren. Bis zur Einführung des Nachfolgers 2007 werden über 140.000 smart cdi verkauft … Ein besonders intensives und sportliches Fahrerlebnis bieten der smart roadster und das smart roadster coupé, die im April 2003 auf den Markt kommen. Mit diesen beiden Fahrzeugen knüpft smart an die Tradition der kompakten und puristischen Roadster an, die eine Blütezeit in den 1950er- und 1960er-Jahren hatten….“

Soweit das PR-Geklingel bei dem natürlich geflissentlich verschwiegen wird, dass der Kooperation mit Mitsubishi (Anfang 2000/Colt-Plattform) wie auch der relativ jungen Liaison mit Renault (ab 2013/Twingo-Plattform) nur wenig Erfolg beschieden war. Also: Trennung. Nur ungern erinnert werden die verantwortlichen Herrschaften auch daran, dass teils peinliche Technikpannen in den vermeintlich tollen Jahren immer wieder für mächtig Ärger und Schlagzeilen sorgten. Etwa, weil der Wagen mehr zum Hoppeln als zum angenehmen Rollen neigte, was vor allem am kurzen Fahrwerk lag. So manchen Fahrer hat böiger Seitenwind von der Piste geblasen. Auch die Hecklastigkeit war ein Problem, wodurch das Auto schon mal  auf schneebedeckter Fahrbahn Rückwärts-Pirouetten hinlegte. Oder mitunter führte das halbautomatische Getriebe ein merkwürdiges Eigenleben mit mißglückter Suche nach dem richtigen Gang für die aktuelle Fahrsituation.

Und dann geriet der Smart auch noch in den unangenehmen Skandalsog des Elchtest-Debakels seines größeren Bruders A-Klasse. Wie diese musste auch die Produktion des Smart vorübergehend eingestellt werden, weil er immer wieder mal von der Straße kugelte. Um den Kleinen besser für kritische Fahrzustände zu wappnen, wurde eine abgespeckt Version des segensreichen Elektronischen-Stabilitäts-Programms ESP mit dem vielversprechenden Namen „Trust“ (Vertrauen) eingebaut. Die Blamage folgte rasch. Die Billigversion hielt nicht, was sie versprach, schon gar nicht erzeugte sie Vertrauen bei den Fahrern und Fahrerinnen, so dass am Ende doch das teure Original zum Zuge kam, weil ohne das kritische Fahrwerk nicht zu bändigen war. So wurde im Laufe der Jahre die eigentlich vorzügliche Idee eines ökologisch wie ökonomisch sinnvollen kleinen Stadtflitzers für zwei Leute mit Mini-Kofferraum immer mehr verbeult.

2019 schließlich, nach 21 Produktionsjahren, kam es zum großen Showdown des aus der politischen Mode geratenen Verbrennungsmotors im Smart: Weil es fortan nur noch den elektronischen Antrieb geben wird, ließen die Bosse von dem Münchener Industriedesigner Konstantin Grcic analog zum Alter genau 21 „zeitgenössische Kunstwerke für die Straße“ schaffen, die nur an Sammler verkauft wurden. Grcic durfte dazu in die Wortklampfe greifen und zu seinem Werk geschwollen formulieren: „…Frei sein, Grenzen überschreiten, ausbrechen, eben auch die kleine Rebellion, die man nach außen trägt. Diesen Kerngedanken lassen wir mit der Final Collectors Edition Wirklichkeit werden, schließlich verabschieden wir auch ein Stück Automobilgeschichte.

Wer nun glaubt, angesichts des Milliardengrabs Smart würden sich die neuen Besitzer verbal in Zurückhaltung üben, der irrt. Tong Xiangbei, CEO von Smart Automobile, schmiss während der Präsentation des chinesisch-deutschen Smart-SUV unlängst in Berlin gleich die Phrasen-Maschine an, als er sagte: „Die Weltpremiere des Smart #1… ist ein Meilenstein der unglaublichen Entwicklungsphase, in der wir uns seit der Markenerneuerung befinden. Als Erster einer neuen Generation an vollelektrischen Smart-SUVs ist der brandneue Smart #1 die perfekte Verkörperung dieser Innovation.“

Wieder muss es beim Marketinggeblubber gleich ein „Meilenstein“ oder die „perfekte Verkörperung“ von irgendwas sein. Weniger Dampfgeplauder oder einfach verbale Zurückhaltung ist offenbar undenkbar. Wie so oft in der Wirtschaftsgeschichte bleibt auch in dem Fall das Resümee: Nichts gelernt aus der Vergangenheit. Marktstart des Neuen (Spitze 180 km/h, Reichweite bis 440 Kilometer) dürfte im vierten Quartal 2022 sein.

1 Kommentar zu "Wiederbelebungsversuch"

  1. In der Nachschau stellt sich nun die Frage was war nun die Inovation?

    Der Smart Tower, der zum Lagern und Präsentieren der jeweiligen aktuellen smart Fahrzeugpalette diente, oder der Smart selbst? Die Smart Türme wurden von der Otto Nußbaum GmbH & Co. KG im südbadischen Kehl-Bodersweier gebaut. Die Türme mit ihrer geringen Grundfläche sind aktueller denn je, wenn sie auch beim Parken eingesetzt werden. Auch beim Online Verkauf von Autos machen die Türme eine gute Figur. Online das Auto kaufen. Zum Turm fahren, einen Code eingeben und schon kommt das online erworbene Auto aus dem Turm gerollt. VCD Verbrenner Club Deutschland im UTR e.V.

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