Wirtschafts-Professor Hans-Werner Sinn teilt aus: „Schluss mit den grünen Sperenzchen“

Prof. Hans-Werner Sinn Foto: Romy Vinogradova

Der renommierte Wirtschafts-Wissenschaftler Hans-Werner Sinn kritisiert nicht nur den „Schwindel mit dem E-Auto“, sondern auch „grüne Sperenzchen“. Sein Fazit: „Wer die deutsche Automobilindustrie ruiniert, hilft damit nicht der Umwelt. Im Gegenteil.“ Seine Aussagen in der FAS und dem Handelsblatt lassen an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig.

 

Ziemlich klare Worte des ehemaligen Chefs des Ifo-Instituts, die für einigen Wirbel sorgen dürften. Die EU habe mit ihrer CO2-Verordnung „den Bogen überspannt“. Der für 2030 vorgeschriebene CO2-Flottengrenzwwert von 59 Gramm pro Kilometer (etwa 2,2 Liter Diesel auf 100 km) sei physikalisch nicht zu schaffen. „Selbst die cleversten Ingenieure werden nicht in der Lage sein, Verbrennungsmotoren mit den vorgegebenen Charakteristika zu bauen, wenn sie ihre Kunden nicht in Seifenkisten zwingen wollen“, sagt Sinn im Handelsblatt. Und auch das Senken des Flottenverbrauchs mit Batterie-Autos sei Augenwischerei. Die EU-Formel sei „nichts als ein großer Schwindel, denn auch E-Autos emittieren in erheblichem Umfang CO2. Nur liegt der Auspuff ein bisschen weiter entfernt im (Kohle-)Kraftwerk.“ Zudem werde bei der Batterie-Produktion in China und anderswo in riesigem Umfang fossile Energie eingesetzt. Sinn kommt zu dem Schluss. „Die Formel der EU ist eine Mogelpackung, die auch nicht viel besser als eine Abschaltvorrichtung ist.“ Das ist starker Tobak. Wäre Sinn Mitglied einer Regierungspartei, müsste er jetzt mit seinem Rauswurf rechnen.

Die CO2- Grenzwerte haben die Autoindustrie kalt erwischt

Selbst VW habe ihm bestätigt, dass der E-Golf beim deutschen Energie-Mix einen etwas höheren CO2-Ausstoße hat als ein Diesel-Golf. Nur bei einem europäischen Energie-Mix mit viel französischem Atom-Strom schneide der E-Golf besser ab. Die EU müsse ihre „dirigistische Industriepolitik“ zurücknehmen. „Die Verordnung zu den Flottenverbräuchen bringt dem Klima nichts, vernichtet Arbeitsplätze, kostet Wachstum und vergrößert das Misstrauen der Bürger gegenüber einer als immer undurchsichtiger empfundenen EU-Bürokratie.

In einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung legt Sinn jetzt nach. „Die deutsche Automobilindustrie ist mit der CO2-Verordnung, die offenbar von der deutschen Umweltministerin Svenja Schulze, gelernte Germanistin und Politikwissenschaftlerin, im Ministerrat mitgetragen wurde, auf dem falschen Fuß erwischt worden und ins Wanken gekommen.“ Dazu sei nun auch noch Corona gekommen.

VW habe sich klar für das Elektroauto mit Batterie entschieden. „Im VW-Konzern steht dem Vorstand der Angstschweiß auf der Stirn angesichts des von Tesla in Brandenburg geplanten Werks für Elektroautos.“ Tesla setze sich nun „in das Nest, das die EU-Kommission und die deutsche Politik bereitet haben“. Sinn halte das Klimaproblem für sehr ernst, aber als Ökonom bestehe er darauf, dass „bloße Symbolpolitik sinnlos ist“. Und dies sei der Fall, wenn ein Land oder die EU alleine agierten. Ein Verzicht auf Emissionen in Europa habe keinen Effekt auf die Gesamtemission. Öl, das wir nicht mehr verbrauchen, werde dann eben andernorts verbrannt. „Diese Überlegungen zeigen, dass die Vorstellung, Deutschland und die EU könnten durch eine Einschränkung der Mengen an verbrauchtem Erdöl wenigstens einen kleinen Beitrag zur Rettung des Weltklimas leisten, naiv ist.

Öl, das wir nicht verbrauchen, wird anderswo verbrannt

Der Beitrag ist vermutlich nicht nur klein, sondern null oder negativ. Wir beschleunigen womöglich den Klimawandel durch unsere Aktionen, anstatt ihn zu verlangsamen. Wir legen die Axt an die Automobilindustrie, das Herz der deutschen Wirtschaft überhaupt, und riskieren außerdem noch sozialen Unfrieden, ohne eine begründete Hoffnung haben zu können, auch nur kleinste positive Effekte für das Klima erreichen zu können.“

Warum wird dies von der Politik nicht erkannt? Sinn sieht die Gründe unter anderem darin: „Man müsste sich dann ja vielleicht für frühere Fehlentscheidungen rechtfertigen, man käme in die öffentliche Kritik, und die grüne Karriere, in die man schon so viel investiert hat, wäre dahin“, so Prof. Sinn. Und weiter: „Schweigen und gelegentlich einmal öffentliche Diskreditierungskampagnen gegen wissenschaftliche Zweifler sind die besseren Wege, sich das Thema vom Hals zu schaffen. Diesen Ansatz können sich mündige Bürger nicht länger gefallen lassen. Sie müssen gegen eine Politik aufbegehren, die zu einer Mischung aus Symbol- und Klientelpolitik geworden ist, die moralisiert statt argumentiert, die den Lebensstandard der Menschen über steigende Energiepreise vermindert und die im Übrigen die deutsche Industrie gefährdet, von der unser aller Wohlstand abhängt. Auch Germanisten müssen letztlich von den Einkommen miternährt werden, die dort verdient werden.“

„Wir müssen sehen, wie wir unseren Wohlstand retten“

Hans-Werner Sinn nimmt in der FAS kein Blatt vor den Mund und die Deutlichkeit seiner Kritik ist beeindruckend: „Wir müssen jetzt sehen, dass wir durchkommen, dass wir unseren Wohlstand halbwegs retten. Da müssen auch die grünen Sperenzchen auf den ideologischen Spielwiesen unserer Gesellschaft ein Ende haben. Was wir brauchen, ist eine verantwortliche Klimapolitik, die sich den ökonomischen Gesetzmäßigkeiten stellt und mit Augenmaß und im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und Kosteneffizienz betrieben wird, eine Politik, die begreift, dass internationale Alleingänge der Europäer oder gar der Deutschen vollkommen sinnlos sind. Wir brauchen keine Ersatzreligion. Die Wirtschaftspolitik, die die Bundesregierung im Verein mit der EU gegen die deutsche Automobilindustrie betreibt, halte ich für verheerend, falsch und gefährlich – und für klimapolitisch vollkommen nutzlos.“

Dass die Franzosen in Sachen E-Autos sehr aktiv sind, sieht Sinn einer gegen deutsche Interessen ausgerichteten Industrie-Politik geschuldet. Die Franzosen wüssten, dass sie mit den Verbrennungsmotoren nicht gegen deutsche Hersteller konkurrieren können. Mit billigem Atomstrom sind die Franzosen zudem im Vorteil. Nur deshalb seien die scharfen Grenzwerte in Europa zustande gekommen. Es ist unverantwortlich, dass die deutsche Politik das mitgemacht hat, unseren teuer erarbeiteten technologischen Vorsprung in der Dieseltechnologie einfach preisgibt und sich vor den Karren dieser industriepolitisch begründeten Initiativen auf europäischer Ebene hat spannen lassen. Wir achten zu wenig auf die eigenen Belange und lassen es zu, dass grüne Ideologie anstelle eines grünen Verstandes sich paart mit den industriepolitischen Interessen anderer europäischer Länder.“

Sehr geehrter Herr Professor Sinn: Sie haben Recht!

 

 

 

 

 

1 Kommentar zu "Wirtschafts-Professor Hans-Werner Sinn teilt aus: „Schluss mit den grünen Sperenzchen“"

  1. Rolf Franz Nieborg | 10. August 2020 um 09:10 | Antworten

    Prof. Hans-Werner Sinn schreibt logischen Klartext, doch die Frage bleibt, ob die „grüne Verbotsideologie“ solche Argumente überhaupt zulässt…

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