VW up! GTI: Mit 115 PS auf der legendären Amalfitana

„Wir fahren durch eine Postkarte“, beschreibt VW-Sprecherin Claudia Dendler das Fahrerlebnis ziemlich treffend und freut sich sichtlich, den Journalisten ein Roadmovie der besonderen Art ankündigen zu können. Wir bestätigen ihr sofort das Copyright für das pittoreske Wortspiel und rollen zunächst ziemlich nüchtern die Autobahn im Schatten des schlafenden Vesuvs von Neapel aus Richtung Amalfiküste.

Der temperamentvolle Winzling ist in Punkto Temperament (0 auf 100 km/h in 8,8 Sekunden!)ein ziemlich Großer. Aus seinen drei Zylindern mit einem Liter Hubraum generiert er Dank Turbolader ein maximales Drehmoment von 200 Newtonmeter. Wir rollen nicht nur so dahin, sondern bieten den ziemlich dynamisch fahrenden Italiener durchaus Paroli und schwimmen im Verkehrsstrom mindestens ebenso gut mit wie die uns umkreisenden Alfas, Fiats und Golfs neuester Generation. Nur ein Lamborghini Aventador röhrt dominant links an uns vorbei, die Polizia Stradale ignorierend oder in der Hoffnung, nicht erwischt zu werden. Dass der Fahrer einen Ausbruch des Vesuvs vermutet, können wir ausschließen. Über seinem schwarzen Kegel ist nicht einmal das kleinste Wölkchen zu sehen. Dafür ziehen ein paar Uralt-Diesel schwarze Wolken hinter sich her, die unsere deutsche Fahrverbots-Diskussion als großartige Satire-Comedy erscheinen lassen.

Wir halten uns auch auf der limitierten Autobahn zurück, wollen gar nicht ausprobieren, ob die Höchstgeschwindigkeit von 196 km/h realisierbar ist, was wir allerdings nicht bezweifeln. Dass wir in einem auch kritischen Abgasnormen entsprechendem Auto sitzen schafft umweltmäßig Wohlbehagen. Der neue up! GTI ist mit Otto-Partikelfilter ausgestattet und erfüllt die neue Abgasnorm EU 6 AG (Euro 6d Temp).

Es macht Spaß, den up! über sein präzise schaltbares 6-Gang-Getriebe und seine akkurate Lenkung zu dirigieren und dabei festzustellen, dass ein Dreizylinder sowohl vibrationsarm als auch leise arbeiten kann, wenn ihm die Ingenieure viel Detail-Pflege angediehen haben lassen. Das muss beim up! GTI der Fall gewesen sein, denn er fährt sich völlig unstandesgemäß: hoch dynamisch und ausgesprochen komfortabel. Der serienmäßige Sound-Aktuator sorgt beim Gasgeben für einen Anklang von Motorsport-Sound, mehr aber auch nicht.

Der up! GTI hat mit 115 fünf PS mehr als der erste Golf GTI von 1976, den damals die Fachwelt für gnadenlos übermotorisiert gehalten hat. „Wenn 110 Pferde an der Vorderachse zerren“, so damals ein weit verbreiteter  Irrtum, „wird es schwer auf kurviger Straße.“ Und: „Für ein so leichtes Auto sind 110 PS einfach zu viel des Guten!“ Was für ein Unsinn war damals sogar in renommierten Fachzeitschriften zu lesen. Dass dies die totale Fehleinschätzung war und der Golf GTI zum massentauglichen Erfolgsmodell avancierte, hat den Mut der Ingenieure und VW-Marketing-Experten belohnt und bestärkt, der bis heute fortwirkt. Weil der up! GTI mit 1070 kg im Gegensatz zum aktuelle großen Bruder Golf GTI ein Leichtgewicht geblieben ist, entpuppt sich der schnuckelige Kleinwagen von VW als wahres Spaßmobil. Überraschend dennoch: dass der Golf GTI in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts immer noch 250 Kilogramm weniger wog als der heute von uns als Leichtgewicht identifizierte up! GTI.

Das im Testwagen installierte Smartphone über dem Armaturenträger vermittelt optisch und auf dem Bildschirm die totale Konnektivität. Die Navigation funktioniert hervorragend – aber sie lässt erkennen, die Fahrt zum malerischen Küstenort Positano muss hart erarbeitet werden. Am Lenkrad. Kurven, Kurven, Kurven. Aber was soll´s. Spaß ist, wenn man trotzdem lacht, oder so ähnlich.

Den Einliter-Motor mit hohen Drehzahlen zu fordern, ist gar nicht nötig. Genügend Drehmoment, sprich die für den Kleinwagen üppige Durchzugskraft und das gut abgestufte, leicht zu schaltende 6-Gang-Getriebe machen die Fahrt auf der an den Fels geklebten Traumstraße Amalfitana mit wahnwitzigen Momenten traumhafter Aussichten auf einen endlos fernen Horizont zum Erlebnis der besonderen Art. Die Amalfi-Küste der Halbinsel von Sorrent gehört zweifellos zu den schönsten Küstenstraßen der Welt, deren Panorama-Perspektiven sprachlos macht. Nicht nur weil die UNESCO dieses Stück Landschaft zum Weltkulturerbe erklärt hat, gehört diese schöne Ecke zu den attraktivsten Touristenzielen Italiens.

Und so schrauben wir uns hinunter ans Meer, um in Praiano im legendären Restaurant „Il Pirata“ Hunger und Durst zu stillen, ein In-Restaurant, in dem schon John F. Kennedy und zahlreiche Leinwand-Promiswie Penélope Cruzgespeist haben, ist des Schweißes der Arbeit am Lenkrad wert, der durch eine leider etwas zu schwache, aber serienmäßige Klimaanlage nur unzureichend getrocknet wird.

Endloser Meerblick: Sinngemäß genau so wurde der Ort bezeichnet, als nicht Italienisch, sondern Latein die Landessprache war: Pelagium hieß die damalige Siedlung – was soviel heißt wie „offenes Meer“. Die idyllische Badebucht heißt heute so gar nicht lateinisch „Praia Beach“. Zu Fuß marschieren wir den in den Fels gehauenen Weg vom Parkplatz entlang zum Restaurant. Die „Beach“ ist voller Badegäste, viele Amerikaner und Engländer, ein babylonisches Sprachengewirr beweist die touristische Attraktivität dieses Geheimtipps, der trotz der vielen Badegäste nicht überlaufen erscheint.

Es fällt uns schwer nach dem Essen wieder Abschied zu nehmen, zum Parkplatz zu laufen; nur das fröhliche Gesicht unseres up! GTI tröstet uns und stimmt uns heiter. Die VW-Designer haben diesem Auto außen und innen jenen jugendlichen und unbeschwerten Charme angedeihen lassen, der genau diese Unbeschwertheit kommuniziert, die zu diesem Auto und zu dieser Gegend passt. Allerdings dürfen wir unterstellen, dass der up! nicht dieser Landschaft angepasst werden sollte, sondern vor allem der jugendlichen Kundschaft, für die dieser Zweitürer mit seinen kurzen 3,60 Meter genau dem urbanen Bedarf cooler Mobilität entspricht.

Obwohl der up! GTI die traditionellen GTI-Insignien wie rote Streifen an der Front, Doppelstreifen an den Seiten, GTI-Karo-Bezüge im Innenraum sowie rote Nähte am Lederlenkrad aufweist, erscheinen das alles nicht aufdringlich oder gar prollig, sondern eher dezent, irgendwie angemessen.

Bereits nach der neuen WLTP-Verbrauchsmessung (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure, deutsch etwa weltweit einheitliches Leichtfahrzeuge-Testverfahren) mit einem Durchschnittsverbrauch mit 5,7 Liter zertifiziert, haben wir am Ende der Testfahrt 6,2 Liter auf dem Bordcomputer gelesen. Ein Ergebnis, das tatsächlich nahe am angegebenen Verbrauch liegt, zumal da wir nicht mit dem Ehrgeiz auf einem Sieg bei einem Sparsamkeits-Wettbewerb getestet haben. Zu oft haben wir uns vom Go-Kart-Feeling des up! GTI animieren lassen, seine Fahrwerksqualitäten auszuloten. Angesichts häufig entgegenkommender Busse auf der engen Panoramastraße andererseits ein doch sehr eingeschränktes Vergnügen.

Und so wundern wir uns am Ende unserer Testfahrt, dass es den up! GTI für 16.975 Euro kaufen gibt. Ein Preis-/Leistungsverhältnis das es vor allem jungen Käufern ermöglichen soll, in einem GTI unterwegs zu sein. Unser Fazit am Ende unserer Ausfahrt: Claudia Dendler hat nicht übertrieben. Es fällt uns schwer, uns aus der „Postkarte“ zu lösen. Dabei fällt uns ein Satz des amerikanischen Autoren John Steinbeck ein, der geschrieben hat: „Positano ist ein Ort des Traumes, der nie ganz real ist, solange du dort bist. Und der erst wahrhaft zum Leben erwacht, wenn du wieder fort bist.“

Der Lufthansa-Flug von Neapel nach München hat Verspätung. Die Realität hat uns wieder.

 

 

 

 

 

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