Wer ein feines Gespür hat, kann schon ahnen, dass auch die jetzt noch erdrückende Meinung der Mehrheit die Fakten nicht auf Dauer verdecken kann. Vermutlich waren die Erwartungen an das Leipziger Urteil zu Diesel-Fahrverboten zu hoch.
Das Problem verschwindet nach dem Spruch des Bundesverwaltungsgerichts eben nicht mit einem lauten Knall. Stattdessen wächst die Erkenntnis, dass alles noch lange dauern wird, wenn es überhaupt eine Umsetzung gibt, die den Vorgaben des Urteils gerecht wird. Am Ende wird wieder von Politikversagen die Rede sein.
Und die Kritiker, die das Wort vom Politikversagen in den Mund nehmen, treffen den Nagel auf den Kopf, wenn auch anders als gedacht.Das erste Politikversagen in diesem Fall fand in Brüssel statt. Die Schaffung des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) ging von dem Irrglauben aus, man könne mit ein paar Grenzwerten für eine kurze Etappe auf einem Rollenprüfstand die kompletten Abgasemissionen eines Autos in den Griff bekommen. Weit gefehlt, sagte von Beginn an auch die Automobilindustrie. Aber die Einhaltung des NEFZ war nun einmal Gesetz und die Voraussetzung für die Zulassung eines neuen Modells.
Das zweite Politikversagen besteht darin, zugelassen zu haben, dass alle, die sich an den NEFZ gehalten haben, heute als Betrüger gebrandmarkt werden dürfen.Das dritte Politikversagen fand statt, als die Grenzwerte für Abgasemissionen festgelegt wurden. Wer kann vernünftig erklären, warum zum Beispiel bei Stickoxid die Werte am Arbeitsplatz fast 20-mal so hoch sein dürfen wie auf der Straße?
Das vierte Politikversagen bestand und besteht darin, dass es offenbar rechtens ist, wenn ein Verein von rund 300 Mitgliedern sich einen nach grundsätzlicher, offizieller und nationaler Bedeutung greifenden Namen geben darf. Wichtiger als das ist die Tatsachen, dass die Deutsche Umwelthilfe (DUH) mit Halbwahrheiten und anderen, meist unseriösen Methoden Medien und Politik ungebremst und ungestraft unter Druck setzen kann. Wo waren da die Fachpolitiker und deren Fachbeamte?
Das fünfte Politikversagen besteht in dem unkritischen Umgang mit dem Druck. Mit ein paar Klagen und viel PR hat sich die Politik zu Handlangern der DUH degradieren lassen. Müssen wir damit rechnen, dass unsere Medien und unsere Politiker auch bei anderen populistischen Attacken zuschauen oder sich sogar von dem Trend wieder einfangen lassen?
Das sechste Politikversagen: Der Schutz seiner Bürger ist eine der Hauptaufgaben des Staates. Doch wer mag leugnen, dass Umweltthemen wie der Verbrennungsmotor immer wieder auch mal aus parteipolitischen oder industriepolitischen Gründen missbraucht werden. Im Fall des Dieselbetrugs von Volkswagen haben viele mit unverhohlener Schadenfreude zugeschaut, dass die komplette deutsche Schlüsselindustrie niedergemacht und alle Hersteller samt ihren Managern als Betrüger hingestellt wurden. Doch am schlimmsten traf es den Dieselauto-Besitzer. Er wurde hemmungslos enteignet.
Das siebte Politikversagen lässt sich unschwer vorhersagen: Es ist mal wieder keiner gewesen. Aber leider erwartet kaum jemand ernsthaft, dass Vorgänge wie diese zu einem Umdenken führen. Stattdessen wird gerade aktuell eine härtere haftungsrechtlich Gangart gegenüber der Industrie gefordert. Wer zieht eigentlich die Umweltpopulisten zur Verantwortung?Es wird sich lohnen, die Frage im Hinterkopf zu behalten. In ein paar Wochen, wenn wir klarer erkennen, wo Ursache und Wirkung zu suchen sind, wird sich zeigen, ob es der DUH und anderen gelingen kann, eine neue Sau durchs Dorf zu treiben und die Gesellschaft wieder mit dem Habitus der gerechten Empörung vor sich herzutreiben. Das nächste Politikversagen kommt, oder? (ampnet/Sm)
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