VW-Aufklärung: Was sind Unregelmäßigkeiten im Abgasverhalten?

Volkswagen-Chef Matthias Müller ist nicht zu beneiden. Der Traumjob ist für ihn längst zum Albtraum-Job geworden. Mit der Aussicht, als gefühlter Retter von Volkswagen in die Detroiter Hall of fame einzugehen oder kleinlaut als Verlierer vom Platz gehen zu müssen. Die Aufgabe, die er meistern muss, hätte selbst Herkules überfordert.

Im Ernst: Es wird Müller nicht leicht gemacht. Sogar wenn er sich mal eine Feier mit seiner Lebensgefährtin gönnt, wird ihm dieses absolut private Ereignis von Bild angekreidet, als ob bei VW Staatstrauer angeordnet und Lachen vom Aufsichtsrat verboten worden wäre. Ja, wo sind wir denn, dass sich selbstgerechte Journalisten zu den Gralshütern solch bescheuerter Pseudo-Moral-Ansprüche aufspielen. Mehr Heuchelei geht einfach nicht.

Dabei hat die Öffentlichkeitsarbeit von Volkswagen ganz andere Schwachstellen, die ihr allerdings nicht vorgeworfen werden können. Sie muss kritische Punkte verbal verbrämen, weil sie keine Angriffspunkte liefern darf. Sie muss Rücksicht auf alle möglichen Interessen nehmen und darf auch nicht die Gewerkschaft verärgern.

Dazu kommen Tausende juristische Fallstricke, die zu beachten sind. Denn jedes Wort wird von Juristen und Analysten in der ganzen Welt nicht nur auf die Gold-, sondern auf die Platinwaage gelegt. Jedes Komma kann da den Aktienkurs verändern, spätere Gerichtsurteile präjudizieren oder neue Skandal-Headlines generieren. In dieser Zeit eine Pressemitteilung zu formulieren, ist ein Ritt über den Bodensee im Frühling.

Dass sich die VW-Nachrichtenlage fast schon im gebetsmühlenhaft formulierten Wunsch nach „schonungsloser und vollständiger Aufklärung“ erschöpft, darf da nicht verwundern. So auch in einer der letzten Pressemitteilungen: „Aufklärung wird vorangetrieben: Volkswagen stellt bei internen Untersuchungen Unregelmäßigkeiten bei CO2-Werten fest“, ist jene vom 3. November überschrieben. Was nun sind Unregelmäßigkeiten beim Abgasverhalten? Was eher harmlos klingt, soll immerhin zweitausend Millionen Euro kosten! Zwei Milliarden Euro an „wirtschaftlichen Risiken“ sind eine gigantische Summe und deutlich zu viel für „Unregelmäßigkeiten“, die so klingen (sollen), als gäbe es zwischendurch auch korrekte Werte. Unregelmäßig heißt ja eigentlich, dass mal viel, mal weniger CO2 emittiert wird.

Dabei versteckt sich hinter des Wortes ursprünglicher Bedeutung schlicht ebenfalls eine Manipulation. Nämlich dass Verbrauchsangaben niedriger zertifiziert als gemessen wurden. Da wurden aus einem Messwert 5,3 Liter vielleicht manuell geschönte 4,7 Liter im Kraftfahrzeugbrief, aus CO2 180 g/km spontane 140 g/km. Eigentlich das Gegenteil von Unregelmäßigkeit. Nämlich regelmäßige Veränderung.

Wie geht es weiter mit VW? Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Was der Volksmund kund tut, wird auch Volkswagen helfen.

Dieselgate wird in den USA längst nicht so dramatisiert wie in Deutschland. Jedenfalls nicht in den Medien und auch nicht beim Kunden. Dass im Deutschen Fernsehen natürlich jene Amerikanerin interviewt wird, die gegen VW klagen will, weil sie sich betrogen fühlt, ist nicht repräsentativ, sondern dem journalistischen Ziel geschuldet, die in Deutschland aufbrandende Empörung auch in Amerika bestätigt zu finden. Eine Kundin, die sagt, dass sie mit ihrem VW glücklich ist, hätte es in keine Nachrichtensendung geschafft.

Und das ist die eigentliche Überraschung: Dass Volkswagen nicht weniger Autos verkauft als vor dem Skandal. Auch in den USA. Die Kunden sind jedenfalls der Überzeugung, dass VW Qualität und sehr gute Produkte liefert. Skandal hin oder her.

Allerdings wird im Zusammenhang mit Dieselgate etwas ganz anderes deutlich: dass sich die Autoindustrie vehementer gegen von der Politik oktroyierte unrealistische Grenzwerte auflehnen muss. Hier ist der Verband der Deutschen Autoindustrie (VDA) gefragt.

 

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