VW-Konzernchef Matthias Müller darf den Krach mit dem Betriebsrat nicht scheuen, wenn er nicht verlieren, sondern gewinnen will

Mehr Schwachsinn geht nicht: „Lasst VW pleite gehen und helft den Arbeitnehmern“, tönt Spiegel-online-Kolumnist Wolfgang Münchau. Was wie Satire klingt, meint der Mann ernst. Betrug sei bei VW Normalität gewesen, schimpft er. Und er fragt sich, warum „die vielen Autojournalisten, von denen es in Deutschland nur so wimmelt“ nichts bemerkt hätten? „Vielleicht, weil viele von ihnen von der Autoindustrie – wie auch immer – bei Laune gehalten wurden?“ Der Mann hat wohl übersehen, dass in fast jedem Autotest die unrealistischen Verbrauchsangaben auf das Schärfste und immer wieder kritisiert wurden und werden.

Die Schlussfolgerung des Spiegel-Mannes ist allerdings das Absurdeste, was zu diesem Thema bis jetzt geschrieben wurde: Der Staat solle VW übernehmen oder daraus ein staatliches Unternehmen machen, um der Elektro-Mobilität schneller zum Durchbruch zu verhelfen. Der Mann hat völlig übersehen, dass Volkswagen bereits seit seiner Gründung quasi ein Staatsunternehmen ist, kontrolliert vom Anteilseigner Niedersachsen, gegängelt von Gewerkschaften und Betriebsräten, die dafür sorgen, dass Volkswagen sehr teuer produzieren muss. Und wenn Münchau die Autoindustrie „perspektivlos“ nennt, spricht das nicht von Sachkenntnis. Das ist primitivste Polemik-Prosa, die man weder ernst nehmen muss noch ernst nehmen kann.

Die Krise bei VW ist Drama, Katastrophe und Chance zugleich. Und diese Chance sollte das neue Führungsteam nutzen, wirklich den Neuanfang durchzusetzen. Ja, richtig. Ein Neuanfang muss durchgesetzt werden, weil sich schon jetzt die Gralshüter gewerkschaftlicher Beton-Strukturen mit allen Mitteln dagegen auflehnen. Ein Neuanfang in den alten gewerkschaftlich dominierten Strukturen wird nicht funktionieren.

Im vorauseilenden Widerstand schreibt Betriebsratschef Bernd Osterloh: „Wer die Axt bei Volkswagen an die demokratischen Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten legen will, der gefährdet den sozialen Frieden und die Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens.“ Der Betriebsrat fühle sich nicht in den Prozess der Umstrukturierung eingebunden, klagt Osterloh.

Dabei gilt es, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Ständige Zugeständnisse an die Beton-Fraktion der Gewerkschaft zwingen Volkwagen, teuer zu produzieren. Das führte zur Mini-Marge von 2,5 Prozent , die nun alle beklagen, die aber das SPD-regierte Land im Aufsichtsrat ebenso mit verschuldet. Die niedrige Marge auf der einen Seite, die Forderungen der Aktionäre nach höherer Dividende auf der anderen Seite führten zu Winterkorns übertriebenem Expansionsstreben. Das kurzsichtige Wettrennen, vor Toyota die Nummer eins in Sachen Stückzahlen werden zu wollen, hatte desaströse Auswirkungen.

Die zentrale Orientierung in der Führungsstruktur, ausgerichtet auf VW-Konzernchef Martin Winterkorn und bis zum Zerwürfnis auf Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch, war ein Grundfehler, der ein Klima absoluter Entscheidungs-Hörigkeit erzeugt hat. Aus Angst um die Karriere oder sogar um den Arbeitsplatz mag dann dazu geführt haben, dass man unbedingt Erfolge nach oben melden wollte. Dass sie mit betrügerischer Manipulation erreicht wurden, erfuhr Winterkorn nicht unbedingt.

Es ist unglaublich, wie Fehler der Führungsphilosophie zu einer Lawine fataler Weichenstellungen anwuchs. Dass nun gespart werden muss, leuchtet mathematisch gesehen ein. Nicht so im Sinne des Betriebsrats, was nachvollziehbar und plausibel erscheint. „Jetzt geht es um den maximalen Schutz der Beschäftigten, die anscheinend doch die Krise zahlen sollen, die andere verursacht haben“, warnt Betriebsratschef Osterloh. Und wieder verdrängt er die Tatsache, dass der Betriebsrat, die Aufsichtsräte und das Land mit Schuld haben an der jetzt offenbar gewordenen Gesamtsituation.

Angesichts dieser Erfahrung mehr staatlichen Einfluss zu fordern, ist Schwachsinn hoch zehn. Wenn VW-Markenchef Herbert Diess und Konzernboss Müller gewinnen wollen, dürfen sie einen handfesten Krach mit dem Betriebsrat nicht scheuen. Wenn nicht jetzt, wann dann?

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