Piëch gegen Winterkorn: Wer gewonnen hat, bleibt offen

Die Erklärung des VW-Aufsichtsrats-Präsidiums zum Martin Winterkorn war für viele eine Überraschung. Der VW-Chef soll bleiben, der Vertrag sogar verlängert werden. Man kann nur ahnen, wie heftig über jedes Komma diskutiert und wie viele Juristen sich über den Text gebeugt haben, bevor er am Freitag veröffentlicht wurde.

Dass der Spiegel seine Werbung für die Digitalausgabe nicht mehr aktualisiert hat, sondern die Zeile „Abserviert – VW-Chef Winterkorn muss gehen“ stehen ließ, ist wohl der Hektik des Tages geschuldet. Aber kein Ruhmesblatt für das immer so gut informierte Blatt.

Wie auch immer: Alles, was jetzt in den Medien gemutmaßt wird, welche Hintergründe wahrscheinlich seien und wie es weitergehen könnte, ist absolute und lupenreine Spekulation. Wer Sieger, wer Verlierer, wer für oder gegen Winterkorn ist, wie die Mehrheit zustande gekommen ist, wer als Nachfolger in Frage kommt: Niemand außer den handelnden Personen weiß, was wirklich in jener Sitzung gesprochen und entschieden wurde und was vereinbart worden ist.

Ferdinand Piëch habe sogar mit Rücktritt gedroht, mit dem Verkauf seiner Anteile, wird kolportiert. Das ist so ziemlich das Unwahrscheinlichste, was passieren könnte. Piëch würde wohl nie erst drohen, sondern zurücktreten, wenn es denn sein muss. Aber sein muss es noch lange nicht. Warum sollte der kluge Stratege denn abtreten müssen? Weil er mit Winterkorns Leistung offenbar unzufrieden ist? Ist Distanz zu Winterkorn verboten? Ist Kritik an der Performance eines Unternehmens und seines Chefs sakrosankt?

Wenn ein Aufsichtsratsvorsitzender warnend den Finger hebt, ist das eher seine Pflicht. Es gibt genug Aufsichtsräte in DAX-Unternehmen, die nur zu bereitwillig abnicken, was ihnen vom Vorstand vorgelegt wird. Wenn ein Ferdinand Piëch kritisch hinschaut, wird es dem Unternehmen sicher nicht schaden. Vielleicht ist Piëch zwar ein kluger Stratege, aber ein schlechter Taktiker. Und ein Diplomat schon gar nicht.

Und wenn stimmt, was eine Zeitung schreibt, dass ein Aufsichtsratsmitglied gesagt haben soll, „Der Alte muss weg“, würde dieser Aufsichtsrat seiner Verpflichtung, zum Wohle des Unternehmens beizutragen, überhaupt nicht gerecht. Eigentlich müsste er aus dem Gremium ausscheiden, denn so abwertend über Piëch zu reden, ist nicht nur unredlich, niederträchtig, ungehörig: Es ist falsch. Eine Unverschämtheit jenseits jeder sachlichen Argumentation und nur am Stammtisch nach einigen Runden tolerabel.

Was in den Vorwürfen gegen Winterkorn immer wieder auftaucht: die schlechte Rendite bei der Marke Volkswagen. Dass Skoda eine viel bessere Rendite erwirtschafte, wird da beispielsweise von Wirtschaftsjournalisten hervorgehoben, ohne zu berücksichtigen, dass VW gezwungen ist, teurer als andere zu produzieren. Und Skoda profitiert von vielen Entwicklungen, die bei Volkswagen bilanziert, das heißt von VW bezahlt werden. Wer hier Vergleiche zieht, vergleicht Birnen mit Kirschen.

Wer ein 12-Marken-Weltreich zu führen hat, kann nicht jeden Fehler vermeiden. Vielleicht war es falsch, für die USA einen einfacheren Passat zu produzieren. Da fühlt man sich an die grandiose Fehlentscheidung erinnert, den Golf in den USA als „Rabitt“ zu amerikanisieren. Und an das Desaster des VW-Werkes in Pennsylvania, das 1988 nach nur zehn Jahren Produktion geschlossen wurde, der Flop des Phaeton in den USA: VW hat in Amerika viel Lehrgeld liegenlassen, aber auch Erfolge aufzuweisen. Wer die US-Sorgen nur Winterkorn anlastet, tut ihm unrecht. Die USA sind in einem permanenten Preiskampf, in dem sich amerikanische, asiatische und europäische Autohersteller gnadenlos unterbieten (müssen), wollen sie Stückzahlen machen. Der Preiskampf ist gnadenlos und führt zu irren Entgleisungen. Beispiel: Weil ein GM-Ingenieur einen um zwei Cents billigeren Schlüssel einkaufte, mussten mindestens 80 Menschen sterben. Das ist nur ein Beispiel, wie gnadenlos der Wettbewerb in den USA geworden ist. Und auch Audi, Mercedes-Benz und BMW spüren den Wettbewerb und müssen in den USA Rabatte geben, die jeder kaufmännischen Vernunft widersprechen.

Wir wissen also nicht wirklich, warum Ferdinand Piëch mit Winterkorn unzufrieden ist. Diese Unzufriedenheit wird viele Facetten haben, die wohl erst in den nächsten Monaten deutlicher konturiert erscheinen dürfte.

Spannend wird es wohl auf der Hauptversammlung werden. Wenn am 5. Mai Martin Winterkorn und Ferdinand Piech auf dem Podium sitzen. Wird Piëch etwas zu seiner Distanz-Äußerung sagen, wird er überhaupt zur Hauptversammlung erscheinen oder sich vertreten lassen (was das Aktienrecht durchaus zulässt)? Wie werden die Herren miteinander umgehen, wenn die Öffentlichkeit auf sie schaut?

Es ist eine schwierige Situation, die das Leben Martin Winterkorns sicher nicht leichter macht. Dass er wirklich und nachhaltig als Sieger da steht, ist nicht sicher. Nur zu hoffen. Final-Sieger wäre er erst, wenn er Ferdinand Piëch auf dem Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden folgen würde. Danach sieht es zur Zeit nicht aus. Aber die Karten werden immer wieder neu gemischt.

 

 

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