Audi TT: vom androgynen Softie zum maskulinen Sportwagen

Dass ein Automobil erwachsen geworden sei, ist eine beliebte und ziemlich banale Floskel, wenn einem nichts Besseres einfällt. Bei der Audi TT Vorstellung in Spanien war dies dennoch mein erster, gleichwohl beschämend unausgewogener Gedanke. Sorry! Aber, verdammt noch mal: Der TT ist tatsächlich erwachsen geworden.

TTS von hinten

 

 

 

 

Wenn ich an die mir immer zu pummelig und rundlich erschienene Form des ersten TT zurückdenke, der in meinen Augen an fehlender Ernsthaftigkeit zu leiden schien, ist der neue TT zum maskulinen Sportler gereift, der im besten Sinne an formaler Substanz gewonnen hat. Der neue Audi TT ist ein echter Hingucker. Seine geschärften Linien, seine gestrafften Flächen, seine gesamte Darstellungskraft wirken positiv auf den Betrachter. Der Audi TT ist jetzt das geworden, was er 1998 sein sollte, aber nicht war.

Ja, ich weiß: Ein Hingucker war der erste auch, der bereits 1995 als Konzept und „Design-Ikone“ vorgestellt worden war. Aber die geometrische Grundstruktur aus Halbkreisen und Bögen dominierte die angestrebte sportliche Komponente zu sehr mit ihrer niedlichen Freundlichkeit. Für einen Sportwagen mit männlichen Genen etwas zu liebenswürdig. Dennoch gab der erste TT der Marke Audi einen kraftvollen Image-Schub Richtung Design-Marke.

Den ersten TT aus heutiger Sicht deshalb zu kritisieren, ist ungerecht gegenüber dem Mut der Designer Anfang der Neunziger. Was damals für Audi durchaus ein Design-Sprung war und überall Wow-Effekte provozierte, alterte auf der Geschmack-Skala im Laufe der Jahre schon bald zur formalen Unverbindlichkeit. Ich will nicht daran erinnern, dass der fehlende Heckspoiler zwar dem rundlichen Design geholfen hat, aber nicht der Fahrstabilität. Aber das ist Schnee von vorgestern. Und selbst die Designer des ersten TT werden heute lächeln, wenn sie seine Formensprache analysieren. Jede Zeit hat eben ihr Design. Und es bedarf der ersten Schritte, um an ein Ziel zu kommen. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Der erste TT darf und muss wegen seiner Einmaligkeit in Sachen Design als hoch innovativ bezeichnet werden.

Die dritte Generation dieses Coupés zeigt, was ich damit meine. Ohne den ersten TT wäre der neue nicht so attraktiv geworden, der dessen Grundform übernommen hat, aber Sportlichkeit insgesamt viel markanter und ausgeprägter vermittelt. Vom androgynen Sportcoupé zum maskulin-männlichen Sportwagen. Ein Auto, wie es sich Frauen wirklich wünschen. Und wie es Männer fahren wollen.

Was ihn so attraktiv macht, ist gar nicht so leicht aufzuschlüsseln. Das ist eben hohe Design-Kunst: einen Eindruck entstehen zu lassen, der mehr ist als die berühmte Summe seiner Details. Ist es die Erinnerung an den Audi R8 im Kühlergrill mit seinen sechs Ecken? Sind es die typischen Scheinwerfer-Signaturen mit LED-Tagfahrlicht, die erscheinen wie wie der zornige Blick Marlon Brandos? Optional gibt es Scheinwerfer in LED- oder gar mit der zukunftsweisenden Matrix-LED-Technologie. Sind es die großen Lufteinlässe vorn, die unterhalb des Kühlers miteinander korrespondieren? Egal.

Man muss sich den TT optisch in Ruhe erarbeiten, wenn man ihn in seiner ganzen formalen Eigenständigkeit begreifen will. Er steht da und wirkt. Sportlich, muskulös, sympathisch und fahrerisch vielversprechend. Das reicht doch. Große Abgasrohre mit verchromten Blenden setzen den hinteren Schlusspunkt. Das Heck ist ohne Frage gelungen, weil es mehr charaktervolle Prägnanz zeigt als bisher.

Das Interieur-Design beeindruckt vor allem durch seine Ordnung und Aufgeräumtheit vor dem Fahre. Ganz wesentlich für diese neue Ordnung im Innenraum ist das innovative „Virtual Cockpit“. Ein faszinierendes Darstellungssystem mit spektakulärer Leuchtkraft – früher wurde ein wesentlich weniger aufwändiges Info-System bei Audi als Mäusekino geächtet. Der Fahrer kann mittels verschiedener Einstellungen wählen, was er als dominierende Informationsquelle gerade bevorzugt. Die Kartendarstellung hinterm Lenkrad, die Geschwindigkeitsanzeige oder den Drehzahlmesser mal groß, mal klein, viele ansteuerbare Informationen bis hin zum Cover der gerade zu hörenden CD sind mehr als beeindruckend. Dass dahinter ein Prozessor mit bis zu acht Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde wütet, ist ebensowenig vorstellbar wie die Überlegung, wie sich eine Sekunde wohl in acht Milliarden Teile atomisieren lässt. Das ist mir einfach zu kurz, um lange darüber nachzudenken.

Dank dieser Technologie wirkt der Innenraum so ganz anders als in anderen Automobilen, in deren Armaturenbrett-Mitte ein Navi platziert ist. Das hinterm Lenkrad dort zu integrieren, wo sonst analoge „Uhren“ über Tempi und Drehzahlen informieren, ist verblüffend ungewohnt. Kein Foto kann das Gefühl reproduzieren, das live und in Farbe (!) wahrzunehmen ist. Das muss man erlebt haben. Obwohl wir theoretisch seit 1994 Navi im Auto haben (eingeführt im BMW 7er), ist die Integration am traditionellen Tachostandort, also hinterm Lenkrad, nochmal ein ganz großer Entwicklungssprung, der mir wertvoller erscheint als das Head-up-Display. Das ist natürlich Geschmacksache und eine Frage der angelernten Sehgewohnheit.

Und wie fährt er sich? Großartig. Fast unabhängig von der Motorisierung macht das Fahren einfach Spaß. Ob 184 Diesel-PS, 230 oder 310 PS im TTS, ob Handschalter oder Doppelkupplungsgetriebe, ob Frontantrieb oder quattro: Der TT ist good sports. Fahrerseitig kann  jedwede Vorliebe erfüllt werden. Der Allradler namens quattro repräsentiert mit seiner weiter entwickelten Regelungstechnik ein hohes Niveau an Fahrsicherheit. Im normalen Fahrbetrieb werden die vorderen Räder angetrieben, die Elektronik verteilt die Kraft aber bei Bedarf blitzartig auch nach hinten. Dies ermöglicht sogar leicht kontrollierbare Drifts. Der sportlich ambitionierte Fahrer kann fast risikolos den Grenzbereich berühren, ohne überrascht zu werden. Der TT liebt schnelle Kurven ebenso wie die lange Gerade.

Alles in allem ist der neue TT zum ernsthaften Sportwagen gereift. In allen Fahrzeugkomponenten ist ein Entwicklungssprung zu vermelden. Insofern besteht kein Zweifel, dass auch dieser Audi TT die Erfolgsgeschichte der Modellreihe fortschreiben wird, die auf einer halben Million verkauften TTs aufbaut.  Irgendwelche Zweifel? Sie wären nicht angebracht. Eher schon daran, dass der Grundpreis von 35.000 Euro ausreichen würde, alle Ansprüche der Kunden zu erfüllen.

 

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