Der neue Mercedes AMG GT ist keinesfalls ein Porsche-Killer

Fast alle Medien sehen im neuen Mercedes AMG GT einen Konkurrenten zum Porsche 911. Da bläst Mercedes laut Automobilwoche angeblich zum „Angriff auf Porsche“, Focus online nennt den Sportwagen gar einen „brutalen Porsche-Schreck“ und Spiegel online vermutet „Ärger mit dem Nachbarn“ in Zuffenhausen. Autobild mutmaßt, dass der GT im Revier des 911er wildern würde.

Das ist nach meiner Überzeugung nicht im Ansatz zu erwarten, ja sogar völlig abwegig. Die Sportwagenkäufer, die zwischen beiden Fahrzeugen schwanken werden, lassen sich wahrscheinlich an einer Hand abzählen. Eher ist zu erwarten, dass sich gut betuchte Kunden beide Autos kaufen. Dass der GT ins Segment der „bezahlbaren“ Sportwagen gestellt wird, die die 300-km/h-Schallmauer durchbrechen, ist marketingtechnisch durchaus richtig. Die Markentreue ist in diesem Segment aber ausgesprochen ausgeprägt. Die Mercedes-Marketingabteilung ist selbst „sehr gespannt, wie viele 911er-Kunden wir vom GT überzeugen können“.




Dass Porsche nun weniger 911er verkaufen wird, ist mit Sicherheit nicht einmal die Erwartung der Mercedes-Marketing-Abteilung. Wer anderes behauptet, hat von Marken-Images wenig bis keine Ahnung. Einen 911er-Fan (die Markentreue ist gerade beim 911er nur noch mit jener der Ferrari-Fans zu vergleichen) für den Mercedes GT zu begeistern, dürfte so gut wie unmöglich sein. Und das hat nichts mit der Sportwagen-Qualität, mit dem Fahrverhalten oder dem Preis des GT zu tun, sondern allein mit der Marken-Disposition der Kunden.

Schon einmal hat Mercedes-Benz mit einer solchen Marketing-Erwartung völlig daneben gegriffen. Der Maybach sollte Rolls-Royce-Kunden abwerben. Heute kann man über diese 2002 gemachten Gedankenspiele nur lächeln. Rolls-Royce verkauft unter der Führung von BMW im absoluten Top-Segment des Autobaus über 4000 Fahrzeuge pro Jahr, vom Maybach tröpfelten im letzten Produktionsjahr 2012 keine 50 mehr in homöopathischer Dosis auf die Märkte der Welt.

Natürlich lässt sich das Maybach-Desaster nicht mit dem GT vergleichen, der ein ganz anderes Markenfeld bedienen will. Keine Frage auch, dass er sich im Feld der Sportwagenkunden wird gut verkaufen lassen. Aber beim Porsche 911 wird er nicht im Ansatz Stammkunden abwerben können, geschweige denn ein ernstes Problem für die Zuffenhausener Sportwagenschmiede werden. So wie der Maybach kein Rolls-Royce-Konkurrent werden konnte, so wenig wird der GT am Markterfolg des Neunelfers auch nur kratzen.

Das ändert nichts an dem mutmaßlichen Erfolg des AMG GT, der eher ein inhouse-Problem werden könnte. Vor allem dann, wenn er in einem Jahr als offener Roadster auf den Markt kommen wird. Dann dürfte er eher im Mercedes-SL-Revier kannibalisieren und jene Mercedes-Kunden locken, denen der SL ein Tick zu feminin und zu schwer geworden ist. Gerade im Markenfeld teurer Automobile spielt die Image-Programmierung, die subjektive Identifikation mit einer Marke eine viel größere Rolle als in der preiswerten Region. Selbst in den USA, wo die treulosesten Kunden zu Hause sind, die heute diese, morgen jene Marke zu kaufen bereit sind, ist im oberen Preissegment Markentreue die Regel. Ausnahmen sind vor allem jene, die sich gleich mehrere teure Autos gleichzeitig kaufen können.

Der AMG GT ist ein optisch absolut gelungener Sportwagen. Darüber lässt sich nicht einmal im Ansatz streiten. Der Preis dürfte mit zu erwartenden 120.000 Euro Grundpreis ordentliche Verkaufszahlen generieren. Nicht billig, aber im Vergleich zu Wettbewerbern in diesem Segment eher im „preiwerten“ Bereich angesiedelt. Angesichts des Gesamtpakets mit überragenden Fahrleistungen, großartiger Optik und der gebotenen Alltagstauglichkeit also absolut seinen „Preis wert“.

Unbeantwortet bleibt die Frage, warum der Flügeltürer SLS nach nur vier Jahren Bauzeit eingestellt wurde. Wie hinter vorgehaltener Hand zu hören ist, soll der Preis ab 180.000 Euro keine ordentliche Gewinnmarge zugelassen, gleichzeitig aber die verkauften Stückzahlen gebremst haben. Die aufwändige Konstruktion mit Gitterrohrrahmen und den Flügeltüren sollten ihn zur Nachfolger-Legende jenes Flügeltürers aus den fünfziger Jahren machen. Mittlerweile bieten vereinzelte Niederlassungen SLS-Neuwagen weit unter Neupreis an. „Wir präsentieren Ihnen hier einen Mercedes Benz SLS AMG Neuwagen ohne Zulassung mit einem damaligen Neupreis von 207.952,10 Euro“, wirbt die Mercedes-Niederlassung in Kassel für einen übrig gebliebenen SLS. Der verlangte Preis heute: 178.900 Euro. Das spricht nicht gerade für Preisstabilität des SLS und dürfte Sammler, die auf hohe Werterhaltung gesetzt haben, bitter enttäuschen.

 

 

 

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