Das vernetzte Automobil wird zum Daten-Hotspot – VW-Chef Martin Winterkorn warnt auf der CeBit: „Das Automobil darf nicht zur Datenkrake werden“

Mit der technischen Entwicklung in Richtung digitaler Vernetzung kommt auf die Autofahrer mehr zu, als sie heute absehen können. So praktisch es ist, „connected“ zu fahren, so riskant ist die unbemerkte und nicht unbedingt freiwillige Preisgabe der automobilen Nutzerdaten. Die Googles dieser Welt warten nur darauf, die vielen schönen und oft kostenlosen Service-Dienstleistungen zur Goldgrube eigener Geschäftsmodelle zu machen. Wundern wir uns also nicht, wenn wir in absehbarer Zeit Post von der Kfz-Versicherung bekommen, weil sich die Prämie individuell nur deshalb erhöht, weil wir über unser smart Phone als Schnellfahrer entlarvt worden sind. Und wer über Weihnachten immer zum Ski fahren fährt, könnte bald von Reiseangeboten in die Wintersportorte überschwemmt werden. Das wären noch die harmloseren Folgen der aus dem Auto abgeschöpften Datenflut.

Volkswagen-Chef Martin Winterkorn hat in seiner Rede im Beisein von Kanzlerin Merkel auf der Cebit-Eröffnung deutlich gemacht, wo die Grenzen gezogen werden müssen. Und er hat dabei ziemlich deutliche Worte gefunden: „Das Auto darf nicht zur Datenkrake werden. Wir schützen unsere Kunden vor unzähligen Gefahren – vor Aquaplaning, vor dem Sekundenschlaf, vor langen und zeitraubenden Staus. Mit dem gleichen Pflichtbewusstsein werden wir unsere Kunden auch vor dem Missbrauch ihrer Daten schützen. Ich sage deutlich: Ja zu Big Data. Ja zu mehr Sicherheit und Komfort. Aber Nein zu Bevormundung und Big Brother. An dieser Stelle ist die gesamte Branche gefordert. Wir brauchen eine Art Selbstverpflichtung der Automobilindustrie. Der Volkswagen Konzern steht dafür bereit.“ Winterkorn hat die Risiken erkannt, die bei allen positiven Seiten nicht unter den Tisch fallen dürfen.

Dass Autos immer mehr zu rollenden Computern und Datenspendern werden bzw. geworden sind, ist allgemein bekannt. Welche Möglichkeiten sich durch die hochgerüsteten Fahrzeuge ergeben, haben noch nicht alle in voller Tiefe begriffen. Höchstens Firmen wie Apple, Google oder Microsoft. Dort arbeitet man an Geschäftsmodellen, die so abenteuerlich sind, dass es jeden Datenschützer den Schlaf rauben dürfte. Was die Sache so problematisch macht: Viele der Daten aus unseren smart-Phones landen in den USA, wo der Umgang mit Daten längst nicht so restriktiv geregelt ist wie in Europa. Jedenfalls leben wir noch in dieser Gewissheit, die vielleicht längst zur Illusion mutiert ist.

IT-Fachleute sehen im autonomen Fahren nicht nur einen technologischen Sprung, sondern auch einen gigantischen Datenzuwachs mit einer zigtausendfachen Datenmenge im Vergleich zu heute. Jede Lenkbewegung kann aufgezeichnet werden, jedes Bremsmanöver oder die Routenauswahl zu einem Ziel. Dass die Aufzeichnung nicht das Problem ist, sondern die Auswertung und Nutzung der Daten, ist schon auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar als juristisches Problem erkannt worden. Allein die Frage, wem die Daten gehören, ist noch lange nicht entschieden. Hier gibt es unterschiedliche Sichtweisen.

Diskutiert wurden die datenschutzrechtlichen Grundsätze: „Daten gehören niemandem“ und „Exklusivrechte an Daten gibt es nicht“. Nicht einmal der Erzeuger der Daten könnte Anspruch auf sie haben. Ähnliches akzeptieren wir ja bereits bei der Nutzung unseres smart Phones oder wenn wir uns bei facebook oder anderen Diensten bewegen.

Nach Ansicht viele Juristen steht allerdings eine zweckbezogene Nutzung im Vordergrund. Einigkeit herrschte in Goslar darüber, dass Kfz-Daten überwiegend personenbezogen sind, da sie etwas über das Fahrzeug des Halters aussagen und somit auf ihn und den/die Fahrer beziehbar sind. Geprägt ist der Datenzugriff durch Erlaubnistatbestände wie z. B. im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung oder soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich ist und die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen nicht überwiegen. Dagegen stünden die Abwehrrechte des Betroffenen in Form von Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen sowie wettbewerbsrechtliche Ansprüche im Falle der Marktdiskriminierung und der Wettbewerbsbehinderung. Aber wer klagt schon mit Aussicht auf Erfolg gegen einen Provider, dessen technologische Power mindestens so groß ist wie seine Marktmacht.

Juristensprache ist nicht  leicht verständlich. Fest steht, dass die Autohersteller in der Freude darüber, Apple oder Google ins Auto zu integrieren, nicht unbedingt auf die Datenschutz-Interessen ihrer Kunden achten. Wenn erst einmal Radarkontrollen überflüssig werden, weil die Autofahrer ständig überwacht werden können, ob sie sich ans Tempolimit halten, ist dies nur ein Aspekt. Allerdings gibt es natürlich auch positive Seiten. Wenn wir nach einem Unfall nicht mehr erst den Rettungsdienst oder die Polizei anrufen müssen, weil sie sofort informiert sind, kann der Datenfluss Leben retten. Es gilt also immer abzuwägen.

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