In Genf ist die automobile Welt noch völlig in Ordnung

Der Frühling beginnt bekanntlich nicht meteorologisch, sondern automobil. Der Genfer Salon ist nach der Autoshow in Detroit der erste wirklich sonnige Ausblick auf das kommende Autojahr. In Genf sieht die automobile Welt viel positiver aus als im meist winterlich maroden Detroit, wo die Ausstellerhalle Cobo-Hall von einer surreal anmutenden Untergangskulisse umrahmt wird.

Genf ist Neubeginn, positiver Ausblick auf eine schöne mobile Zukunft. Genf ist das Gegenteil von Sozialneid, das eindeutige Gegenmodell des zerfallenden Detroits, das sich dennoch nicht vom Podest als wichtige Medien-Veranstaltung für neue Autos verdrängen lässt. Genf ist ganz anders und propagiert die besten und schönsten Seiten individueller Mobilität.

Und weil Schönheit immer mit Design einhergeht, sind auch die Autohersteller bemüht, hier viele formale Experimente zu wagen. Mal ästhetisch, mal extrovertiert und auch mal entsetzlich prollig. Nicht alles ist ernst zu nehmen, was gezeigt wird. Aber ernst gemeint ist alles.

Unser Streifzug über den 84. Genfer Autosalon erhebt nicht den Anspruch der Vollständigkeit. Es sind die vielen Sidesteps, die oft interessanter sind als die großen Neuvorstellungen etablierter Marken. Wenn Audi den neuen TT präsentiert, liegt die Sensation mehr im Verborgenen: das aufgeräumte Cockpit zum Beispiel, auf dem trotz Navigationssystem kein Bildschirm mehr zu sehen ist, weil er nun als virtuelles Präsentationsmodul vom Fahrer gestaltet werden kann, der den neuen Bildschirm direkt vor sich platziert findet und die Darstellung auch noch selbst gestalten kann (wir haben darüber berichtet). Das ist eine echte Design-Innovation.

VW-Designer Walter de Silva und Wolfgang Egger präsentierten von Italdesign Giugiaro einen sehr kompakten Crossover mit dem Namen Clipper. Das Design-Experiment mit Schmetterlingstüren hat die Display-Größe auf das Maximum getrieben: Das Display erstreckt sich in ganzer Breite übers Armaturenbrett. Wir sollten im übrigen aufhören, künftig noch von Armaturen-Brettern zu reden, auch –Träger klingt angesichts dieser technologischen Display-Entwicklungen nicht mehr richtig.

Als Studie zeigt Mazda das Kleinwagenkonzept Hazumi. Wie zu hören ist, soll dies die Vorfreude auf den nächsten Mazda 2 beflügeln, was angesichts der dynamischen Optik durchaus berechtigt ist. Übertrieben klingt allerdings die Erklärung des verantwortlichen Designers Ryo Yanagisawa: „Beim Show Car Hazumi haben wir eine Form kreiert, die den Eindruck explosiver Bewegung vermittelt. Das Fahrzeug ist wie ein Tier, das sich auf seine Beute stürzt: Jeder Muskel steht unter Spannung. Das Auto mag klein sein, aber das Kodo Design verleiht ihm eine unübersehbare Präsenz und eine Form, die die unverkennbar für Fahrvergnügen steht.“ Das ist die Sprache eines leidenschaftlichen Designers.

Aus der Partnerschaft von Seat und der spanischen Modemarke Mango entstand eine interessante Version des kleinen Mii. Abgestimmt auf weibliche Kunden will das Konzept beweisen: Mode ist in der kleinsten Fahrzeuggattung möglich.

Subaru hat den Salon mit einer weiteren Studie beschickt: Das Viziv 2 Concept ist ebenfalls Richtungsweisung für das künftige Subaru-Design. Die Bezeichnung “Viziv” ist eine Kurzform von “Vision for Innovation” und soll auf Subarus Visionen neuer Technologien verweisen.

Der Jeep Kompakt-SUV heißt Renegade. Er ist der erste Jeep, der auf der kleinen Plattform basiert, die auch den großen Fiat 500L trägt. Eine verblüffende Entwicklung, die sinnbildlich auch für Fiats neue Ausrichtung zu verstehen ist. Fiat und Chrysler sind gewissermaßen nicht nur eine Firma, sondern sollen auch modellpolitisch zusammenwachsen.

Überraschend groß und aufwändig auch der Auftritt von Qoros, der chinesischen Marke mit dem Anspruch, der Volkswagen Chinas zu werden. In Sachen Qualität und Design. Kein Wunder, ist doch Chef-Designer Gert Hildebrand schon viele Jahre bei Mini erfolgreich am Werkeln. Der Qoros 3 Hatch ist ohne Frage durchgängig Qualitäts-Design. Saubere Linien, keine Schnörkel, sondern lang modern funktionierende Formen. Dass das Auto mit dem 5-Sterne-Crash-Ergebnis auch noch die Sicherheitsexperten überraschte, spricht zusätzlich für die hier eingeflossene Design- und Technik-Erfahrung europäischer Manager. Mit dem neuen Schrägheck-Modell will man laut Qoros-Vize und Ex-Volkswagen-Manager Volker Steinwascher will mit dem Modell vor allem „Aktive Familien und Menschen mit einem Outdoor-Lebensstil“ anpeilen.

Einen Hingucker erster Güte hat Maserati mit der Studie Alfieri präsentiert. Das ungemein muskulös gestaltete Modell soll die Rennsport-Vergangenheit der Marke in Erinnerung rufen. Auch bei Maserati gilt die Studie als Ausblick auf die Zukunft. Das kommende Markendesign soll deutlich auffälliger werden und in dem Modell GranSport auf die Straße kommen. Wie zu hören ist, hat sich das Designteam vom Maserati Centro Stile in Turin mit dem Designer Marco Tencone vom Maserati A6 GCS aus der Feder Pininfarinas inspirieren lassen.

Gleich drei Studien hat sich Mitsubishi auf den Stand gestellt. Die interessanteste dabei schein uns das Concept XR-PHEV zu sein. Ein Komapkt-SUV, das hinten aussieht wie ein Coupé und insgesamt extrem mutig erscheint. Angetrieben werden soll das sehr futuristisch wirkende Fahrzeug mit einem Plug-in-Hybrid, der die Kraft allerdings nur auf die Vorderräder überträgt. Die elektrische Reichweite soll 85 km betragen.

Und noch ein Conceptcar, das geeignet ist, uns zu begeistern: Der Alfa Romeo 4C Spider, der fast unverändert so auf den Markt kommen soll. Designer sind es wohl leid, immer nur für die Show zu arbeiten. Spätestens nächstes Jahr soll dieses Bild von Auto zum Händler kommen.

Wie immer mit einer ganz besonderen Überraschung warten Franco Sbarros Design-Schüler auf: Dem ES-13 Flèche Rouge, der aussieht wie Batmans nächster Dienstwagen. Inspiriert von Flugzeugen wollten die Jungdesigner ein wahnsinnig schnell aussehendes Fahrzeug gestalten, das mit für sein Aussehen sparsamen 156 PS auch noch klimafreundlich unterwegs wäre – wenn es denn auf die Straße käme. Franco Sbarro, der Extremist unter den Designern, präsentiert seit 1973 Jahr für Jahr seine Ideen. Früher setzte er sie selber um, jetzt sind es seine Schüler in der von ihm gegründeten Design-Schule.

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