Der plötzliche Abgang von Daimler-Vorstand Andreas Renschler hat überrascht – Ist Renschler Zetsche zu beliebt geworden? – Auch der Betriebsrat war auf seiner Seite

Die Daimler-Pressemitteilung kam gegen 20 Uhr. Die Pflichtmitteilung liest sich wie in solchen Fällen üblich. Wieder wird die Floskel vom „gegenseitigen Einvernehmen“ gebraucht, um den Knall leiser erscheinen zu lassen. Den muss es gegeben haben. Ohne Grund verlässt ein Mann wie Renschler nicht seinen Traumjob, den er laut verlängertem Vertrag noch bis mindestens 2018 hätte erfüllen können, eigentlich müssen. Ein Mann wie Renschler wirft nicht die Brocken hin, weil ihm der Wind ein wenig ins Gesicht bläst. Dafür muss schon mehr passiert sein. Aber nichts Genaues weiß man nicht. Jedenfalls noch nicht. Irgendwann werden sich aber auch hier die Nebel lichten. Nur eines steht fest: Es war Renschlers Entscheidung, keinesfalls ein Rauswurf. Leicht dürfte das dem Daimler-Mann nach 26 Jahren nicht gefallen sein.

Renschler wurde als Kronprinz für die Zeit nach Zetsche gehandelt, aber er hatte auch Gegner wie Nutzfahrzeug-Vorstand Wolfgang Bernhard, Personal-Vorstand Wilfried Porth, ja auch Daimler-Chef Dieter Zetsche ist schon lange nicht mehr ein Freund gewesen. Noch vor wenigen Wochen hat Renschler im privaten Kreis vehement bestritten, dass es zwischen ihm und „Dieter“ Querelen gäbe. Aber auch: „Dass Bernhard gegen mich schießt, das weiß ich.“

Schon seit ein paar Tagen wunderten sich Renschler nahestehende Personen, dass er ziemlich einsilbig geworden sei. Jetzt ist sein Verhalten erklärbar. „Irgendwas muss passiert sein“, mutmaßt ein Insider. Aber was, weiß keiner.

Auf jeden Fall ist es sehr ungewöhnlich, dass ein Daimler-Vorstand so Knall auf Fall „seine Aufgaben ruhen“ lässt, wie es in der Pressemitteilung lapidar heißt. „Der Aufsichtsrat der Daimler AG hat der Vertragsaufhebung einstimmig zugestimmt.“

Auch das offizielle Bedauern Dieter Zetsches liest sich wie aus dem Handbuch für wasserdichte Trennungsverträge: „Andreas Renschler hat in seiner Zeit als Mitglied des Vorstands der Daimler AG unser Nutzfahrzeuggeschäft global ausgerichtet. Er hat darüber hinaus in seiner Funktion als Produktionsvorstand Mercedes-Benz Cars den Anlauf der neuen S-Klasse hervorragend gemeistert und unsere Fabriken auf den Anlauf der neuen C-Klasse ausgerichtet. Ich bedaure sehr, dass er aus persönlichen Gründen das Unternehmen verlässt.“ Groß kann das Bedauern nicht sein, denn wenn der Boss einen guten Mann ziehen lässt, spricht das Bände über das Klima zwischen beiden. Renschler wäre zu halten gewesen, wenn Zetsche wirklich gewollt hätte.

Übersetzt heißt das verbale Lob für Renschler allerdings auch, dass ihm keinerlei Fehlverhalten oder gar Fehler vorgeworfen werden. Der inzwischen ausgeschiedene amerikanische Daimler-Bewährungshelfer und Ex-FBI-Chef Louis Freeh hatte nämlich verlangt, in offiziellen Statements zum Ausscheiden einer Führungskraft deutlich zu machen, dass sie sich in Sachen Compliance nichts hat zu Schulden kommen lassen: „persönliche Gründe“ ist eine solche entlastende Formulierung.

Persönliche Gründe können natürlich auch der Krach mit dem Vorstandschef sein, Krankheit oder das Angebot eines anderen Unternehmens. Spekuliert wird, dass er im VW-Konzern die Nutzfahrzeug-Sparte übernehmen könnte. Das ist schwer zu glauben, denn Renschlers Vertrag verbietet das – jedenfalls für einen längeren Zeitraum. Selbst bei einem solchen Angebot wäre es naheliegend, einen geordneten Abgang mit einer ordentlichen Vorankündigungsfrist zu wählen. Dass solche Ruck-zuck-Trennungen von einer gewissen Unordnung auf der Führungsebene zeugen, um das Wort Chaos zu vermeiden, ist keine abwegige Vermutung.

Der plötzliche Abgang Renschlers gibt noch Rätsel auf und ist „kein gutes Zeichen für Daimler“, wie ein Manager ahnt. Hat Renschler das tägliche Macht-Gerangel mit Wolfgang Bernhard zermürbt, bei dem sich Dieter Zetsche immer wieder auf die Seite Bernhards geschlagen haben soll, wie aus seinem Umfeld zu hören ist? Immer wieder hat Renschler seit seinem Wechsel in den Pkw-Bereich in wichtigen Interviews seinen Vorgänger auf dem Posten des Produktionschefs indirekt kritisiert. Die Produktion müsse effizienter werden, sagte Renschler vor kurzem . Und das konnte nur heißen: Vorstandskollege Bernhard hat versäumt, die Produktion auf Effizienz zu trimmen. Das ist Bernhard natürlich sauer aufgestoßen. 

Eine Zeitlang war Renschler mehr und vor allem positiver in der Presse als der restliche Daimler-Vorstand zusammen. Auch das könnte Zetsche gestört haben. Renschler konnte mit dem Betriebsrat, hat wie kein anderer versucht, mit ihm zusammen zu arbeiten, ihn auch in schwierige Entscheidungen frühzeitig einzubeziehen. Renschlers soziale Kompetenz beim Daimler ist unbestritten. Am 6. Februar werden Dieter Zetsche auf der Bilanz-Pressekonferenz Fragen zu Renschlers Weggang gestellt. Beantworten wird er sie nicht wirklich. Am 9. April wird auch Aufsichtsratschef Manfred Bischoff auf der Hauptversammlung etwas dazu sagen müssen. Bis dahin darf weiter spekuliert werden.

 

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