Reifer Apple oder fauler Apfel?

Gastbeitrag von Harald Kaiser: Was an den Gerüchten eines möglichen Elektroautos des Kultkonzerns Apple dran ist und was nicht.

Sie scheinen auf Droge zu sein, die Spekulanten. Es geht um das Auto, das Apple angeblich entwickelt. Die um die Jahreswende wild wuchernden Hirngespinste um das elektrisch angetriebene „iCar“, bislang lediglich ein unbestätigter Papiertiger in allerlei gedruckten wie elektronischen Gazetten, befassen sich neuerdings nicht mehr nur mit der Frage, ob Apple dieses Auto bauen wird. Inzwischen wird längst über den Einführungstermin gemutmaßt (angeblich 2024/25).

Obendrein schießen auch Spekulationen um den möglichen Umsatz ins Kraut, den Apple damit erzielen könnte. Die verlockende Vision geht so: Sollte sich Apple einen ähnlichen Marktanteil wie im Smartphone-Sektor mit weltweit knapp 12 Prozent (3. Quartal 2020) erkämpfen, könnte das Autogeschäft dem Elektronikriesen aus dem Silicon Valley einen zusätzlichen Umsatz von 400 Milliarden Dollar pro Jahr bescheren. Angesichts dieser Zahl sieht man förmlich die Beißerchen der geldgierigen Analysten tropfen, die nämlich, sollte Apple tatsächlich mit einem Auto Vollgas geben, den Aktienkurs in den Himmel schießen sehen.

Dumm nur, dass all die Raffzähne, die schon Millionen an Kursgewinnen in ihre Kassen fließen sehen, sich auf alle Fälle noch gedulden müssen – oder ihre Träume platzen sogar. Für den Fall jedoch, dass Apple bei seinen eventuell existierenden Autoplänen nicht mit einem etablierten Fahrzeughersteller (gerüchte-weise etwa Hyundai oder Kia) kooperieren will, ist die Frage aller Fragen diese: Warum sollte Apple einen riskanten Alleingang auf unbekanntes Terrain wagen, wenn man bedenkt, welcher Katalog an wichtigen Punkten vorher abgearbeitet werden müsste? Die sind:

  • Ein Heer von Ingenieuren müsste angeheuert werden, um den Wagen zu konstruieren.
  • Aufwändige Tests wären zu absolvieren, um eine Zulassung zu erreichen.
  • Teure Sicherheitsaspekte für die Passagiere bei Unfällen müssten genau so abgearbeitet werden wie die Umweltfragen beim Recyceln der Akkus zu beantworten sind.
  • Mindestens eine Fabrik für das Auto (wenn denn eine reicht) wäre zu errichten.
  • Eine Zulieferkette müsste aufgebaut werden.
  • Fragen nach der Herstellergarantie wären zu beantworten und hunderte Werkstätten müssten gegründet oder unter Vertrag genommen werden.
  • Nicht zuletzt müsste auch der Punkt Produkthaftung geklärt sein. Der ist besonders heikel, weil ein eventuell autonom fahrendes iCar im Falle eines Unfalls wegen eines technischen Fehlers schnell Millionen-Klagen nach sich ziehen kann.

Wild blühen die Spekulationen

Obwohl das Unternehmen aus dem kalifornischen Cupertino hundertmal soviel Wert ist wie vor 20 Jahren und obendrein etwa 200 Milliarden Dollar in der Porto-kasse vorhält, meckern manche Finanzexperten über fehlende unternehmerische Visionen bei Apple. Das iCar wäre ohne Zweifel solch eine Vision. Nicht auszuschließen ist, dass Apple allein um des Börsenkurses willen verdeckt dafür sorgt, dass die Spekulationen um ein iPhone auf vier Räder nicht verstummen. Einerseits heißt es immer mal wieder, dass um die 1000 international zusammen gekauften Experten mit dem Projekt beschäftigt sein sollen, das intern angeblich den Namen „Titan“ trägt. Dann ist zu hören, dass diese Leute alle wieder entlassen worden wären.

In dem wild blühenden Spekulationsgarten sprießt auch das Blümchen, ob Apple allein oder in Kooperation mit einem Partner solch ein Auto bauen würde. Etwa zusammen mit Tesla, dem kultig verehrten Elektroautobauer, der im simplen Geschäft Auto gegen Geld keinen Dollar verdient und genau deswegen der ideale Partner sei. Und da Apple neben der brillanten Funktionalität der Produkte auch eine hohe Faszination bei Kunden besitzt, würde alles zusammenpassen. Für Apple käme, so die Mutmaßungen in der Finanzszene, noch ein weiterer Gesichts-punkt hinzu: Die Firma würde nicht nur am Auto mitverdienen, sondern auch an Software-Updates alle paar Monate. So macht es Tesla. Denn Autos werden mehr und mehr durch Software definiert, weil ständig neue Funktionalitäten hinzu-kommen.

Niemand weiß etwas Genaues

Es gibt allerdings auch Analysten, die nicht nur solch eine Kooperation für ausgemachten Unsinn halten, sondern auch nicht sehen, dass die traditionellen Autohersteller dadurch in Bedrängnis geraten könnten, weil diese inzwischen auch verstärkt auf die E-Auto-Karte setzen. Es zeichnet sich inzwischen eher das Gegenteil ab. So konnte VW mit 192.000 verkauften Elektrofahrzeugen im vierten Quartal 2020 erstmals den Konkurrenten Tesla (180.667 Stück) überholen. Klar scheint gegenwärtig nur eins zu sein: Niemand außerhalb des Apple-Führungszirkels weiß etwas. Die ins Kraut schießenden Spekulationen kommentierte der US-Hegdefondsmanager und Autospezialist Mark Spiegel in dem Anlegerblatt „Der Aktionär“ treffend so: „If my aunt had balls she’d be my uncle“ (auf Deutsch: Wenn meine Tante Eier hätte, wäre sie mein Onkel). Spiegel hält es auch für nahezu ausgeschlossen, dass Apple Tesla schluckt. Mit einer Ausnahme: „Höchstens nach einem Bankrott aus der Insolvenzmasse.“

Die Gemengelage ist also undurchsichtiger denn je. Apple-Chef Tim Cook lächelt die Mutmaßungen bislang weg, sobald er auf das Thema angesprochen wird. Seine kluge Strategie dahinter ist wohl diese: Wäre es eines Tages tatsächlich soweit, würde Cook die Medien zusammentrommeln und breit grinsend die Decke von dem Auto ziehen. Die Sensation wäre perfekt. Kommt es indes nicht zum iCar, müsste Apple keinen Rückzieher machen. Denn von dem Unternehmen hat es bis heute nie einen offiziellen Pups an Information dazu gegeben. Weder eine Bestätigung, dass man an dem Projekt arbeite, noch dass nichts dran sei an den seit Jahren herumgeisternden Gerüchten.

Die Netzgemeinde witzelt über ein „WinCar“

Im Lichte wirtschaftlicher Realitäten betrachtet gibt es zwar gewichtige Argumente gegen solch ein Projekt. Andererseits aber auch einen Aspekt, der in der Apple-Fangemeinde keinesfalls unterschätzt werden sollte: Die Besitzgier, die ohne Zweifel von Apple-Produkten ausgeht. Diese meisterhaft zelebrierte Kauf-Erotik führt weltweit immer wieder zu Käuferschlangen vor den Apple-Läden sobald ein neues iPhone zu haben ist. Ganz zu schweigen vom Prestige oder Coolness-Faktor eines Apple iCar, in dem sich viele dann zwangsläufig sonnen könnten, wenn sie damit unterwegs sind. Oder man stelle sich den Straßenrand als Bühne vor, wenn sich dort der Yuppie seinem iCar nähert und sich auf Knopfdruck oder gar wie von Geisterhand die Fahrertür aufschwingt, damit der Apple-User Platz nehmen kann.

Das brächte zumindest anfangs Prestigepunkte. Sollte das Gerücht entgegen allen Annahmen Realität werden, dann käme ein Konkurrent Apples unter Druck: Microsoft. Die Netzgemeinde witzelt schon seit geraumer Zeit, dass Microsoft dann mit dem „WinCar“ nachziehen müsse. Und wie das der Softwareriese mit seinem Betriebssystem Windows üblicherweise macht, so würde es auch beim gedachten Auto kommen – alle zwei Jahre käme ein neues WinCar raus, für das natürlich gezahlt werden müsste. Wichtiger, so die Netz-Spaßvögel, sei aber, dass man zum Fahren auf alle Fälle das Microsoft Car Office-Paket brauche, weil ohne die darin enthaltenen Excel-Formeln der Motor nicht starte. Und mangels Word, dem Microsoft-Textprogramm im Office-Paket, könne man zudem die Betriebsanleitung nicht lesen. Gar nicht zu reden von den wöchentlich nötigen Sicherheitsupdates, weil sonst Computerviren den Wagen lahmlegen würden.

 

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