Gastbeitrag von Harald Kaiser zum Tode Ferdinand Piëchs: Wie ein Tiroler Fels

The opening of the Autostadt Wolfsburg in 2000 also took place during Piëch's tenure as CEO.

Zum Tod Ferdinand Piëchs hat der Journalist Harald Kaiser ein interessantes Psychogramm geschrieben. Der ehemalige Stern-Ressortleiter Auto hat Piëch oft getroffen und ihn mehrfach interviewt. Er charakterisiert einen Macher, vor dem sich viele seiner ehemaligen Mitarbeiter fürchteten und der die Medien zumeist als lästig empfunden hat.

Viele seiner Top-Manager, die er oft selbst engagierte, hat er teils schnell wieder und mit viel Geld im Gepäck vom Hof gejagt hat, wenn sie nicht spurten. Der Österreicher, schon als Multimillionär auf die Welt gekommen, war der Typ schneller Brüter. Fast immer wirkte er so, als stünde er ständig unter Hochspannung. Er war kein Kind des Windkanals, stattdessen kantig wie ein Tiroler Fels. Hier seine hervorstechendsten Charaktermerkmale:

Eitelkeits-Faktor:himmelhoch, war kaum zu überbieten. Aber das Wort trifft den gleichermaßen stillen wie starken Wesenszug nicht wirklich. Vielmehr war es so: Er konnte alles, wusste alles, machte alles. Der Mann mit dem messerscharfen Verstand hasste es, Dinge zweimal zu erläutern. Über seinen Grips sagte er einmal:  „Ich weiß, dass er reicht.“ Traut sich zu, „heute, morgen und in zwei Jahren der Beste“ zu sein. Mit dem Ansatz hat er zum Beispiel das Ein-LiterAuto umgesetzt, mit dem er einst von Wolfsburg nach Hamburg zur Jahreshauptversammlung des VW-Konzern fuhr. Verbrauch: 0,8 Liter Diesel. Dennoch ist der windschnittige Wagen bis heute nicht in Serie gegangen.

Diplomatie-Rate: kaum wahrnehmbar, ging Richtung Null-Linie. Ex-Mitarbeiter sagen, dass er das Fingerspitzengefühl einer ungeschliffenen Nockenwelle hatte. Der ehemalige BMW-Chef Eberhardt von Kuenheim meinte zur Berufung von Piëch zum VW-Boss 1993 erstaunt: „Das ist doch vor allem ein politischer Job.“ Piëch galt im Umgang – freundlich formuliert – als ruppig. Als er 1988 Audi-Chef wurde, kanzelte er seine Manager mit den Worten ab: „Mit 15 Prozent bin ich zufrieden. Mit 45 Prozent kann ich zusammenarbeiten, wenn die Leistungen besser werden, vom Rest werde ich mit trennen müssen.“

Symphatie-Kurve:zeigte in den Keller, kaum Ausschläge ins Positive. Besserung war in diesem Leben nie in Sicht. Manche Leute zitterten vor ihm. Der introvertierte Durch-und-durch-Techniker schien nur mit seinem Rechenschieber  kommunizieren zu können.

Glamour-Drang:war stark unterentwickelt. Wirkte, wenn Kameras auf ihn gerichtet waren, wie ein unsicherer Konfirmand. Modisch kaum Chic im gleichwohl teueren Outfit. Er war stets der Typ graue Maus, aber mit Maßschuhen. Dieses Bild genoss er.

Ehrgeiz-Wert:war kaum zu übertreffen. Wollte immer auf den VW-Thron. Konnte nicht verstehen, dass es außer ihm noch andere Kandidaten gab. Ein ehemaliger Hauptabteilungsleiter von Porsche über ihn: „Ein technisches Genie, das ständig am Wahnsinn entlang schrammt.“ Wegen seiner unerbittlichen Detailversessenheit zum Beispiel bei den Spaltmaßen der Karosserieteile, gemeint ist deren Passgenauigkeit, wurde ihm konzernintern der Spitzname „Fugen-Ferdl“ verpasst. Nachdem er mit VW, Audi und anderen Marken einen Auto-Riesen geschmiedet hatte, sah er sich als Ferdinand Porsche der Neuzeit, als Wahrer des Erbes seines Großvaters. Einen kräftigen Schuss Selbstbewusstsein wird er aus einem ganz speziellen Umstand getankt haben: nämlich nicht mit dem Namen Porsche geboren worden zu sein. Was zunächst widersinnig zu sein scheint, machte ihn stärker. Weil seine Mutter Louise, eine gebürtige Porsche, einen Piëch geheiratet hatte, musste Sohn Ferdinand ein Leben lang mit diesem Namensmanko leben – und drehte das ins Positive. Ferdinand Piëch hat sich immer als Porsche gefühlt. Sein verbissenes Lebensmotto lautete deshalb: Euch zeig‘ ich’s.

Marotten-Zahl: schwer zählbar. Hat zum Beispiel bei Vorstandssitzungen verlangt, dass jeder Teilnehmer vorher sagen muss,  wie lange er auf die Minute genau reden will. Er sprach leise mit fisteliger Stimme und erzeugte so immer Aufmerksamkeit. Auch nahm er sich sehr viel Zeit für Antworten. Ein Manager: „Manchmal habe ich gedacht, der schickt die Antwort mit der Post.“ Gleichzeitig starrte er den Gesprächspartner mit einer Art Bannstrahl aus zwei Rohren gnadenlos an. Das Psychospielchen führte beim Gegenüber zumeist schlagartig zu Schweißausbrüchen. Sobald er in einem gerade startenden Jet saß, sah er auf seine Uhr, wartete 40 Sekunden und griff danach beruhigt zur Zeitung. Wenn der Flieger nämlich nach 40 Sekunden nicht abhob, so seine Einschätzung, wäre es nach weiteren 20 bis 30 Sekunden meist zum Crash gekommen. Von dem wollte der Realist, der alles irgendwie berechnen musste, nicht überrascht werden.

1 Kommentar zu "Gastbeitrag von Harald Kaiser zum Tode Ferdinand Piëchs: Wie ein Tiroler Fels"

  1. Harald hat ihn überaus treffend geschildert, Wir hatten auch oft gemeinsame Eindrücke ausgetauscht. Mir war immer, dass zwischen Genie und Wahnsinn ein schmaler Grad liegt..
    FP bewies diese Tatsache ständig…

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