Wendelin Wiedeking: Freigesprochen, aber von Spiegel online dennoch subtil verurteilt

 

Da bekommen Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und sein Finanzvorstand Holger Härter vom Stuttgarter Landgericht einen erstklassigen Freispruch, die Staatsanwälte links und rechts verbale Ohrfeigen vom Richter, aber der Spiegel spricht die Freigesprochenen subtil dennoch schuldig. Da fällt mir nichts mehr ein.

Dass ein Richter Staatsanwälte so hart kritisiert wie der Vorsitzende der Wirtschaftskammer, Frank Maurer, dürfte in der Justizgeschichte Stuttgarts so gut wie noch nie vorgekommen sein. Denn er machte deutlich, dass nicht Zweifel an der Schuld der Angeklagten den Freispruch begründeten, sondern die Überzeugung der Kammer, dass die Anklage keinerlei Grundlage hat. „An den Vorwürfen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft ist nichts dran; nichts – weder vorne, noch hinten, noch in der Mitte.“ So abgekanzelt zu werden ist sicher ein Novum für die Stuttgarter Staatsanwaltschaft, die nun überlegt, ob sie in die Revision gehen soll. Richter Maurer äußerte sogar die Vermutung, dass die Staatsanwälte eine vorgefasste Meinung gehabt hätten.

So mancher hat die beiden Manager schon hinter Gittern gesehen. Denn die geforderten Haftstrafen von über zwei Jahren hätten nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden können. Für die Staatsanwälte ist das Urteil ein Desaster. Nicht nur weil es mit einem glatten Freispruch endete, sondern auch deshalb, weil der Richter ihre Arbeit massiv kritisierte. So seien die Ermittlungen viel zu aufwändig geführt worden, die zahlreichen Durchsuchungen von Büros und Privatwohnungen und 200 Aktenordner überflüssig gewesen, weil sie in sieben Jahren Ermittlung keine Beweise erbracht hätten. „Subjektive Überzeugungen reichen für eine Verurteilung nicht aus“, sagte der Richter und stellte klar, dass ein Unternehmer immer planen müsse. „Professionelle Vorbereitungen sind keine Vorwegnahme von Entscheidungen in Unternehmen“, betonte Maurer, der damit die Staatsanwälte regelrecht schulmeisterte. Wiedekings Anwalt nannte das Urteil eine „juristische Hinrichtung“ der Staatsanwaltschaft.

„Wenn ich so gerechnet hätte wie der Staatsanwalt, wäre ich zu Recht hier angeklagt worden“, sagte Ex-Porsche-Finanzchef Härter. „Ich bin froh, dass es jetzt im Urteil offiziell mal gesagt wurde, dass Porsche nicht die Pleite drohte, dass wir am 26. Oktober 2008 drei Milliarden Liquidität hatten und jederzeit Zugriff auf weitere vier Milliarden Euro“, sagte ein sichtlich erleichterter Härter.

Spiegel-online Autor David Böcking lässt sich vom Freispruch nicht beeindrucken. Die Überschrift „Freispruch für die Porsche-Zocker“ klingt nicht wirklich nach Unschuld. Wenn die gescheiterte Übernahme von VW laut Gericht schon keine Marktmanipulation war: „Größenwahnsinnig war der Plan dennoch“, schreibt Böcking und lässt Bedauern darüber durchklingen, dass Größenwahn nicht strafbar ist. Die Schelte des Richters an der Staatsanwaltschaft kann Böcking zwar nicht ignorieren, kommt aber zu dem Schluss: „Das klang fast so, als wären die einstigen Top-Manager ohne Grund vor Gericht gelandet.“ Genau: Es gab eben keinen Grund, wie das Gericht festgestellt hat. Diese Grundlosigkeit ins Gegenteil zu verkehren, zeugt nun auch von journalistischer Voreingenommenheit. Und es war auch kein Wirtschaftskrimi, wie der Autor meint, denn ein Krimi braucht kriminelle Energie, die fehlte bei diesem eigentlich ganz normalen Übernahmeversuch, der durch die David-Goliath-Perspektive zwar spektakulär erschien, aber nach Überzeugung der Kammer keine geplante Marktmanipulation zur Grundlage hatte. Sollte die Staatsanwaltschaft in Revision gehen, wäre sie schlecht beraten und zumindest eines bewiesen: dass sie keinen Aufwand scheut, ihre Voreingenommenheit weiter zu pflegen.

Mit diesem Urteil dürften es für die auf Schadenersatz klagenden Hedge-Fonds sehr viel schwerer werden, ihre Forderungen durchzusetzen.

 

 

 

 

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