Sicher werden die Autokritiker die Hände überm Kopf zusammenschlagen. Da gibt sich Daimler-Boss Dieter Zetsche nicht mit normalem Lobbying in Brüssel zufrieden, sondern fordert als führender Automanager auch noch die direkte Mitwirkung der Autohersteller am politischen Prozess zur gesetzlichen EU-Grenzwert-Bestimmung. Die Grünen werden schäumen und ihre Rettet-die-Welt-Lyrik anstimmen, die Umweltverbände werden Zetsches Forderung als unverschämt anprangern, die Brüsseler Zentralregierung wird sich entrüsten: Noch nie hat es der CEO eines Autoherstellers gewagt, mit an den Verhandlungstisch für politische Entscheidungen zu wollen.
Dieter Zetsche hat dieses Tabu politisch vielleicht unkorrekt, faktisch aber völlig zu Recht gebrochen. Es wäre schön, er bliebe mit dieser öffentlichen Ansage nicht allein.
Was für einige extrem provokant klingen mag, ist nur vernünftig. Zetsches Wunsch, formuliert bei einer Veranstaltung der Stuttgarter Nachrichten, ist durchaus berechtigt, denn Politiker sind keine Ingenieure. Wer weiß, wie oft gesetzliche Regelungen nur nach der Daumen-Peil-Methode zustande kommen, der muss Zetsches Vorschlag dankbar begrüßen. Denn die europäische Politik folgt nicht physikalischen Gesetzen, sondern allein ideologischen Vorgaben. Während die EU-Kommissare zur Rettung der Welt immer strengere Verbrauchsvorschriften machen wollen, setzen sie sich gerne in die bekannten Oberklasse-Dienstwagen. Was es bedeutet, einen durchschnittlichen Verbrauch von unter drei Litern auf 100 km zu erzielen, ist keinem der Herren klar. Dabei ist nicht nur der technische Aufwand immens. Wenn der Flottenverbrauch ab 2025 so aussehen soll, dann dürfen in Europa kaum noch leistungsstarke Premium-Limousinen verkauft werden, selbst wenn sie nur noch ehrliche sieben Liter verbrauchen. Die weltweit führende deutsche Industrie könnte auch ihre großen Fahrzeuge zwar weltweit weiter verkaufen, weil die dort abgesetzten Fahrzeuge nicht in die Berechnung einfließen. Aber die fehlenden Stückzahlen in Europa würden die betriebswirtschaftliche Betrachtung sehr belasten. Außerdem würde die Produktion weiter den Märkten folgen und hätte einschneidende Veränderungen für den deutschen Arbeitsmarkt zur Folge.
Noch werden chinesische Hersteller belächelt, aber auch sie drängen früher oder später massiv ins Premium-Segment. Wenn Deutschlands Vorzeige-Industrie in Europa nur noch Kleinwagen verkaufen darf, wird das ein ernstes Problem. Die Kanzlerin kann gar nicht zulassen, dass es so weit kommt.
Zetsche machte in Stuttgarter sehr deutlich, dass die Autoindustrie „an der absoluten Grenze zwischen notwendiger Forderung und Überforderung“ angekommen sei. Unterstützt wurde er dabei von Energie-Kommissar Oettinger. Auch im Hinblick auf die Anrechenbarkeit von Elektrofahrzeugen mit Super-Credits, die ein mehrfaches der tatsächlichen Stückzahlen angerechnet werden sollten. Obwohl dies in der EU heftig umstritten ist, gibt sich Oettinger optimistisch: „Ein tragfähiger Kompromiss wird uns noch vor Jahresende gelingen.“
Mitten in die Grenzwert-Diskussion und die auf Betreiben der Bundesregierung verschobenen EU-Entscheidungen krachte auch noch eine Spende von fast 700.000 Euro der Familie Quandt (BMW) an die CDU in die mediale Öffentlichkeit. Das musste auch den letzten Verschwörungstheoretiker auf den Plan rufen. Dabei spendet die Familie regelmäßig in Wahljahren größere Summen an die CDU. Dass der abgewählte Grünen-Vormann Jürgen Trittin diese Gelegenheit nicht verstreichen lässt, um draufzuhauen, ist verständlich. Über Twitter lässt er verlauten: „Für 690.000 Euro. Die Familien Quandt und Klatten von BMW kaufen am 09.10.13 die Klimapolitik von Merkel“. Der Politprofi müsste wissen, was für einen Blödsinn er da twittert. Die Grünen betteln auf ihren Internetseiten selbst um Spendengelder und würden eine Großspende sicher nicht zurückweisen. Es ist wirklich lächerlich zu glauben oder zu unterstellen, dass eine Bundesregierung für Peanuts (angesichts von Milliarden-Ausgaben sind das Peanuts) Gesetze ändern würde. Und es ist eine bösartige Unterstellung gegenüber den Quandts und Klattens, sie hätten gespendet, um Einfluss auf die Verbrauchsregeln für Autos zu nehmen.
Der Experte für Verwaltungsrecht Hans-Herbert von Arnim sagte laut Spiegel online: „Formalrechtlich sind die Spenden nicht zu beanstanden. Dennoch haben sie ein Gschmäckle. Ein politischer Zusammenhang zwischen den Großspenden der BMW-Eigentümerfamilie und der für die Autoindustrie günstigen Aktionen der Union sowie ihres Umweltministers liegt nahe.“ Auch er kann sich die Unterstellung nicht verkneifen, dass es einen politischen Zusammenhang gäbe.
Niemand redet darüber, dass auch die SPD im Frühjahr 287.000 Euro von Daimler, BMW und einer Privatperson erhalten hat. Wer sollte denn hier für eine bestimmte politische Entscheidung gewonnen werden?
Wenn Großspenden aus der Industrie so kritisch gesehen werden, dann gibt es nur eine Lösung: Die Politik verbietet künftig Spenden ab einer bestimmten Größenordnung an Parteien. Das wäre der sauberste Weg. Dass die Quandt-/Klatten-Spende vom Timing her nicht gerade glücklich durchdacht war, beweist doch gerade, dass hier niemand Spende gegen Politik eintauschen wollte. Schade nur, dass mit dieser Spende die Glaubwürdigkeit der Autoindustrie in Sachen CO2-Diskussion zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung beschädigt ist. Nun werden sich die industriekritischen Stimmen wieder auf einen „Skandal“ stürzen können, der in den nächsten Tagen die Medien treiben wird. Und die BMW-Anteilseigner-Familie wird sich künftig sehr genau fragen, ob eine Spende Sinn hat, wenn sie einem dann doch nur um die Ohren fliegt. Denn politische Entscheidungen stehen das ganze Jahr über an. So lässt sich jede Spende in einen zeitlichen Zusammenhang zu irgend welchen Entscheidungen bringen.
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