Daimler-Reportage über Niedriglöhne wirft große Schatten auf die S-Klasse-Präsentation

Dass gerade kurz vor dem S-Klasse-Big Bang in Hamburg ein Fernsehbericht und eine Talkshow die Frage stellten, warum der Steuerzahler Schlechtverdiener am Mercedes-Fließband finanziell über Hartz IV unterstützen muss, ist sicher Zufall. Auch wenn die Verschwörungs-Theoretiker im Hause Daimler das anders kommunizieren und von einer Kampagne gegen Firmenchef Dieter Zetsche reden. Es ist auch seltsam, dass weder Betriebsratschef Klemm etwas davon gewusst haben will, dass über Werkverträge Arbeiter zu Dumpinglöhnen eingekauft werden, noch der Personalvorstand Wilfried Porth Anstoß daran genommen hat. Jedenfalls hat es niemand verhindert, dass die intern großartig propagierten Compliance-Regeln, das Grundgesetz zur Firmen-Ethik und allseits anständiger Verhaltensweise mit Füßen getreten wird, wenn Hungerlöhne am Mercedes-Fließband gezahlt werden. „Die Einhaltung sämtlicher arbeitsrechtlicher Vorgaben zur Abgrenzung der Tätigkeiten von Drittfirmen genießt bei Daimler höchste Aufmerksamkeit. Wir bekennen uns ohne Wenn und Aber zu den geltenden Regelungen in Bezug auf Werkverträge und den Einsatz von Fremdarbeitskräften.  Verstöße sind für uns nicht akzeptabel. Wir würden diese auch umgehend abstellen“, erklärte Personalvorstand Wilfried Porth in einer Pressemitteilung.

Daimler beruft sich darauf, dass die mit Werkvertrag beauftragte Firma diese Löhne bezahlt und auch dafür die Verantwortung trägt, nicht aber das Unternehmen. Dort habe man nur den Auftrag an eine externe Firma vergeben. Was die dann ihren Mitarbeitern zahlt, könne man nicht wissen bzw. beeinflussen. Das klingt nicht gerade glaubwürdig. Und es wird Daimler in den nächsten Monaten noch schaden. Die nun angestoßene Diskussion in der Fernsehsendung „Hart, aber fair“ (http://mediathek.daserste.de/sendungen_a-z/561146_hart-aber-fair/14579660_21-00-uhr-hungerlohn-bei-luxusmarken-die-neue) wird Daimler nicht unterbinden können. Am Ende wird Daimler nicht umhin können, diese Art von Arbeitsverhältnissen sofort zu beenden. Darauf muss auch der Betriebsrat drängen, wenn er glaubwürdig bleiben will.

Das Handelsblatt kommentiert online ziemlich treffend:

Daimler könnte mehr Gelassenheit gebrauchen

Am Mittwoch präsentiert der Daimler-Konzern stolz sein Flaggschiff, die neue Mercedes S-Klasse. Alles ist vorbereitet für den großen Event. Bei der S-Klasse muss alles perfekt sein, damit verdienen die Stuttgarter das meiste Geld. Dumm nur, dass ein findiger Journalist des SWR kurz vor der Vorstellung der S-Klasse seine neuesten Recherche-Ergebnisse über Hungerlöhne in Mercedes-Fabriken veröffentlicht. Daimler reagiert ziemlich unbeholfen auf die Reportage, der Journalist habe sich nicht an die Spielregeln gehalten und verdeckt in den Mercedes-Fabriken recherchiert. Hat der Daimler-Konzern noch nie etwas von Undercover-Reportagen gehört?

Da Daimlers oberster Regierungssprecher Jörg Howe selbst Journalist war, sollte er allerdings nicht solche dünnen Ausreden zulassen. Die Nerven liegen offensichtlich blank im Hause. Hat man bei Daimler tatsächlich erwartet, dass der SWR-Reporter erst in der Presseabteilung um eine Erlaubnis nachsucht, recherchieren zu dürfen? Welche Spielregeln soll der Journalist missachtet haben?

Der Film kam natürlich zur Unzeit für Daimler. Aber Rücksichtnahme auf die Party zur S-Klasse kann das Unternehmen nun wirklich nicht erwarten. Das müsste ein PR-Profi wissen. Statt Verantwortung auf andere zu schieben („Verantwortlich für den Niedriglohn ist das beauftragte Unternehmen“), sollte Daimler schnell klarstellen, dass man diese Art Hungerlohn im eigenen Haus nicht duldet. Alles andere wäre schädlich. Fürs Image und für Dieter Zetsche und seine Vorstandskollegen.

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