Citan-Crash-Test-Desaster: Keine Stern-Stunde für Dieter Zetsche

citan„Der Citan ist Zetsches ganz persönliches Projekt. Deshalb steht er auch beim Crash-Test-Desaster in der Management-Verantwortung“, kommentiert ein ehemaliges Daimler-Vorstandsmitglied das Scheitern des mit einem Mercedes-Stern verzierten Renault-Transporters im NCAP-Crashtest. Drei Sterne in einer Transporter-Klasse, in der Ford fünf Sterne für den in etwa vergleichbaren Transit bekommen hat. „Das ist mehr als blamabel. Nicht nur für Mercedes-Benz, sondern für Dieter Zetsche“, lästert ein hochrangiger Marketing-Manager.

Die Verärgerung im Hause Daimler ist groß. Führungskräfte aus dem Entwicklungsbereich nehmen kein Blatt vor den Mund. Sie hätten Zetsche schon 2011 gewarnt, gefleht, die Qualität des Renaults zu verbessern und das Debakel beim Citan vorhergesagt. Verstärkungen der Karosserie hätten allerdings viel Geld gekostet, das sollte aber gespart werden. „Unser Chef ist in Sachen Renault-Kooperation absolut beratungsresistent. Und der Citan-Crash wird nicht der letzte Un-Fall bleiben“, prognostiziert ein Entwicklungsingenieur. „Die Abkehr von unseren Marken-Kernwerten ist offensichtlich. Wir werden das noch sehr zu spüren bekommen. So macht man das Mercedes-Image eigentlich vorsätzlich kaputt.“

Ein Vertriebsmann schimpft: „Das ist für Mercedes-Benz eine Katastrophe.“ Der Manager hält das aktuelle Citan-Debakel gar für den „Anfang vom Ende des Herrn Zetsche“. Nun werde deutlich, dass die Vorbehalte im Aufsichtsrat durchaus berechtigt gewesen seien. „Der Dieter kann es nicht“, zitiert der Spiegel eine Führungskraft.

Während in der Presseabteilung bagatellisierend zu hören ist, dass der Citan die Vorgaben aus dem Lastenheft durchaus erfüllt hätte, nicht wirklich durchgefallen sei, stehen führende Entwicklungsingenieure kopf. Sie sind regelrecht sauer und auch ein wenig schadenfroh, weil man ihre Warnungen nicht ernst genommen hat. „Ein Mercedes hat nicht drittklassige Vorgaben zu erfüllen, sondern die Maßstäbe für Spitzenwerte vorzugeben.“

„Das ist durchaus vergleichbar mit dem A-Klasse-Umfaller beim Elchtest“, sagt der Ingenieur. Und er ergänzt: „Was viele schon vergessen haben: dass Zetsche damals Entwicklungschef bei Mercedes-Benz und auch mit verantwortlich für die Fahrwerkfehler der A-Klasse war.“ Die Warnungen seiner Entwickler habe Zetsche vor allem deshalb in den Wind geschlagen, weil er endlich ein Ergebnis für seine Renault-Strategie vorweisen wollte. Umbauten am Citan hätten nicht nur Millionen Euro, sondern mindestens ein Jahr Entwicklungszeit gekostet.

Immer wieder habe sich Dieter Zetsche „manchmal auch lautstark“ dafür eingesetzt, nun endlich wenigstens ein Renault-Daimler-Projekt schnell auf die Straße zu bringen. Zetsche habe den Citan zu seinem eigenen, ganz persönlichen Projekt gemacht. Alle Warnungen ignorierend habe er dabei fundierte Bedenken in den Wind geschlagen. Sogar der für die Transportersparte verantwortliche Volker Mornhinweg sei anfangs skeptisch gewesen, den Citan baugleich mit dem Renault Kangoo als Mercedes zu verkaufen. Doch der Widerstand des ehemaligen AMG-Chefs erlahmte offensichtlich schnell. „Aus Karriere-Gründen“, wie ein Kollege kommentiert. Mornhinweg sei dann schnell umgeschwenkt und habe seiner Mannschaft gesagt: „Wir machen das!“ Jetzt sei Mornhinweg schwer beschädigt, der bei der Vorstellung des Mercedes-Benz Citan den höheren Preis gegenüber dem Renault Kangoo noch so begründet hatte: „Ich bin davon überzeugt, dass viele künftige Kunden den Citan-Mehrwert aus Sicherheit, Design und Komfort entsprechend wertschätzen werden.“ Heute wissen wir, dass sich der angebliche Mehrwert an Sicherheit beim Crash-Test als leeres Versprechen erwiesen hat.

Wie zu hören ist, soll auch Mercedes-Vertriebschef Joachim Schmidt dagegen gewesen sein, dem Renault-Transporter einen Mercedes-Stern anzuschrauben. Er soll die Niederlassungen angewiesen haben, den Citan „möglichst weit weg von unseren Mercedes-Fahrzeugen zu platzieren“.

Zetsches Vorzeigeprojekt Citan sorgt allenthalben für Verstimmung im Hause Daimler. Und es scheint, als ob der Konzernchef mittlerweile ziemlich allein steht, wenn es um die Kooperation mit Renault geht. Einige in Zetsches Umfeld stellen mittlerweile die Verbindungen mit Renault insgesamt in Frage. „Es könnte sein, dass das ganze Projekt so endet wie unsere Zusammenarbeit mit Mitsubishi und mit Chrysler. Schon jetzt vergeuden wir endlos viel Manpower in Abstimmungs- und Strategiegesprächen bei Renault. Die Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Kooperation überwiegen mittlerweile.“ Dass Zetsche in Bezug auf die Kooperation von Anfang an sehr dünnhäutig ist und durchaus zu ahnen scheint, dass die Marke erodieren könnte, zeigt ein Vorfall aus dem Jahr 2009: Da hatte der Stern von der „A-Klasse à la française“ geschrieben, was bei Zetsche einen Tobsuchtsanfall ausgelöst haben soll, wie Augenzeugen berichten.

Dass der Citan baugleich auch von der Renault-Billigmarke Dacia als Dokker verkauft wird, verstärkt die Zweifel an der Kooperation. Und der Marken-Claim „Das Beste oder nichts“ wird von unzufriedenen Mercedes-Kunden bereits mit „dann lieber nichts“ beantwortet. Es scheint, als ob die Marke Mercedes-Benz jetzt wirklich den Schwenk zur Massenmarke vollzogen hat, was manchen altgedienten Daimler-Mann verzweifeln lässt.

„Eine Billigmarke auf einer Stufe mit Mercedes-Benz – das geht überhaupt nicht“, sagt der Verkaufsleiter einer großen Mercedes-Niederlassung. „Langsam haben wir hier das Gefühl, dass Herr Zetsche keine Ahnung von Markenführung und unserer Premium-Marke Mercedes-Benz hat.“ In Kundengesprächen werde immer häufiger die Frage gestellt, warum Mercedes in die A-Klasse Renault-Motoren einbaut. „Und da fällt einem als Verkäufer nichts wirklich Sinnvolles als Antwort ein.“

Wie Realsatire klingt Dieter Zetsche in einem Interview zur Marken-Position: „Wenn man sich eine Marke als Persönlichkeit vorstellt, ist Mercedes-Benz der Klassenprimus: beste Noten bei Sicherheit, Qualität, Leistung.“ Ob er das heute auch noch so sagen würde?

 

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