H2 – der Kraftstoff der Zukunft? – Mit Wasserstoff kann der Verbrenner  ewig leben

KEYOU-Gründer Thomas Korn

Dass im Verbrennungsmotor auch Wasserstoff verbrannt werden kann, hat BMW schon im Projekt Clean Energy mit dem Zwölfzylinder vor 25 Jahren bewiesen. Das Projekt hat die Showbühne zwar verlassen, aber seit einigen Jahren ist der Verbrenner-Motor mit Wasserstoff wieder Realität. Dank des Münchner Start-ups KEYOU, das einen Wasserstoff-Verbrenner (zunächst) für Nutzfahrzeuge entwickelt hat.

Selbst die Bundesregierung hat die Konzentration auf ihre eingleisige Batterie-Elektromobilität zugunsten der Technologie-Offenheit verlassen und die Wasserstoff-Technologie auf der Zukunfts-Agenda ganz nach oben geschoben. Da Wasserstoff sowohl in der Brennstoffzelle zur Stromerzeugung genutzt werden als auch als Benzin- oder Diesel-Ersatz einen Verbrennungsmotor antreiben kann, scheint Wasserstoff als Kraftstoff der Zukunft mehr als nur Chancen zu haben.

Wir fragten KEYOU-Gründer und Ex-BMWler Thomas Korn nach dem Stand der Dinge:

Ihre Firma setzt auf Wasserstoff im Verbrennungsmotor. Wo liegt der Vorteil gegenüber der Brennstoffzelle?

Robustheit, Lebensdauer, Herstellkosten und eine höhere spezifische Leistungsdichte sind die wichtigsten Vorteile. Letztendlich sind für die erfolgreiche Einführung alternativer Antriebe zwei Punkte entscheidend: A) kann der Antriebsstrang inklusive Energiespeicher ein Fahrzeug wettbewerbsfähig zu konventionellen Fahrzeugen antreiben und B) kann die Technologie rasch skaliert werden und somit effektiven Klimaschutz in kurzer Zeit erreichen. Wasserstoff in

KEYOU-Gründer Thomas Kern

Kombination mit der Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors kann beides leisten und wird somit Wegbereiter für eine auf erneuerbare Energien basierenden Wasserstoffwirtschaft sein. Bei der Skalierbarkeit spielen die Unabhängigkeit von seltenen oder giftigen Rohstoffen, sowie eine vorhandene effektive Produktionsinfrastruktur, eine wichtige Rolle.

Sie konzentrieren sich vor allem auf den Verbrenner im Nutzfahrzeug. Experimentieren Sie damit auch im Pkw bzw. ist das geplant?

Wir haben in der Vergangenheit schon bei BMW und für Aston Martin Fahrzeuge mit Wasserstoffmotor entwickelt. Wir sehen definitiv, dass der Wasserstoffmotor auch im PKW-Segment ein kundenattraktiver Antrieb ist, mit dem Hersteller die CO2-Gesetzgebung effektiv erfüllen können. Auch die Kombination eines Wasserstoffmotors mit dem elektrischen Antriebsstrang, als Voll- oder Mild-Hybrid, wird in Zukunft sehr attraktiv werden. Nach einer erfolgreichen Markteinführung des Wasserstoffmotors im Nutzfahrzeugsegment wird die Technologie zunehmend im PKW-Segment Einzug finden.

Können Sie auf die Erfahrungen bei BMW zurückgreifen bzw. gibt es da eine irgendwie geartete Zusammenarbeit?

Bei der Wasserstoffmotorentwicklung machen kleine Details einen großen Unterschied. Die Erfahrungen unserer Ingenieure, die sie in unterschiedlichen Unternehmen, wie BMW, MAN oder auch in dem Projekt mit Aston Martin sammeln konnten, haben uns geholfen, ein wasserstoffspezifisches Brennverfahren zu entwickeln, welches sich von der Herangehensweise vergangener Entwicklungen grundlegend unterscheidet. Der neue Technologieansatz war entscheidend, um die signifikante Verbesserungen hinsichtlich Wirkungsgrad und Leistungsdichte zu erzielen und gleichzeitig die Stickoxid-Problematik aufzulösen.

Die Firma Linde hatte vor ein paar Jahren einen Wasserstoff-Highway durch Deutschland geplant. Bayern plant eine „Wasserstoff Roadmap Bayern“ – Wie sehen Sie die Chancen einer H-Infrastruktur in Deutschland und Europa?

Deutschland hat erkannt, dass eine erfolgreiche Energiewende und somit eine effektive Sektorkopplung nur mit Wasserstoff als Energiespeicher und Kraftstoff möglich ist. Bei dem Aufbau einer Wasserstoff-Tankstelleninfrastruktur ist Deutschland mit ca. 100 aufgebauten Tankstellen weltweit führend. Dazu sehen wir aktuell neue interessante Technologien, die die Speicherung und Verteilung von Wasserstoff weiter verbessern werden. Wir sind davon überzeugt, dass der Aufbau einer Wasserstoffbetankungsinfrastruktur in Europa weiter an Fahrt aufnimmt.

Arbeiten Sie dabei mit Linde zusammen?

Zusätzlich zu den in der Presse bereits veröffentlichten Kooperationen geben wir aktuell keine  weiteren Informationen.

Wie sieht es damit in anderen europäischen Ländern aus?

Die meisten europäischen Länder haben ehrgeizige Ziele für die Einführung von Wasserstoff als Energiespeicher für erneuerbare Energien und als Kraftsoff in der Mobilität beschlossen. Der jeweilige Erfolg wird von der Schaffung der politischen Rahmenbedingungen abhängen. Werden die Kosten für Umweltschäden konventioneller Energieerzeugung oder dem Verbrennen von Benzin, Diesel oder Kerosin dem jeweiligen Produkt entsprechend berücksichtigt, kann der Strukturwandel rasch gelingen.

BWM ging vor 20 Jahren von tiefgekühltem Wasserstoff aus. Der massiv isolierte Tank füllte fast den ganzen Kofferraum aus, was im Lkw sicher kein großes Problem ist. Welches Speichersystem hat Ihrer Meinung nach die besten Realisierungschancen?

Aktuelle Druckgaswasserstoffspeicher haben heute bereits einen bis zu ca. 20-fachen gewichtsspezifischen Energiespeicherdichtevorteil im Vergleich zu Lithium-Ionen-Batterien, auch die Kosten sind rund 20-mal geringer als bei der Batterie. Trotz dieser Vorteile können Fahrzeuge mit Wasserstoffspeicher jedoch heute noch nicht zu 100 Prozent mit Diesel- oder Benzin-Fahrzeugen konkurrieren, obwohl man bei Lebensdauer, Alltagstauglichkeit oder Betankungszeit sehr nah am Diesel dran ist, selbst beim Thema Kosteneffizienz und Reichweite ist der Diesel in Sichtweite. Flüssiger Wasserstoff ist interessant, kann gerade im Fernverkehr bis zu 50% mehr Reichweite ermöglichen. Erzeugung, Handling und Speicherung von flüssigem Wasserstoff ist jedoch noch sehr aufwendig und teuer.

Wir sehen aktuell einige vielversprechende neue Wasserstoffspeicherentwicklungen, die Sicherheit, Energiespeicherdichte und Kosten auf ein neues Niveau bringen können. Neben LOHC ist aus unserer Sicht die SFEER-Technologie von dem Start-Up Water Stuff & Sun die aktuell aufregendste Entwicklung.

Der Wasserstoff als Kraftstoff der Zukunft glänzt ja nicht gerade mit einer hohen Energie-Effizienz, oder ist das falsch? Ist der von Gegnern behauptete schlechte Wirkungsgrad tatsächlich gegeben?

Man muss Energieeffizienz differenziert betrachten. Die Sonne strahlt für den Menschen nutzbare Energie ab, die den aktuell weltweiten Energieverbrauch um das fünftausendfache übersteigt. Nutzt man nur ein Prozent der weltweit vorhandenen Wüstenflächen, um z.B. Solarthermie-Anlagen zu betreiben, kann bereits der aktuelle gesamte Energiebedarf erzeugt werden. Energie ist der einzige Rohstoff, den wir 24/7 kontinuierlich von außerhalb unseres Planeten geliefert bekommen – und das für uns unvorstellbare, fast unendliche Zeit. In den richtigen Breitengraden zeigen erneuerbare Energien bereits heute niedrigere Energieentstehungskosten, als dies bei konventionellen Kohle-Kraftwerken, oder bei der Nutzung von Erdgas oder Atomenergie der Fall ist.

Die große Herausforderung besteht nun in der kosteneffizienten und effektiven Speicherung sowie der Verteilung der immensen Energiemengen. Und hier hat Energie in elektrischer Form einen entscheidenden Nachteil. Elektrische Energie in Batterien zu speichern oder über Hochspannungsleitungen z.B. aus Nordafrika nach Europa zu transportieren, ist extrem rohstoffaufwendig und daher nicht machbar bzw. extrem schwer finanzierbar.

Die Speicherung von Sonnenenergie in Wasserstoff ist alternativlos, auch wenn bei der Erzeugung z.B. durch Wasserspaltung mittels Elektrolyse 30 bis 40 Prozent der Energie durch Umwandlungsverluste verloren geht. „Billige“ Energie haben wir genug und der Mehraufwand wird durch eine kosteneffiziente Energiespeicherung und Verteilung um ein Vielfaches überkompensiert.

Energieeffizienz hat nur dann Bedeutung, wenn es ein Produkt, z.B. einen LKW, ökologischer und besser macht. Hier schneidet ein batterieelektrischer LKW im Vergleich zu einem LKW mit Wasserstoffverbrennungsmotor und Wasserstoffspeicher deutlich schlechter ab. Sowohl bei der Ökobilanz als auch den Kundenanforderungen, wie Kosten, Reichweite, Betankungszeit, Zuladung und Dauerhaltbarkeit.

Wie groß sehen Sie die Wasserstoff-Chancen im Pkw mit Verbrennungsmotor?

Wir haben in der Vergangenheit bei BMW und für Aston Martin Fahrzeuge mit Wasserstoffmotor entwickelt. Wir sehen definitiv, dass der Wasserstoffmotor auch im PKW-Segment ein kundenattraktiver Antrieb ist, mit dem Hersteller die CO2-Gesetzgebung effektiv erfüllen können. Auch die Kombination eines Wasserstoffmotors mit dem elektrischen Antriebsstrang, als Voll- oder Mild-Hybrid, wird in Zukunft sehr attraktiv werden. Nach einer erfolgreichen Markteinführung des Wasserstoffmotors im Nutzfahrzeugsegment wird die Technologie zunehmend im PKW-Segment Einzug finden.

BMW hatte einen 12-Zylinder für Wasserstoff seriennah entwickelt. Was glauben Sie, warum das Projekt dann doch beendet wurde?

Mitte der 2000er Jahre wurden die Wasserstoffmotorentwicklungen bei BMW und MAN fast zeitgleich beendet. In der Finanzkrise lag der politische Fokus auf der Elektromobilität, die Zeit für den Wasserstoffmotor war damals noch nicht gekommen. Die Bedrohungen des Klimawandels lagen zu der Zeit noch in weiter Ferne, alternative Antriebe mussten kein unmittelbares Problem lösen, sondern sollten in die Zukunft weisen. Das Bewusstsein hat sich in den letzten 15 Jahren sehr verändert und die Politik hat nun mit den CO2-Gesetzgebungen neue Rahmenbedingungen geschaffen und damit dem Wasserstoffmotor die Türen geöffnet.

Die Bundesregierung hat sich ziemlich einseitig auf den Elektromotor mit Batterie festgelegt. Ist dies nicht gegen das Prinzip von Technologie-Offenheit? 

Bei der CO2-Gesetzgebung der EU-Kommission für Nutzfahrzeuge wurden erstmals technologieoffen auch Fahrzeuge mit Wasserstoff-Verbrennungsmotoren als Zero-Emission Fahrzeuge – neben batterieelektrischen Fahrzeugen und Brennstoffzellenfahrzeugen – verankert. Wir hoffen, dass auch die deutsche Politik die Bedeutung des Wasserstoff-Verbrennungsmotors erkennt und zukünftig diese Technologie ebenso fördert, wie dies bei den anderen alternativen Antriebstechnologien der Fall ist. Aber dies wird sicher nicht von heute auf morgen gehen.

Wäre es nicht einfacher, eine Wasserstoff-Infrastruktur zu schaffen als Abertausende von E-Ladesäulen?

Wie bereits erläutert, die Speicherung und Verteilung von elektrischer Energie ist sehr ineffizient. Eine Wasserstofftankstelleninfrastruktur kann bereits mit heutiger Technologie deutlich kosteneffizienter aufgebaut werden. Mit den Weiterentwicklungen, wie der Sfeer-Technologie, besteht weiteres großes Potential.

Gegner von Wasserstoff argumentieren, dass in den nächsten 30 Jahren keine „Massentauglichkeit“ in Sachen Infrastruktur zu schaffen wäre. Wie sehen Sie das?

Japanische und koreanische Hersteller setzten auf die Brennstoffzelle im Pkw. In Bezug auf die Infrastruktur ist es ja gleichgültig, ob Brennstoffzelle oder Verbrenner mit Wasserstoff. Die Brennstoffzelle ist sehr sensibel gegen Verunreinigungen im Kraftstoff oder der Luftzufuhr. Aus diesem Grund benötigt die Brennstoffzelle im Vergleich zum Wasserstoffmotor einen sehr reinen und damit teureren Wasserstoff. Die Betankungstechnologie und auch die Speichertechnologie kann jedoch identisch sein, insofern könnte man in der Tat die gleiche Infrastruktur nutzen. Wie gesagt, der Wasserstoffverbrennungsmotor würde aber bereits mit geringeren Wasserstoffreinheitsgraden auskommen, was sich am Ende natürlich auch positiv auf die Kostenseite auswirkt.

Wasserstoff ist in der Mobilität in jedem Fall wohl der Kraftstoff der Zukunft, oder?

Ohne Wasserstoff ist weder eine erfolgreiche Energiewende noch eine effiziente Sektor-Kopplung zur Mobilität möglich. Eine auf erneuerbare Energien basierende Wasserstoffwirtschaft ist alternativlos und muss zur Rettung des Klimas das Ölzeitalter in kurzer Zeit ablösen.

Was müsste passieren, damit Wasserstoff wieder mehr ins Gespräch und auf politischer Ebene mehr Gewicht bekommt?

Vor kurzem wurde die erste deutsche Wasserstoffstrategie verabschiedet. Das ist der richtige Weg. Nun muss noch erkannt werden, dass der Wasserstoff-Verbrennungsmotor auch Innovationsmotor für alle Wasserstofftechnologien sein kann.

Mehr unter https://www.keyou.de

 

 

4 Kommentare zu "H2 – der Kraftstoff der Zukunft? – Mit Wasserstoff kann der Verbrenner  ewig leben"

  1. Rolf Franz Nieborg | 23. Juni 2020 um 11:24 | Antworten

    Sehr informativer, höchst spannender Beitrag mit hoffentlich langer Lebensdauer…sowie bitte zündend für die Elektrik-Freaks…

  2. HuHu, ich hab den BMW H2 12-Zylinder massgeblich mitentwickelt (E68 und Rekordfzg.), wünsche gutes Gelingen !

  3. Bernd Gottschlich | 17. August 2020 um 16:13 | Antworten

    Die Verteilung der Elektrischen Energie ist sehr ineffizient, obwohl es ein gut ausgebautes elektrisches Netzwerk gibt?
    Sehr viel Ineffizienter ist die Verteilung des Wasserstoffs mittels LKW in Hochdrucktanks in ein zukünftiges Tankstellennetz, wenn man sich die mit einem LKW transportierbare Menge ansieht.

  4. BMW ha un un’ottimo progetto,
    avendo scelto di utilizzare il motore endotermico a Idrogeno.
    Il passo successivo potrebbe consistere nello sviluppare la ricerca per convertire H2O, senza processo elettrolitico direttamente a bordo. Ricerche e sperimentazioni in merito sono in corso. BMW partecipa a questa ricerca?

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