Volvo weiter auf Erfolgskurs: Schon lange weg vom Oberlehrer-Image

Für den schwedischen Automobil-Hersteller Volvo könnte es nicht besser laufen. Erstmals in der Firmengeschichte verkaufte das 2010 vom chinesischen Autobauer Geely von Ford übernommene Unternehmen im letzten Jahr weltweit mehr als eine halbe Million Fahrzeuge. In Deutschland sind die Verkaufszahlen auf über 36.000 gestiegen, ein Plus von über 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Dass Volvo außergewöhnlich gute Autos baut, ist nicht mehr nur dem einst angeblich typischen Volvo-Fahrer vom Typ Oberlehrer bekannt. Abgesehen davon, dass dieses Image noch nie in Sichtweite der Wirklichkeit war, hat sich die Kundenbasis tatsächlich erweitert. Die Marke ist jünger geworden und verzeichnet nun ein Durchschnittsalter der Kunden von etwa 50 Jahren. Da dies die neuen 30 sind, wird deutlich, wie sehr die Marke Jugendlichkeit über technologische Besonderheiten vermittelt, die auch das Design, die formale Qualität, Connectivität und modernen Luxus einschließt.

Mit der Abnabelung vom amerikanischen Massenhersteller Ford und dem dort eng gehaltenen finanziellen Spielraum für Entwicklungen hat es das Volvo-Management verstanden, die Marke technisch und qualitativ wieder als schwedisches Premiumprodukt zu positionieren, neue Kundenkreise zu erschließen und die Botschaft von der „Sicherheit aus Schwedenstahl“ neu zu beleben, obwohl Schwedenstahl in Sachen Sicherheit kaum noch eine Rolle spielt.

Bildschirmfoto 2016-02-17 um 20.38.09

Volvo XC90 in runderneuertem Design

Dass Sicherheit heute nicht mehr nur von einer stahlharten Fahrgastzelle abhängt, sondern von vielen elektronischen Helfern, davon konnten wir uns auf winterlichen Straßen rund um Berchtesgaden überzeugen. Schnee war auf den Straßen allerdings keiner zu sehen, dafür wurden wir auf einem Schnee- und Eis bedeckten Testgelände zum risikofreien Driften und rücksichtlosem Ausloten fahrdynamischer Traktionssysteme belohnt. Und eines vorweg: Volvo ist technologisch nicht nur auf der Höhe der Zeit, sondern in Bezug auf Vernetzung und Assistenz-Elektronik mit an der Spitze der Entwicklung.

Der von uns gefahrene Plug-in Hybrid XC90 T8 Twin Engine mit dem neuen Antrieb der so genannten Drive-E Generation bietet souveränen Fahrspaß ohne irgendwo Abstriche zu machen. Nur die allen Plug-in-Hybriden eigene Schönfärberei beim offiziellen Verbrauch provoziert auch hier lautstarkes Lachen: 2,1 Liter auf 100 km werden da jenseits jeder Realität angegeben, weil die offiziellen Verbrauchs-Messungen (Start mit voller Batterie und ausgedehntem rein elektrischem Fahren) rechnerisch nun mal zu diesem Ergebnis führen. Aber auch die von uns am Bordcomputer abgelesenen acht bis neun Liter dürfen wir angesichts der Fahrleistungen, der Größe des SUV und seines Gewichts von 2,3 Tonnen ohne Bedenken durchaus als sparsam bezeichnen.

Bildschirmfoto 2016-02-17 um 20.38.41

Der iPad große Touchscreen ist intuitiv bedienbar und macht viele Schalter und Knöpfe überflüssig                                                                                                                 Fotos: Volvo

Mit seinen Verbrauchs- und CO2-Werten hat sich dieser Luxus-SUV für das im Herbst letzten Jahres eingeführte E-Kennzeichen qualifiziert. Damit kommt der Fahrer in manchen Städten in den Genuss interessanter Privilegien wie kostenlosem Parken in der Innenstadt oder das Befahren der Busspur. In vielen Kommunen werden erst in diesem Jahr die Regeln für E-Kennzeichen-Autos festgelegt, die den Verkauf dieser E-Modelle anregen sollen.

Dass dieser SUV-Riese über 40 Kilometer rein elektrisch fahren kann, traut man ihm eigentlich nicht zu und haben wir auch nicht ausprobiert. Dazu hat das unvernünftig „dynamische“ Fahren mit dem per Turbolader und Kompressor aufgeladenen 2,0-Liter-Benziner mit seinen 320 PS und dem 87 PS starken Elektromotor zu viel Spaß gemacht. Die dynamische Agilität liest sich so: von 0 auf 100 km/h in 5,6 Sekunden, was auch dem brachialen System-Drehmoment von 640 Newtonmeter zu verdanken ist. Die Spitze von 230 km/h macht vollends klar, was hier Sache ist. Das Gefühl von Dynamik beeindruckt um so mehr, wenn man sich bewusst macht, in welch gewichtigem Fahrzeug man sitzt.

407 PS Systemleistung sind ein Wort. Dass die 320 PS des Benzinmotors ausschließlich an die Vorderräder fließen, die 87 PS des Elektromotors die Hinterräder antreiben, führt auf spiegelglattem Untergrund zu einem etwas indifferenten Fahrverhalten. Der „unechte“ Allradantrieb – viel Leistung vorne, viel weniger hinten– provoziert deutliches Untersteuern, das sich Dank blitzschneller Elektronik aber gut kontrollieren lässt. Wer einen echten Allradler will, dem stehen zwei Benziner, der T5 AWD mit 254 PS, der T6 AWD mit 320 PS und der D5 AWD mit 225 Diesel-PS zur Verfügung. „Echter“ Allrad antrieb deshalb, weil bei den AWD-Modelle der permanente Allradantrieb die Kraft je nach Bedarf elektronisch variabel auf beide Achsen verteilt. Dies kommt zweifellos der Fahrstabilität zu gute.

Ergonomisch in jedem Detail: aufgeräumte Armaturen

Ergonomisch in jedem Detail: aufgeräumte Armaturen

Als wir es auf dem Schnee und Eis bedeckten Testgelände einmal übertrieben haben, registrierte das Sicherheitssystem einen drohenden Unfall und straffte den Sicherheitsgurt mit einer solchen Kraft, dass uns Insassen kurz die Luft wegblieb. Im Falle eines Unfalls wären die Verletzungen mit diesem Gurtstraffer deutlich geringer ausgefallen als ohne Straffung. Die Sicherheitswirkung des Gurtes wird so vervielfacht, weil der Oberkörper nicht erst in die sogenannte Gurtlose fallen muss, um aufgefangen zu werden.

Apropos Bremsen: Der Kreuzungs-Bremsassistent tritt massiv und automatisch auf die Bremse, wenn beim Abbiegen der Fahrer ein entgegenkommendes Fahrzeug übersieht. Viele tödliche Motorradunfälle sind darauf zurück zu führen, dass ein Pkw-Fahrer das entgegenkommende Motorrad übersehen hat. Das System „Run off Road Protection“ wird beim Verlassen der Straße aktiviert und beinhaltet mehrere Sicherheitsaktionen: vom Gurtstraffer (siehe oben) bis zur Lehnen-Verstellung und zum Zurückfahren der Pedale, um Verletzungen im Fußraum abzumildern.

Sicherheitsfeatures gehören zu jenen Extras, die alle haben, aber nie nutzen wollen. Das Fahr-Erlebnis lässt sich dagegen unmittelbar wahrnehmen. Und da macht der Plug-in Hybrid XC90 T8 Twin Engine jederzeit einen sehr guten Eindruck. Vom seidenweich schaltenden Acht-Gang-Automatikgetriebe bis zur (optionalen) adaptiven Luftfederung und der Niveauregulierungs-Automatik, die je nach Beladung immer für die richtige Bodenfreiheit sorgt. Darüber hinaus kann der Fahrer mit der Drive Mode Funktion die Fahr- und Federeigenschaften seinen Wünschen entsprechend wählen.

Eines der herausragenden Neuerungen ist die Radikalität, mit der die Innenraum-Gestalter Knöpfe und Schalter eliminiert haben. Auf dem iPad-großen Bildschirm im Hochformat (9,2 Zoll) im Zentrum der Mittelkonsole ist eine Bedienungsoberfläche gelungen, die geradezu begeistert. Unser Kriterium ist immer die Frage: Kann man das System innerhalb kurzer Zeit verstehen und bedienen, ohne eine Anleitung lesen zu müssen. Hier kann man es. Dieser Touchscreen erklärt sich quasi von selbst. Zusammen mit der digitalen Instrumentenanzeige und dem Head-up-Display steht hier ein intuitives System zur Verfügung, das zu den besten überhaupt gehört. Volvo gehört auf dem Feld der Connectivität und Bedienbarkeit zweifellos zur Spitze.

Schwer vorstellbar, dass das Bedienen dieser Vielfalt an Einstellmöglichkeiten noch besser auf einem Touchscreen zusammengefasst werden könnte. Hier lassen sich auch cloudbasierte Apps für Musik-Streaming und Park & Pay steuern, ein System, das die Parkplatzsuche und das Bezahlen im Parkhaus übernehmen kann. „Apple CarPlay“ und „Android Auto“ integrieren die Oberfläche des Smartphones auf dem großen Bildschirm im Auto.

Die Liste der Extras lässt kaum einen Wunsch offen. So erweitern die adaptive Abstandsautomatik und der Stau-Assistent das Komfort-Spektrum deutlich. Der Stau-Assi folgt in Kurven wie von Geisterhand gelenkt der Straße und bietet teilautonomes Fahren bis 50 km/h. Die Verkehrszeichen-Erkennung passt die Geschwindigkeit automatisch an, was der Fahrer zwar übersteuern kann, aber Flensburger Punkte durch Gedankenlosigkeit vermeiden hilft. Vier Kameras ermöglichen eine echte Vogelperspektive auf das Fahrzeug; das ist sehr hilfreich beim Ein- und Ausparken aus vertrackten und engen Parksituationen.

Der Platz im Innenraum mit bis zu sieben Sitzen ist großzügig bemessen. Überhaupt ist das Raumangebot von üppiger Großzügigkeit. Die Sitze sind sauber geformt, bieten Seitenhalt ohne einzuengen und sind trotz straffer Federung sehr komfortabel ausgelegt. Diese Rundum-Qualität zeichnet nicht nur die SUVs von Volvo aus. Wie sehr sich die Schweden bemühen, im Spitzenfeld der Premiumhersteller wahrgenommen zu werden, fällt auf. Die hehren Ziele sind denn auch recht unbescheiden. Volvo will 2020 erreicht haben, was vielen noch als Fantasterei erscheinen mag: Von diesem Zeitpunkt an soll niemand mehr in einem neuen Volvo bei einem Unfall getötet oder schwer verletzt werden. Wir werden das überprüfen und bleiben dran….

Technische Daten Volvo XC90 T8 Twin Engine:

Fünftüriger SUV, Länge: 4.95 Meter, Breite: 1,96 Meter, Höhe: 1,77 Meter, Radstand: 2,98 Meter, Leergewicht: 2.343 Kilogramm, Tankinhalt: 60 Liter, Motoren: 2-Liter-4-Zylinder mit Turbo- und Kompressor, Leistung: 320 PS / Elektromotor mit max. Leistung von 87 PS, max. Systemleistung 407 PS bei 5.700 U/min, max. System-Drehmoment: 640 Newtonmeter bei 2.200 – 5.400 U/min, 0 – 100 km/h: 5,6 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit: 230 km/h, Verbrauch kombiniert: 2,1 Liter Super/100 km, CO2-Emission: 49 g/km, Preis (Modell Inscription): ab 79.660 Euro

 

 

Kommentar hinterlassen zu "Volvo weiter auf Erfolgskurs: Schon lange weg vom Oberlehrer-Image"

Hinterlasse einen Kommentar

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*