Sollte Volkswagen „Fabbrica Italiana Automobili Torino“ samt Chrysler übernehmen, wäre das langfristig wahrscheinlich das Ende der Marke Fiat

Noch ist es ein Gerücht. Aber auch Gerüchte gerinnen zuweilen zur Realität. Volkswagen soll Interesse am Fiat-Konzern, vor allem an deren amerikanischen Chrysler-Marken haben, die der kanadisch-italienische Fiat-Boss Sergio Marchionne tatsächlich auf Erfolgskurs gebracht zu haben scheint. Gerüchte werden von Betroffenen selten kommentiert, so gut wie nie bestätigt und meistens (zunächst) mehr oder weniger scharf dementiert. Quasi ein Naturgesetz kommunikativer Gepflogenheiten.

“Fiat erklärt, dass es keine Diskussionen mit Volkswagen über einen möglichen Zusammenschluss gibt“, heißt es in einem Artikel der gewöhnlich gut informierten „Detroit Free press“. Aber was heißt das schon? Natürlich geht man nicht in solche Diskussionen, ohne vorher auf den Busch geklopft zu haben. Ein lockeres, total unverbindliches Gespräch bei einem Abendessen der Herren Piëch, Winterkorn und der Familien Agnelli und Elkann als Fiat-Hauptaktionäre über die Möglichkeiten einer irgendwie gearteten Zusammenarbeit könnten sich zum Dessert darauf zugespitzt haben, ob man nicht auch an einen Verkauf bzw. Kauf des Ganzen denken könnte. Ein solches Abtast-Geplänkel fände natürlich nie Eingang in eine Pressemitteilung. Da lässt es sich leicht sagen, man habe nicht verhandelt. Interessen abzutasten sind ganz normal, aber noch keine Verhandlungen. Und wenn Wolfsburg dementiert, „derzeit“ stünde keine Projekte für Fusionen und Übernahmen auf der Agenda, ist das nicht die Unwahrheit. Nächstes Jahr kann alles ganz anders sein. Insofern sind alle Dementis so sinnhaltig wie die ihnen zugrunde liegenden Gerüchte.

Die beidseitigen Dementis auf den Bericht im Manager Magazin könnten auch ganz andere Gründe haben. Denn erst am 1.August haben die Fiat-Aktionäre darüber abzustimmen, ob es überhaupt eine „Fiat Chrysler Automobiles“ Holding geben wird, die ihren Sitz in Holland haben soll. Im Oktober soll die Aktie des dann siebtgrößten Autoherstellers, so plant es Marchionne, an der New York Stock Exchange gehandelt werden.

Nun wird wie wild drauf los spekuliert, was angesichts der Dimension und Folge auf den weltweiten Automarkt durchaus verständlich ist. Der Konzern Volkswagen verkauft immerhin schon jetzt zehn Millionen Autos im Jahr. Die Integration von Fiat Chrysler würde die Wolfsburger zum Nummer-1-Giganten machen.

Dass hinter der langfristigen Konzern-Strategie vor allem Ferdinand Piëch zu finden ist, daran zweifelt niemand. Er ist der einzige reinrassige Automann, der wie ein guter Schachspieler nicht nur zehn Züge im Voraus im Kopf hat, sondern auch als Simultanspieler gleichzeitig an zehn Schachbrettern steht, Züge der Gegner antizipiert und dennoch die Übersicht behält. Da gehen zwar mal ein paar Bauern oder Läufer verloren, Schachmatt gibt es am Ende aber nur für die Gegner.

Niemand sollte also Ferdinand Piëchs Strategie als visionäres Fantasieren abtun. Als er vor etwa 30 Jahren davon sprach, dass es in der fernen Zukunft nur noch etwa acht unabhängige Automobilkonzerne geben würde, konnten sich nicht einmal die ja immer bestens informierten, allwissenden und stets nüchtern analysierenden Analysten vorstellen, dass er Recht behalten könnte. Auf die italienische Autoindustrie bezogen waren damals die Marken Lancia und Alfa Romeo noch zwei unabhängige Autohersteller. Mit eigener Entwicklung, Forschung und Vertriebsabteilung. Aus heutiger Sicht der pure Wahnsinn gnadenloser Ineffizienz. Ja selbst Ferrari war bis 1969 völlig eigenständig. Die Autoindustrie und ihre Besitzverhältnisse sind also schon immer in heftiger Bewegung. Nebenbei: Dass Audi einmal Daimler-Benz gehört hat, kann sich auch niemand mehr vorstellen.

Was ist, wenn Volkswagen Fiat Chrysler tatsächlich übernimmt? Klar, dass Alfa Romeo zu Piëchs Lieblingsmarken gehört, die er in sein Reich integrieren will. Das gilt mit Einschränkung sicher auch für Maserati. Aber Ferdinand Piëch dürfte alles dransetzen, auch Ferrari zu bekommen. Diese Marke fasziniert den Automann seit er Autos konstruiert. Ob mit einem Verkauf von Fiat Chrysler auch diese Ikone der Supersportwagen in die Hände der Wolfs- und Salzburger käme, ist natürlich offen. Ferrari ist eine Goldgrube, obwohl die Marke nur knapp 8.000 Autos im Jahr verkauft und einen enormen Aufwand in der Formel 1 zu stemmen hat.

Volkswagen hätte mit Chrysler in den USA ein etabliertes Vertriebsnetz, das auch den Modellen der Marke VW zugute käme. Und dass Volkswagen viele Marken unter einem Dach zu führen versteht, hat Martin Winterkorns Team bereits bewiesen. Natürlich wachsen mit den Dimensionen auch die Probleme. Winterkorn hat viele Baustellen, auf denen es brennt. Experten kritisieren, dass die Größe des Unternehmens das Management überfordern könnte. Das muss nicht stimmen. Es ist nur eine Frage des Managements. Und hier gibt es tatsächlich einen Schwachpunkt: Alles, die gesamte Führungskultur, das Gravitationszentrum der Macht ist auf ganz wenige Personen an der Spitze ausgerichtet, den Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch und seine Frau Ursula natürlich eingeschlossen. Fällt jemand aus, wird es sehr schwer, den Laden erfolgreich zusammen zu halten.

Die Automarke Fiat würde bei einer Übernahme durch Volkswagen wohl nicht lange als Marke überleben. Ihre Produkte überlappen zu sehr mit denen von VW. Hier gilt es bereits, Marken wie Skoda und Seat zu integrieren. Allerdings gibt es viele Märkte, auf denen Fiat als Marke zu beliebt ist, sie sterben zu lassen. Dort könnten VW-Produkte mit Fiat-Logo eine Zukunft haben. Wie zum Beispiel in Südamerika. Wer hätte je gedacht, dass es einmal Lancia-Logos auf Chrysler-Limousinen gibt, die von Mercedes-Ingenieuren entwickelt wurden? In der Autoindustrie scheint alles möglich zu sein. Jedenfalls langfristig betrachtet.

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