Daimlers Nutzfahrzeug-Chef Wolfgang Bernhard verstößt massiv gegen die Usancen der Branche und redet über den Konkurrenten Volkswagen

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Wolfgang Bernhard verärgert Volkswagen

Wolfgang Bernhard und sein Vorgänger auf dem Daimler-Nutzfahrzeug-Chefsessel Andreas Renschler waren noch nie beste Freunde. Beste Feinde trifft es genau. Im kleinen Kreis reden beide Manager ziemlich offen darüber. Insider glauben sogar zu wissen, dass sie sich „regelrecht hassen“.

Jetzt hat Bernhard einen nicht unbedeutenden Verbal-Sprengsatz Richtung Wolfsburg geworfen, wo sein Daimler-Ex-Kollege und Nutzfahrzeug-Vorgänger Anfang nächsten Jahres dem geliebten Feind in Stuttgart Weltmarktanteile im beinharten LKW-Wettbewerb abnehmen soll. „Und zweifellos abnehmen wird, weil Renschler eindeutig mehr Nutzfahrzeug-Gene besitzt als Herr Bernhard“, weiß ein Daimler-Manager seinen früheren Chef Renschler zu würdigen.

Was ist geschehen, dass sich der Wettbewerbsgraben zwischen Stuttgart und Wolfsburg nicht nur vertieft hat, sondern zu einem „Kampf bis aufs Messer“ zu werden droht, wie ein Insider vermutet?

Wolfgang Bernhard hat etwas getan, was ein Vorstandschef nie und nimmer tun sollte, nein tun darf: öffentlich über einen Wettbewerber reden. Es sei denn lobend. Keinesfalls subtil kritisch. Das ziemt sich bei aller wettbewerblichen Härte einfach nicht. Bernhard hat bei einem Analystentreffen in Berlin offensichtlich behauptet, Volkswagen werde im kommenden Jahr dem US-Hersteller Paccar ein Kaufangebot machen. Selbst wenn dies richtig wäre, ist die öffentliche Verkündung eines solchen Vorhabens durch einen Konkurrenten ein unglaublicher Vorgang, ein „fast schon krimineller Affront“, wie sogar ein Daimler-Mann selbstkritisch urteilt. „Das ist so, wie wenn VW verkünden würde, dass sich Daimler von der Nutzfahrzeugsparte trennt.“ Dies sei „stil- und niveaulos und verstößt gegen sämtliche ungeschriebene Grundgesetze der Branche“. Volkswagen hat Bernhards Äußerungen umgehend und scharf dementiert. Aber sie sind in der Welt.

Laut Managermagazin sieht die Finanzaufsicht BaFin zwar keine Anhaltspunkte für aufsichtsrechtliche Verstöße. Bernhard habe den Analysten nur erzählt, welche Gerüchte es am Markt gebe. Das ist eine lächerliche Bagatellisierung einer vorsichtig lavierenden Behörde. Mag sein, dass das öffentliche Weiterverbreiten von Gerüchten über Wettbewerber durch Vorstände zulässig sein mag, „es ist im Sinne fairen Wettbewerbs ein jämmerlicher Stil von unglaublicher Niveaulosigkeit“, rügt ein bekannter Automanager, ohne genannt werden zu wollen.

Was hat sich Wolfgang Bernhard dabei gedacht, der in seiner wechselvollen Karriere nicht nur Volkswagen- und Daimler-Vorstand war und dort jeweils gegangen wurde, um bei Daimler unter CEO Dieter Zetsche erneut zu reüssieren und der als Schrecken aller Betriebsräte gilt? Seine vielfach kolportierten Äußerungen über Mercedes-Benz („Sanierungsfall, bei dem Blut fließen werde“) sind beim Daimler-Betriebsrat nicht vergessen. Will er seinem Ex-Kollegen und Erz-Rivalen Renschler bei Volkswagen ein paar Steine in den Weg legen? Will er Analysten die bei einem Kauf von Paccar fälligen Milliarden-Kosten auf Seiten Volkswagen deutlich machen? Paccars Börsenwert wird zur Zeit auf über 20 Milliarden Dollar taxiert. Das Unternehmen steht blendend da und ist mit seinen Marken Kenworth, Peterbilt und DAF bestens aufgestellt.

Selbst die Experten rätseln über Bernhards Absichten. „Analyst Warburton bezeichnete die Aussagen Bernhards als Bombe. Arndt Ellinghorst, Analyst der ISI Group, und ebenfalls Teilnehmer der Berliner Runde, nannte als ,einzigen rationalen Grund` für dessen Aussagen, dass er ,das Leben für jeden schwierig machen will, der die Branche konsolidieren will, schreibt das Manager-Magazin.

So richtig weiß niemand, wann die Feindschaft zwischen Bernhard und Renschler begonnen hat. Der Knackpunkt könnte noch in der Schrempp-Ära liegen, als sich Bernhard ziemlich rüde gegen Jürgen E. Schrempp aufgelehnt, oder besser: aufgespielt hat und in der Konsequenz auf den Top-Job als Mercedes-Chef verzichten musste, für den er bereits offiziell nominiert war. Zufällig saß ich kurz nach dieser Nominierung bei einem Chrysler-Abendessen in der ehemaligen Villa von Frank Sinatra mit anderen Journalisten an Bernhards Tisch. Wie die Kollegen auch wunderte ich mich über die recht selbstherrliche Art Bernhards, mit der er sich im Voraus als Mr. Mercedes gerierte, der er noch gar nicht war. Auf jeden Fall konnten und sollten wir den Eindruck gewinnen, dass bei Mercedes unter Jürgen Hubbert alles falsch gelaufen sein musste und die Marke mit dem Stern mit seinem Antritt wieder an Glanz gewinnen würde. Bernhards Selbstverständnis ist von seltener Eitelkeit geprägt. Als er 2003 in Detroit zu James-Bond-Musik als eine Art Möchtegern-007 ein gigantisches Motorrad auf die Bühne fuhr, war nicht nur der DaimlerChrysler-Vorstand seltsam berührt. Und als er ebenfalls in Detroit dem von Jürgen Hubbert gerade vorgestellten SLR McLaren mit einem Chrysler-Supersportwagen auf dem gegenüber liegenden Messestand in die Parade fuhr, war Mr. Mercedes mit Recht sauer. Dass Bernhard Hubbert zeigen wollte, „wie man einen richtigen Supersportwagen baut“, war ein Affront ohnegleichen. Wie es heißt, soll Hubbert völlig überrascht und regelrecht zornig worden sein. Der Chrysler-Supersportwagen kam wie das Supermotorrad über ein Concept allerdings nie hinaus.

Als Wolfgang Bernhard nach seinem Vorstandsjob bei VW und einer Station beim Investor Cerberus wieder bei Daimler anheuerte, wunderten sich viele seiner Weggenossen. Er startete ganz bescheiden als Chef der Transporter-Sparte. Bernhard hielt sich völlig zurück, tauchte kaum in den Medien auf. Auch als Mercedes-Benz-Produktions- und Einkaufschef hielt er sich so ganz gegen sein Naturell im Hintergrund. Die Rochade mit seinem Rivalen Renschler hat ihn wieder in den Vordergrund gerückt. Geschickt vermarktet er nun die Dinge für sich, die sein Vorgänger Renschler als Lkw-Vorstand angeschoben hat. Auch den Erfolg der Daimler-Nutzfahrzeuge. Adieu Bescheidenheit. Mit dem Paukenschlag vor den Investoren in Berlin scheint der alte Bernhard wieder da zu sein. Ob er sich doch noch Hoffnungen macht, irgendwann Dieter Zetsche als Daimler-Boss beerben zu können?

"James Benz" Wolgang Bernhard 2003 in Detroit

„James Benz“ Wolfgang Bernhard 2003 in Detroit

 

 

 

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