Das war kein guter Tag für die DFB-Elf und für Mercedes-Benz

In unserer politisch überkorrekten Welt, haben menschliche Fehler keinen Platz. Selbst was nicht strafbar ist, wird moralisch verurteilt. Der Unfall nahe dem WM-Trainingslager der deutschen Nationalmannschaft in Südtirol mit einem leicht und einem schwer Verletzten ist zweifellos menschlichem Versagen geschuldet. Möglicherweise drohen sogar strafrechtliche Konsequenzen. Die Verantwortung für den Unfall haben aber weder der Fahrer noch der schwer verletzte Passant, selbst wenn er die abgesperrte Straße widerrechtlich betreten haben sollte.

Die Verantwortung tragen der DFB und Sponsor Mercedes-Benz, die eine solche Demo-Fahrt auf einer so engen Straße gar nicht erst hätten durchführen dürfen. Und der entschuldigende Hinweis auf die Sperrung der Strecke, ist eine Nebelkerze. Gesperrt war die Strecke offensichtlich nur für Autos. Für Fußgänger hätte man sie gar nicht zuverlässig dicht machen können. Denn die Straße führt an einem Ferienhotel mit Gästeparkplatz vorbei, da konnte niemand sicherstellen, dass keine Fußgänger unterwegs sein würden.

Wer zwei Rennfahrer mit dem Auftrag auf eine solche (auch noch nasse) Straße schickt, den beiden Fahrgästen aus der Nationalmannschaft mal zu zeigen, was fahrerisch geht, handelt verantwortungslos. Punkt. Auch gegenüber den jungen Rennfahrern, die natürlich ein bisschen mehr zeigen wollten, als Otto Normalfahrer zeigen kann.

Verantwortung trägt auch die Gemeindeverwaltung bzw. Polizei, die diese Testfahrt genehmigt hatte. Stolz darauf, dass die deutsche Nationalmannschaft gerade dort ihr Trainingslager veranstaltete, wollte man den Wunsch der Deutschen nicht abschlagen, konnte aber auch nicht sicherstellen, dass keine Fußgänger unterwegs sein würden.

Wir können uns glücklich schätzen, dass der schwer verletzte Mann außer Lebensgefahr ist. Ein toter Passant wäre furchtbar gewesen und hätte gravierende Folgen gehabt. Die psychologische Belastung auf die Nationalmannschaft hätte sogar das Projekt WM gefährden können, Formel-1-Fahrer Nico Rosberg und sein DTM-Kollege Pascal Wehrlein hätten nicht mehr unbefangen in eine Auto steigen können, Mercedes-Benz und DFB-Manager Oliver Bierhoff hätten sich noch schwereren Vorwürfen ausgesetzt gesehen als jetzt. Rücktritte nicht ausgeschlossen. So schlimm ist es glücklicher Weise nicht gekommen.

Der Unfallhergang ist ziemlich aufgeklärt: DTM-Pilot Pascal Wehrlein hatte keinen ausreichenden Sicherheitsabstand zu dem vor ihm fahrenden Nico Rosberg eingehalten. Als Rosberg scharf bremsen musste, weil eine Fußgängerin auftauchte, konnte Wehrlein den Auffahr-Crash nur durch ein Ausweichmanöver vermeiden, was wohl jeder andere Autofahrer instinktiv genauso gemacht hätte. Und für einen DTM-Piloten sind Berührungen im Pulk fast schon normal, also für Wehrlein scheint sich die Frage nach dem Sicherheitsabstand gar nicht gestellt zu haben.

Nun den Fahrer oder gar den Fußgänger verantwortlich zu machen, wäre dennoch völlig daneben. Auch der Passant, der dort nicht hätte stehen oder gehen dürfen (wieso eigentlich nicht?), ist nicht schuld. Es lag ganz klar in der Verantwortung der Organisatoren dieser PR-Aktion, Vorkehrungen zu treffen, um einen solchen Unfall unter allen Umständen zu vermeiden; am besten darin, eine solche „Produktvorstellung“ auf einer so engen Straße gar nicht erst zu veranstalten.

Als geradezu peinlich habe ich die Pressekonferenz zum Unfall empfunden. Keiner der Befragten kam ernsthaft und konkret über ein wohl selbstverständliches, allgemeines „tiefstes Bedauern“ hinaus. Dass nicht einmal der Polizeichef Hans Ramoser aus Bozen die Frage beantworten konnte, ob auf der gesperrten Straße damit auch das Tempolimit aufgehoben war, ist bezeichnend. „Die Strecke war sicher und abgesperrt. An jeder Ecke war ein Streckenposten. Bei uns gibt es viele Vorfälle, wo die Strecke gesichert wird, und ich kann ihnen versprechen: Die Strecke war sicher.“ Was soll diese Rechtfertigung? Wenn die Strecke sicher gewesen wäre, hätte es keinen Unfall gegeben.

Mercedes-Sprecherin Claudia Merzbach wollte keine Aussagen zu möglichen Schadenersatz-Zahlungen machen, was juristisch richtig gewesen sein mag, mich aber an jenen Busunfall des ehemaligen Mercedes-Chefs Werner Niefer erinnerte. Der hatte unter erheblichem Alkoholeinfluss mit einem Bus in Rom eine deutsche Passantin schwer verletzt. Mercedes verweigerte mit allen rechtlichen Mitteln eine großzügige Schmerzensgeld-Regelung, für die erst Opfer-Anwalt Rezzo Schlauch kämpfen musste. So weit wird es diesmal hoffenlich nicht kommen müssen.

Sicher werden die Video-Aufzeichungen das Geschehen erhellen, die für Werbezwecke gemacht wurden. Es ist schwer vorstellbar, dass ein Formel-1- und ein DTM-Pilot mit leistungsstarken AMG-Fahrzeugen im Schritttempo über diese enge Straße gefahren sind. Es war ja offensichtlich Sinn der Sache, den Fußballspielern zu zeigen, was fahrerisch möglich ist. Als DFB-Manager Oliver Bierhoff im Plauderton vor dem Unfall berichtete, dass „Rosberg den Nationalspielern nachher ein bisschen zeigen wird, was man nicht machen sollte: zu schnell durch die Kurve fahren zum Bespiel“, war klar, was mit „Produktvorstellung“ gemeint war. Dass am gleichen Tage auch noch bekannt wurde, Bundestrainer Jogi Löw musste den Führerschein wegen mehrerer Tempovergehen abgeben, hat das Image des DFB als institutionelles Vorbild für die Jugend nicht gerade befördert. Das ist schade, aber keine Tragödie. Dass die beiden Rennfahrer die Unfallopfer im Krankenhaus besucht haben, war die richtige Geste. Das Verweigern einer großzügigen finanziellen Schmerzensgeld-Regelung wäre die falsche.

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