Kaum habe ich auto motor und sport kritisiert, muss ich die Redaktion loben – Der traditionelle ams-Kongress zur Mobilität ist eine Veranstaltung mit Substanz

auto-motor-und-sport-1Exzellent organisiert, spannende Themen, renommierte und kompetente Redner und eine Menge wertvoller Erkenntnisse: Das ist die Summe eines langen Tages ohne jede Langeweile.

Es gibt Veranstaltungen, die man nur einmal besucht, weil sie Zeitverschwendung sind. Es gibt aber auch solche, die man in sich aufsaugen kann, weil sie nicht nur Bekanntes repetieren, sondern selbst Insidern Themen näher bringen, die man so tief noch nicht verinnerlicht hatte. Das ist dem Verlag Motorpresse auch dieses Jahr gelungen.

Das Themen-Spektrum reichte von der Diskussion um strengere EU-Grenzwerte bis zum Erfolg von Car-sharing-Projekten, vom stadtgerechten Auto und einem spannenden Audi-Projekt bis zur politischen Dimension und der Meinung des grünen Verkehrsministers von Baden-Württemberg. Geerdet wurden wir doch so anspruchsvollen Autofahrer von einem Universitätsprojekt der TU München und einer Universität in Afrika, die Mobilitätsbedürfnisse ganz anders, viel schlichter definieren als wir von vielen Assistenzsystemen verwöhnten Kunden. In Afrika, so konnten wir hören, geht es um ganz primitive Fortbewegung und Transportmöglichkeiten im ländlichen Raum. Fahrzeuge müssen robust, leicht zu reparieren und billig sein. Dort geht es nicht um elektronische Helfer, sondern oft um einfachste Transportlösungen vor allem in der Landwirtschaft.

Dieskussionsrunde beim ams-Kongress 2014: ams-Herausgeber Bernd Ostmann (link) im Diskurs mit Verkehrsminister Herrmann (rechts neben ihm). Foto: ams

Dieskussionsrunde beim ams-Kongress 2014: ams-Herausgeber Bernd Ostmann (link) im Diskurs mit Verkehrsminister Herrmann (rechts neben ihm). Foto: ams

Diskussions-Runden, so genannte Panels, griffen viele Themen  und  widerstreitende Meinungen spannend auf und rückten ein paar Dinge gerade, die in der öffentlichen Wahrnehmung nicht so klar erkennbar sind.

Die Frage, ob 95 CO2 g/km Flottendurchschnitt bis 2020 bzw. 2021 zu schaffen sind, wurde von den anwesenden Experten aus der Auto- und Zulieferindustrie eindeutig bejaht aber auch kritisch gesehen. Das Erreichen dieses Ziels kostet zwischen 1000 und 3000 Euro pro Fahrzeug schätzt Autozulieferer-Entwicklungschef Peter Gutzmer von Schaeffler. Er kann sich technisch zwar einen Dreizylinder selbst in der Oberklasse vorstellen, fraglich aber sei, ob der Markt dies annehmen würde. Am Rande war dann auch zu hören, dass die Autohersteller für Europa und die nicht so strengen Märkte wie USA unterschiedliche Fahrzeuge bauen müssten.

Fritz Steinparzer, Leiter der Dieselmotoren-Entwicklung bei BMW in Steyr dämpfte den Optimismus und goss realitätsnahes Wasser in den Wein der anwesenden Optimisten, an vorderster Front Baden-Württembergs grüner Verkehrsminister Winfried Herrmann, der forderte, dass Europa vorbildlich voran gehen müsse, um das Weltklima zu retten. So hat er es nicht gesagt, aber gemeint, was für einen Grünen unvermeidbar ist. Aber plausibel und unpolemisch argumentiert hat er, das müssen wohl auch seine Gegner konzedieren.

Dass er den smog in Peking und CO2 geschickt miteinander vermengte, sei ihm nachgesehen. Denn schließlich ist ja auch der Rußfilter erst nach Vorgaben der Politik eingeführt worden. Und Herrmanns Hinweis auf die industriellen Widerstände bei der Einführung des Katalysators in den Achtzigern ist auch zu akzeptieren.

Der BMW-Ingenieur Steinparzer ist überzeugt, dass die 95 Gramm nur mit einer breiten Flotte von Elektroautos zu schaffen sei. Dies könne zu einem Knackpunkt werden, denn die Elektrifizierung sei teuer. „Und die Kunden sind noch nicht bereit, dafür viel Geld auszugeben.“ Was bisher geleistet wurde und bis 2020 zu leisten ist, brachte er so auf den Punkt: „“Von 2000 bis 2020 werden wir eine Halbierung der Emissionen erreichen“, ist Steinparzer überzeugt. „Andere Emissionen wie den Stickstoffausstoß haben wir um den Faktor 10 reduziert.“ Da konnte selbst der grüne Minister anerkennend nicken.

Allerdings wurde sich die Runde nicht einig darüber, wie es weiter gehen könnte. Während der Minister noch viel strengere Grenzwerte nach 2021 für richtig hält („Strenge Grenzwerte treiben die Innovationen“),  kam Widerspruch vor allem von den Vertretern der Hersteller, dass man die Schraube auch überdrehen könne. Verwundert hat mich die Aussage des Ex-Toyota-Deutschland-Chefs Ulrich Selzer. „Ich bin da ganz bei der Politik: Lasst uns die Latte höher legen“, so Selzer. „Wir orientieren uns an den Märkten, wo die Anforderungen am höchsten sind, und das ist Europa.“ Toyota richte daran seine Autos aus. Die USA seien dagegen kein Vorbild, denn dort sei die Energie noch viel zu billig.

Das klang gut. Toyota als Hybrid-Pionier und grüner Hersteller kommt immer gut an. Allerdings wird von den Toyota-Protagonisten dabei gerne verschwiegen, dass gerade diese Marke in den USA viel Geld damit verdient, dort den absoluten Spritsäufer zu verkaufen: den überdimensionalen Tundra (Werbung: „That´s really big!“) mit 5,7 Liter V8 und einem Norm-Durchschnittsverbrauch von 18 Liter Super. Also auch Toyota lebt davon, Kundenwünsche des Marktes zu erfüllen. Und erfüllt sie gerne.

Und neben vielen anderen Erkenntnissen konnten die Teilnehmer des ams-Kongresses auch diese Botschaft mit nach Hause nehmen: Während alle Welt meint, dass Norwegen seinen Elektroautoboom dem Umweltschutz-Bewusstsein seiner Bürger verdankt, ist die Wahrheit doch etwas banaler, wie der Chefredakteur des ams-Schwesterblattes aus Norwegen berichtete: Die Norweger kaufen Elektroautos vor allem aus Kostengründen. Denn diese Fahrzeuge sind völlig von der Steuer befreit und die Batterien können in Oslo kostenlos aufgeladen werden. Daneben gibt es noch viele andere Vorteile, von denen sich die Bundesregierung ein paar Scheiben abschneiden sollte. Es reicht eben nicht, sich wie die Kanzlerin nur zu wünschen, dass 2020 eine Millionen Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen rollen sollen. Die Norweger sind da weiter, nicht umweltbewusster.

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