Unterwegs im BMW i3: The sound of silence – oder wie ich lernte, das Elektroauto zu lieben

Halten wir uns nicht all zu lange mit den Fahreindrücken auf. Fest steht: Der i3 verblüfft bei jedem Ampelstart, vermittelt sportive Dynamik, BMW typische Agilität und rundherum Freude am Fahren. 7,2 Sekunden auf 100 km/h sind ein Wort. Der Wert in Zahlen sagt aber weniger als die subjektive Wahrnehmung, denn unsere Erwartung ans Fahren mit Strom stellt sich eher auf sanfte Beschleunigung ein. Die technischen Daten wie 125 kW/170 PS werden von der Wahrnehmung weit übertroffen. Und dann rauscht der i3 so vehement Richtung Horizont, dass ich mir ein „Waaahnsinn…!“ nicht verkneifen kann. Das kaum hörbare, gleichwohl faszinierende Summen des Hybrid-Synchron-Elektromotors klingt nach Zukunft. Nicht nach Straßenbahn, wie ich einmal dachte. Vergessen wir also unsere Vorurteile. Der BMW i3 räumt sie alle ab. Auch das der beschränkten Reichweite.

Wenn ich in meinem Diesel eine Restreichweite von 150 Kilometer auf dem Display lese, denke ich sofort ans Tanken. Im BMW i3 müssen, nein dürfen wir umdenken. Der Pawlowsche Tank-Reflex ist hier überflüssig, wenn man nicht gerade mit dem i3 von München nach Hamburg fahren will. Dass aber auch das mit Range-Extender tatsächlich geht, möchte man bei BMW nicht an die große Glocke hängen und ist für viele sicher eine Überraschung. Und gelesen habe ich es bislang nirgendwo. Das Wie beschreibe ich später.

Fangen wir also bei der größten Überzeugungshürde an: Wie weit komme ich? Als Reichweiten-Fetischist fällt es mir zunächst (!) schwer, mich auf 150 oder 160 Kilometer beschränken zu lassen. Das zu akzeptieren, kostet noch Überwindung. Aber ich glaube, dass wir uns schnell daran gewöhnen können, wenn wir uns erst einmal auf einen veränderten Umgang mit Elektrofahrzeugen eingestellt haben. Wir müssen etwas anders planen, anders fahren und anders „tanken“.  Und vielleicht folgen wir auch mal einer Empfehlung auf der dafür entwickelten i3-App, dass wir nahtlos und ohne Zeitverlust auf die S-Bahn XY umsteigen könnten, deren Haltestelle wir in sieben Minuten erreichen. Die Entwickler haben wirklich an alles gedacht, den i3 in eine mehrdimensionale Verkehrs-Infrastruktur zu integrieren.

Zur Überwindung von Vorurteilen gehört eine nüchterne Bedarfs-Analyse an. Bleiben Sie also locker und entspannt, vergessen Sie mal alles, was Sie unter elektrischem Fahren im Kleinhirn abgespeichert haben (z.B. mangelnde Reichweite, fehlende Dynamik, emotionslos summende Langeweile).

Wenn ich darüber nachdenke, wie weit ich in der Regel fahre, wird schnell klar: 150 Kilometer reichen allemal für die Fahrt vom Ammersee zum Münchner Flughafen, ins Büro in Schwabing oder zum Einkaufen in Augsburg. Und wenn am Zielort auch noch eine Ladestation zur Verfügung steht, löst sich das „Reichweiten-Problem“ CO2frei in Luft auf. Aber selbst ohne die Lademöglichkeit am Zielort sind 150 Kilometer mehr als ausreichend, meine Alltags-Fahrten zu bewältigen und wieder sicher nach Hause zu kommen. Wir fahren kaum alltäglich 75 Kilometer in eine Richtung.

BMW i3 Innenraum mit Einstieg ohne B-Säule

BMW i3 Innenraum mit Einstieg ohne B-Säule

Auf meiner Testfahrt in Amsterdam wurde mir schnell klar, dass die Befürchtung, mit leerer Batterie liegen zu bleiben, völlig überflüssig ist. 150 Kilometer im Stadtbereich sind verdammt lang. BMW scheint es geschafft zu haben, 150 Kilometer physikalisch zu dehnen.

Wir sind durch jahrelang absolvierte Tank-Rituale irgendwie falsch programmiert. Ohne vollen Tank wollen wir eigentlich nie losfahren. Ausgerechnet beim reichweitenkritischen Elektroauto werden wir genau das praktizieren: Immer mit vollem „Tank“ losfahren. Denn: Es wird in absehbarer Zukunft mehr Elektrozapfstellen als Tankstellen geben. Wenn einmal jede zehnte Parkuhr, jeder zehnte Parkhausparkplatz, jedes Einkaufszentrum mit Ladestationen ausgestattet ist, dann werden wir keinen Gedanken mehr daran verschwenden, ob wir noch zu Hause ankommen. Und auch dort werden wir bald schon instinktiv den Stecker unserer Ladestation mit dem i3 verbinden, wie wir das mit dem Handy, ja sogar mit der elektrischen Zahnbürste längst gewohnt sind: Wir hängen sie inzwischen ziemlich gedankenlos und selbstverständlich ans induktiv vernetzte Ladekabel. Apropos: Induktives „Tanken“ ist vielleicht der nächste (im Sinne der Bequemlichkeit notwendige) Schritt in Sachen e-Moblilität. BMW_i3_004

So weit sind wir natürlich noch nicht. Induktives Laden der Batterie würde mehr Bequemlichkeit bringen, aber am Prinzip nichts ändern, dass wir überall nachtanken können, wo ein Stromanschluss vorhanden ist. Anders als in Holland sind Stromtankstellen in Deutschland noch rar, obwohl die Kanzlerin bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf den Straßen sehen will. Die Politik fordert von der Autoindustrie ziemlich eindimensional die Elektrifizierung des Individualverkehrs, ohne sich wirklich auch um eine adäquate Infrastruktur zu bemühen. Die Autoindustrie ist ja auch nicht fürs Tankstellennetz verantwortlich zu machen.

Der i3 ist eine echte Überraschung. Als ich mich zum ersten Mal mit ihm beschäftigte, war ich eher skeptisch. Heute bin ich begeistert und ganz sicher, dass BMW mit dem Konzept Erfolg haben wird. Der i3 ist nicht nur ein elektrisch angetriebenes Automobil, sondern ein in allen Facetten nachhaltiges und sauber durchdachtes Mobilitätssystem.

Zum ersten Mal sehe ich hier die extreme Konsequenz belohnt, mit der BMW ans Werk gegangen ist. Weil es nur vordergründig ökologisch wäre, mit Strom zu fahren, die Produktion aber weiter mit Elektrizität aus Kohle zu erzeugen, wird der i3 tatsächlich nur mit regenerativem Strom in Leipzig produziert, der mit eigenen Windrädern erzeugt wird.  Nur der Strom aus Kohlekraftwerken zum Nachladen ist gewissermaßen noch ein ökologisches Handicap. Dass es aber sinnvoll sein kann, in dichten Ballungsräumen abgasfrei zu fahren, wissen wir seit den dramatisch undurchsichtigen Smog-Wetterlagen in Shanghai und Peking.

Der i3 ist mehr als ein technisches Konzept. Er ist ein umfassendes System individueller Mobilität mit geradezu genialer Vernetzung ins öffentliche Verkehrssystem. Doch der Reihe nach. Warum hat BMW für die Pressevorstellung ausgerechnet Amsterdam ausgesucht? Ganz einfach: Weil man dort bereits Hunderte von Ladestationen installiert hat. Auf dem Navigationsdisplay wird nicht nur das Straßennetz sichtbar, sondern auch jede einzelne Stromzapfsäule. Und ich kann auch erkennen, ob sie frei oder belegt ist. Das Navi zeigt mir darüber hinaus auch, wie weit ich mit meiner Fahrweise komme. Das ist aber nicht nur ein Kreis auf einer Karte, sondern ein genaues Abbild der Reichweite, die je nach Verkehrsdichte in die eine oder andere Richtung variiert.

Bei einem Strompreis von 27 Cent kosten 100 km zur Zeit etwa soviel wie 2,5 Liter Dieselkraftstoff. Auch im effizient-dynamischen BMW 125d ist das nicht zu schaffen. Insofern ist die Frage, ob der i3 mit seinem Grundpreis von 35.000 Euro teuer ist, nur relativ zu beantworten. Der i3 ist ja nicht nur sparsamer in Bezug auf die Energiekosten, sondern auch in Sachen Wartung, die fast zum Nulltarif zu haben ist. Ölwechsel gibt es nicht, der Motor ist wartungsfrei.

Doch noch ein Kritikpunkt, den es anzumerken gilt: das Design. Mir erscheint das Gesicht des i3 ein wenig zu kindlich geraten, sympathisch zwar, aber nicht erwachsen genug. Aber dafür gibt es ja bald den i8 mit dem Design eines echten Sportwagens.

Wie kommt man nun ohne Ladestation von München nach Hamburg? Mit dem Range-Extender, einem Zweizylinder im Heck, der die Batterie auflädt und die Ladung fahrtüchtig hält. Weil die amerikanischen Zulassungsbestimmungen Elektrofahrzeuge nur anerkennen, wenn sie überwiegend elektrisch betrieben werden, dürfen zusätzliche Benzinmotoren (Range-Extender) nicht mehr Reichweite bieten als die Batterie. Der Tank im i3 fasst neun Liter, damit bekomme ich Strom für 150 Kilometer. Ich muss also nur den Tank immer wieder auffüllen, um weiter zu kommen. Das ist allerdings nicht Sinn der Sache. Wir wollen ja künftig elektrisch fahren.

Fortsetzung folgt.

2 Kommentare zu "Unterwegs im BMW i3: The sound of silence – oder wie ich lernte, das Elektroauto zu lieben"

  1. Die Begeisterung über den I 3 kann ich in Teilen nachvollziehen.
    Der Range Extender (Opel Ampera, Chevrolet Volt) ist jedoch wirklich nicht der Rede wert.

    Zudem stellt sich die Frage warum diese beiden Fahrzeuge einen „gleichzeitigen“ Betrieb nicht zulassen und somit kein klassischer PlugIn Hybrid sind…. ebensowenig wie der BMW…. dies wäre allerdings die weit ehrlichere Bezeichnung! Beim Thema Hybrid fahren die deutschen Automobilherstellern ihren fernöstlichen Konkurrenten allerdings weit hinterher.

  2. Rolf Leuchtenberger | 13. Mai 2014 um 09:38 | Antworten

    P.G. hat (mal wieder) so ziemlich alles gesagt was es über das BMW i-Konzept zu sagen gibt.
    Wer sich den i3 (45Tsd€ mit guter SA) leisten kann, hat sicherlich auch eine Garage mit Stromanschluss.
    Und ‚Lieschen Müller‘, die unter der Laterne parkt, muss wohl noch ein bisschen warten!

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