Selten hat eine Personalentscheidung die Wolfsburg so erschüttert wie der Abgang, besser Rauswurf von Herbert Diess. Er kam für die meisten so überraschend wie der berühmte Blitz aus blauem Himmel. Nur sehr wenige Insider ahnten seit ein paar Wochen, dass Diess den Sommer als Konzernlenker nicht überleben würde.
Die Höflichkeitsfloskeln vom „gegenseitigen Einvernehmen der Trennung“, von der „großen Leistung Diess´bei der Transformation“: geschenkt. Fasst man alle Informationen und Gerüchte über die Gründe für den Rauswurf zusammen, lässt sich festhalten, dass „der von Ehrgeiz zerfressene, extrem eitle und rechthaberische Diess (so eine Führungskraft in Wolfsburg) wohl an sich selbst gescheitert ist“.
Aus der Gerüchteküche: Geht Diess zu Tesla?
Diess habe zu viel auf einmal gewollt, keine Rücksicht auf andere und ihre Meinungen genommen, einen selbstherrlichen Führungsstil gepflegt und – man höre und staune – seine „einseitige Strategie Richtung E-Mobilität“ bei jeder Gelegenheit jedem aufgedrängt, der das nicht hören wollte. Als geradezu peinlich haben viele die Selfies mit Elon Musk und seinen Ritt auf dem motorisierten Audi-Surfbrett im Wolfsburger Kanal empfunden. Das sind sicher nur Petitessen, aber sie runden ein Bild ab, das einen von seiner Unfehlbarkeit überzeugten Manager zeigt, der viel versprochen, aber nicht geliefert hat. Die vor einem Jahr ihm zugebilligte Vertragsverlängerung sichert Diess für weitere drei Jahre ein bekömmliches Auskommen. Dass nun das Gerücht aus den USA herüberwabert (wo sich Diess gerade im Urlaub befindet), Herbert Diess könnte zu Tesla wechseln, ist so abwegig nicht. Elon Musk würde die drei Jahre Millionengehalt, die Diess bei einem Wechsel verlieren würde. aus der Portokasse bezahlen (können). Ob Diess wie üblich einen Konkurrenzauschluss im Vertrag stehen hat, ist unbekannt. Überraschungen sind jedenfalls nicht ausgeschlossen.
Ist Diess an seiner E-Strategie gescheitert?
Mit seiner Batterie-Konsequenz hat Diess seinen wohl schärfsten Kritiker im Konzern verärgert, der jetzt sein Nachfolger wird: Porsche-Chef Oliver Blume. Dessen Intentionen Richtung Technologie-Offenheit habe Diess als offene Kriegserklärung empfunden, ohne zu spüren, dass auch die Familien Porsche und Piech die Radikalität Richtung Batterieautos mit Stirnrunzeln beobachtet haben. Die öffentlichen Bekundungen zum Batterieauto würden verschleiern, dass sich wichtige Manager „mehr als skeptisch“ gezeigt hätten, die Transformation zur Elektromobilität in dieser Radikalität umsetzen zu können. Dass ausgerechnet China frühestens 2060 keine Verbrenner mehr zulassen will, die E-Verkäufe stottern, zeigt die Volatilität der globalen Marktlage.
Für Oliver Blumes E-fuel-Intentionen hatte Diess nur Spott übrig
Herbert Diess hat in internen Sitzungen immer wieder über die Porsche-Strategie gespottet, auch auf E-fuels zu setzen. Diess hielt gar nichts von der Porsche-Absicht, den Verbrennungsmotor damit am Leben erhalten zu wollen. „Das macht doch absolut keinen Sinn“, soll Diess in einer Sitzung lautstark geäußert haben. Oliver Blume hält daran fest und wird von den Familien Piech und Porsche dabei unterstützt. In Chile sollen aus Windstrom Mitte dieses Jahrzehnts 550 Millionen Liter E-fuels produziert werden. Diess: „Das ist doch physikalischer Quatsch und Unsinn“, vermeldet ein Ohrenzeuge einer Management-Sitzung, in der Herbert Diess sogar aus der Rolle gefallen sei. Dass nun ausgerechnet Oliver Blume seine Strategie flexibler Technologie-Ansätze auf dem VW-Thron umsetzen kann, dürfte Diess nicht gefallen.
Blume will allerdings nicht nur 911er-Fahrern Porsche-Sound und CO2-Neutralität sichern, sondern sieht eine große Chance, diesen Kraftstoffmarkt zu einem wichtigen Segment der Sportwagen-Schmiede Porsche zu machen.
Historische Erfahrung: Bekanntlich geht der Krug so lange zum Brunnen, bis er bricht!