Ist der VW-Machtkampf Herbert Diess gegen Bernd Osterloh entschieden oder ist der Führungswechsel ein Sieg ohne Gewinner?

Niemand glaubt so recht, was die PR-Herolde des Volkswagenkonzerns verkünden: dass Volkswagen-Ex-Chef Herbert Diess den Top-Job als Markenchef abgegeben hat, um „mehr Freiraum für seine Aufgaben als Konzernchef“ zu bekommen und um sich „auf das große Ganze“ konzentrieren zu können. Dabei wird verkannt: Volkswagen als Marke ist das große Ganze! Ob es eine kluge Entscheidung ist, Herbert Diess zu entmachten? Diese Entscheidung ist jedenfalls das klare Signal, dass VW nicht gegen den Betriebsrat regiert werden kann.

„Wenn es Diess nicht schafft, dann schafft es niemand“, sagte mir ein namhafter VW-Manager vor einem Jahr in der Hoffnung, dass Herbert Diess seine Intentionen auch dort durchsetzen würde, wo Betriebsratschef Osterloh stets Widerstand angekündigt hat. Nicht einmal der stärkste und unabhängigste jemals amtierende VW-Chef, Ferdinand Piëch, hat das geschafft. Allerdings erreichte Piëch trotzdem trickreich die meisten seiner Ziele, indem er den Betriebsrat stets strategisch eingebunden, um nicht zu sagen umgarnt hatte. Dabei ging die Taktik oft ziemlich weit und machte selbst vor rotlichtigen Gefälligkeiten nicht Halt.

In Wolfsburg ist von einer „lame duck“ die Rede

So lautstark auch kommuniziert wird, dass der Führungswechsel an der VW-Markenspitze allein der Konzentration auf die wesentlichen Aufgaben diene, ist die Botschaft keine Stärkung des bisher in Doppelfunktion als Konzern- und Markenchef agierenden Herbert Diess. Da ist von einer „lame duck“ die Rede, von einer „kalten Entmachtung“ und von „großem Bedauern“, dass Diess VW als Marke nicht mehr direkt führt.

Die neue Führungs-Konstellation ist in sich allerdings widersprüchlich, denn Diess bleibt ja weiterhin Chef des Gesamtkonzerns. Er ist also auch seinem Nachfolger bei der Marke Volkswagen Pkw gegenüber, Ralf Brandstätter, weisungsberechtigt. Für Diess sei das „Ziel eine stärkere Fokussierung auf die jeweiligen Aufgaben an der Spitze von Konzern und Marke in der laufenden Transformationsphase der Automobilindustrie“, heißt es schwammig in einer Presseerklärung. Brandstätter, bislang „Chief Operating Officer“ bei Volkswagen, wird ab 1. Juli 2020 die Auto-Marke mit dem VW-Logo allein führen. „Er hat bereits in den zurückliegenden zwei Jahren Volkswagen als COO erfolgreich geführt und die Transformation an entscheidender Stelle mitgestaltet“, lobt Diess seinen Nachfolger. Brandstätter kann allerdings nicht auf 100 Tage Schonfrist zählen, denn er ist als bislang verantwortlicher COO in alle Themen der Marke involviert. Dass auch er für die Anlaufprobleme beim Golf-8 verantwortlich ist, weiß jeder Insider.

Ein Volkswagen-Insider sagt: „Der Weg von Diess ist alternativlos.“ Aber er kann ihn offensichtlich nicht zu Ende gehen, wie sich jetzt zeigt. Ein Manager, der an vorderster Front an den Themen Software.org und Artemis arbeitet, berichtet entsetzt über die „Steinzeitdenke der Führungsmannschaft“ im VW-Konzern und die „völlig veralteten Strukturen in WOB“. Und: „Mit einem Betriebsrat, der den Status quo in Wolfsburg erhalten will, stößt man zwingend auf massive Kritik.“ Die technologischen Veränderungen in der Produktlandschaft seien alternativlos. Der Zeithorizont sei von der EU vorgegeben, der Konzern aber überhaupt nicht vorbereitet. „Der Weg für Volkswagen ist hoch riskant. Und die Vorgänger von Herbert Diess haben einfach die notwendigen Konsequenzen nicht gezogen.“ Offensichtlich mit Rücksicht auf den Betriebsrat.

„Kulturell hat sich nichts zum Besseren verändert“

„Es bleibt nur Härte und Konsequenz in der Durchsetzung. Man kann nur hoffen, dass Diess erfolgreich ist“, sagt der mit dem Thema vertraute Manager. Ob die neue Führungsstruktur Diess doch noch hilft, seine Intentionen durchzusetzen, darf nun in Frage gestellt werden. Für Betriebsratschef Osterloh sind die Software-Probleme beim Golf 8 offensichtlich willkommener Anlass, Diess zu kritisieren. Zwar wird eifrig dementiert, Diess final abservieren zu wollen, wie es das Handelsblatt erfahren haben will. „Bei Volkswagen hat sich strukturell und kulturell nichts zum Besseren verändert“, sagt unser Informant.

 

 

 

 

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