Sturm im Wasserglas?: VW-Video ist kein Rassismus, aber unsensibel

So viel Asche auf die Häupter der Verantwortlichen konnte nicht einmal in Sachen Diesel-Gate wahrgenommen werden. Die Staubwolke wird noch lange über der Wolfsburg zu sehen sein. Dennoch gilt: Wer ernsthaft glaubt(e), der umstrittene VW-Werbespot mit einem weggeschnippten Farbigen, entspränge Rassismus, der liegt nicht erst seit der Online-Pressekonferenz vom 11.06. falsch. Was aber alle aus dem Fall gelernt haben (sollten): Es kommt nicht darauf an, welche Botschaft vermittelt werden soll, sondern darauf, wie sie verstanden werden kann.

Zweifellos war es falsch, die Mehr-Folgen-Story vom sich ständig neckenden Liebespaar mit einem Spot zu beginnen, der keinerlei Hinweis auf den Gesamtzusammenhang der Geschichte erkennen lässt. Dass sich neckt, was sich liebt, ist in diesem ersten Spot über ein Liebespaar nun wahrlich nicht zu erkennen. Ich habe beim ersten Sehen des Spots nicht im Ansatz einen rassistischen Unterton wahrgenommen geschweige denn das Wort „Neger“ gesehen. Vielmehr hat mich gestört, dass das Wegschnippen eines Menschen völlig losgelöst von der Hautfarbe einfach geschmacklos ist.

Die einberufene Online-Pressekonferenz der VW-Verantwortlichen war gut, klug orchestriert, plausibel erklärend. Und sie war richtig. Als ein Kollege vom Thema ablenkend auf die geplante Fabrik in der Türkei und dortige Menschenrechtsverstöße zu sprechen kam, verwies PR-Chef Peik von Bestenbostel zu Recht auf das eigentliche Thema der Pressekonferenz. Die Neigung mancher Journalisten, aus einem Thema einen flächendeckenden Skandal zu machen, ist leider nicht nur hier zu sehen. Da hätte er auch fragen können, ob Marketingchef Sengpiehl Punkte in Flensburg hat.

Im Ernst: Dass der Teufel im Detail steckt, wird im Freigabeprozess dieses Videos deutlich: Abgenommen wurde der Spot in einer englischen Version, in der natürlich das Wort Neger nicht sichtbar wurde. Allerdings kann man auch zweifeln, dass dieses Wort in der deutschen Fassung für jedermann erkennbar gewesen sein muss. Das spielt aber keine Rolle. Tatsächlich ist der Clip von vielen Menschen gesehen worden, ohne dass jemand aufgemerkt oder gar aufgeschrien hätte. Der Entrüstungssturm kam erst später in den sozialen Medien auf.

„Niemandem aus dem Team ist aufgefallen, dass allein schon das Schnipsen einer Person unpassend ist – und in dem dargestellten Kontext rassistisch“, sagt Marketingchef Jochen Sengpiehl, der sich wie Vertriebsvorstand Stackmann rückhaltlos zu seiner Verantwortung bekennt. „Wir haben die rassistischen Elemente dieses Videos nicht erkannt“, gibt sich Sengpiehl zerknirscht.

Diese Einsicht und diesen Medien-Aufschrei hätte ich erwartet, als VW-Chef Diess „EBIT macht frei“ sagte. Da wurde wesentlich zurückhaltender kritisiert. Seine Entschuldigung wurde schneller akzeptiert als die Reue später Erkenntnis der Werbeclip-Verantwortlichen. Noch immer grummeln einzelne Medien davon, dass hier wohl rassistische Motive im Hintergrund aktiv waren. Unsinn. Wer hier Absicht unterstellt, liegt falsch.

Wer das kreative Geschehen in Werbeagenturen kennt, weiß, welche abenteuerlichen Gedanken da „gebrainstormt“ werden, nur um die originellste Story zu erfinden, die den höchsten Aufmerksamkeitseffekt hat. Bleibt zu hoffen, dass die Kreativität der Werber nun nicht zu langweiliger Werbung führt, weil ein solches Ereignis die Schere im Kopf noch schärfer machen kann.

 

 

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