Fast alle Autohersteller freuen sich dieser Tage, weil eines oder mehrere ihrer Modelle von Schwacke und Autobild zum „Wertmeister“ gekürt wurde. Grundsätzlich ist die Wertmeister-Liste aber so zuverlässig wie die Wettervorhersage fürs nächste Jahr.
Die „Wertmeister“-Titel sind nun mal kein Garantie-Versprechen. Das sollte bei aller Freude über die „Wertmeister“ bei den Autokäufern nicht übersehen werden. Zwar loben sich dieHersteller nicht selbst, sondern kommunizieren nur, was das Fachblatt Autobild und Gebrauchtwagen-Analyst Schwacke zum zwölften Mal ermittelt haben (wollen): den so genannten „Wertmeister“. Also jenes Fahrzeugmodell, das in vier Jahren (voraussichtlich) den geringsten Wertverlust zu verzeichnen hat und somit als „wertbeständig“ gelten kann.
Was in der Darstellung und in den Anzeigen der Autohersteller dabei untergeht, ist die Tatsache, dass der „Wertmeister“ eine Prognose ist, eine imponderabil „berechnete“ Schätzung. Und Prognosen, so wissen wir, sind besonders dann unzuverlässig, wenn sie sich auf die ferne Zukunft beziehen.
Dass der BMW i3, seit einem Jahr auf dem Markt, in drei Jahren nur 40 Prozent seines Neuwagenpreises verloren haben soll, ist also eine Hochrechnung mit vielen Unbekannten. Sie kann zutreffen, aber sie kann auch deutlich verfehlt werden. Das hat in der Vergangenheit schon dazu geführt, dass verärgerte Kunden bei der Inzahlungnahme ihrer Fahrzeuge beim Hersteller darauf bestanden haben, den einmal werblich angepriesenen geringen Wertverlust tatsächlich auf die letzte Stelle hinterm Komma zu berücksichtigen. Auf einmal wollte der betreffende Hersteller von seiner damaligen „Wertmeister-Werbung“ nichts mehr wissen. „Das war ja nur eine Prognose“, wurde dem protestierenden und verärgerten Kunden damals vom Hersteller entgegen gehalten. Es kam zu einer Juristischen Auseinandersetzung, bei der man sich außergerichtlich einigte.
Wer könnte es den Kunden verübeln, wenn sie 2018 ihren i3 beim BMW-Händler in Zahlung geben wollen und mit Autobild unterm Arm darauf pochen, 60 Prozent des ursprünglichen Preises angerechnet zu bekommen, wie es Autobild verkündet hat? BMW erwähnt in der Anzeige allerdings juristisch vorsichtig keine Prozentzahl, sondern freut sich nur über den Titel „Wertmeister“.
Keine Frage, dass Schwacke sich alle Mühe gegeben hat, die Wertbeständigkeit der 39 Modelle in 13 Fahrzeugkategorien exakt hoch zu rechnen bzw. zu prognostizieren. Dennoch bleibt das Wertermittlungs-Szenario auf die Zukunft eine Prognose ohne Garantie.
Die Absicht der Erfinder dieses Wettbewerbs ist zweifellos zu loben. „Der Wertverlust spielt für Privatkäufer eine wichtige Rolle bei der Kaufentscheidung“, sagt Hans Hamer, Verlagsgeschäftsführer bei Autobild. Aber der mögliche Wertverlust spielt bei der Kaufentscheidung sicher eine geringere Rolle, als es hier behauptet wird. „Da sich die Wertverluste aller Fahrzeuge nach vier Jahren in einem Rahmen um etwas über 40 Prozent bewegen, schauen wir bei der Kaufentscheidung auf ganz andere Kriterien“, sagt der Fuhrparkleiter einer Münchner Vertriebsorganisation.
„Die Könige beim Wiederverkauf“ nennt Autobild die Sieger der Wertmeister-Aktion. Da hat der Dacia Logan in vier Jahren den geringsten Wertverlust in Euro zu erwarten: 4260 Euro, taucht aber in der Tabelle der Wertmeister nicht auf, die den Werterhalt in Prozent angibt. Das verwirrt. Und dass ein Dacia schon vom niedrigen Neu-Preis (9910 Euro) her ein Kandidat mit dem geringsten Verlust in Euro sein dürfte, ist mathematische Logik.
Wie wackelig die berechneten, besser: geschätzten Zukunftswerte sind, macht Autobild selbst deutlich: So fließen laut Schwacke auch Faktoren ein, die niemand vorhersagen kann. Allgemeine Wirtschaftsentwicklung, neue Gesetze, Markt- und Kundentrends und viele Unwägbarkeiten mehr.
Im großen Durchschnitt kann man sagen, dass in vier Jahren beim Verkauft eines heute neu erworbenen Fahrzeugs zwischen 55 und 65 Prozent des Neupreises zu erwarten sind. Der Mini Cooper schafft in der Prognose als Bester sogar 65,6 Prozent Werterhalt, der Opel Zafira Tourer bringt es nur auf 52,4 Prozent.
Grundsätzlich ist die Wertmeister-Liste – wie gesagt – so präzise wie die Wettervorhersage fürs nächste Jahr. Der Erlös für ein heute gekauftes Auto ist in vier Jahren wohl eher davon abhängig, wie gepflegt das Fahrzeug ist, welche Extras gefragt sind und wie viele Kilometer es auf dem Tacho hat. Und vor allem: wie gut man verhandelt.
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