Der Meister der Sprücheklopfer

Tesla-Chef Elon Musk

Was Tesla-Chef Elon Musk so alles twittert. Eine interessante und aufschlussreiche Analyse der letzten Jahre.

Von Harald Kaiser

Seine Worte haben Gewicht. Wenn Elon Musk in die Tasten greift und eine Botschaft twittert, dann schmelzen die meisten seiner mehr als 80 Millionen Follower dahin. Den Eindruck kann man jedenfalls haben. Diese Masse ist in etwa so viel, wie Deutschland Einwohner hat. Damit besitzt der Tesla-Chef einen der reichweitenstärksten Accounts des Kurznachrichtendienstes. Über diesen Kanal macht er nicht nur Stimmung, seine Tweets können auch millionenschwere Auswirkungen erzeugen.

Etwa wenn er den Wert von Kryptowährungen in die Höhe schnellen lässt oder den seines eigenen Unternehmens Tesla in den Keller schickt. Daraufhin warf ihm die US-Börsenaufsicht SEC Kursmanipulation vor und zwang ihn, seinen Posten als Verwaltungsratschef von Tesla abzugeben. Seit April 2022 ist Musk mit 9,2 Prozent sogar größter Anteilseigner von Twitter. Unlängst hat er sogar verkündet, Twitter für 41 Milliarden US-Dollar komplett übernehmen zu wollen.

Um zu verstehen, wie der Exzentriker und geschickte Menschenfänger tickt hat das US-Onlinemagazin Visual Capitalist* Musks Tweets der letzten zehn Jahre auf die Frage hin ausgewertet, worüber der von vielen Medien distanzlos zum neuen Autogott hochgejazzte Musk am liebsten schreibt. Tesla und Elektromobilität, SpaceX und die Raumfahrt sind zentrale Themen. Politik spielt eine geringere Rolle, dafür werden Kryptowährungen und die Forschung zur Künstlichen Intelligenz (KI) immer wichtiger. Der deutlichste Trend ist aber: Seit 2017 twittert Elon Musk immer mehr, immer unkontrollierter und mit immer größeren Folgen. Eine Chronologie der letzten Jahre macht das deutlich.

Die Redakteure des Online-Magazins haben seinen gesamten Twitter-Feed durchforstet und 15.000 Tweets zu einem umfassenden Datensatz zusammengestellt. Warum das Ganze? Antwort: Die Follower interessieren sich dafür, was er zu sagen hat. Selbst 08/15-Antworten an normale Twitter-Nutzer erhalten Tausende von Shares, Likes und Kommentaren. Es komme sogar oft vor, dass er mehr als 30 Tweets an einem einzigen Tag absetzt. Und seine Twitter-Einlassungen decken ein breites Themenspektrum ab, von ernsthaften Gesprächen über technische Aspekte seiner Produkte bis hin zu harmlosem Geblubber. Man fragt sich: Hat der Chef eines riesigen Konzerns mit inzwischen mehr als 100.000 Mitarbeitern nichts anderes zu tun? Es gab auch Fälschungen von angeblichen Musk-Tweets. Der erste echte stammt von 2010. Zuvor gab ein Unbekannter vor, Musk zu sein, und benutzte dazu den Twitter-Account @elonmusk. Am häufigsten twittert der echte Musk über Tesla und seine Raumfahrtfirma SpaceX. Es gibt aber auch eine Menge Verrücktheiten, die er twittert — und sich dabei vermutlich mordsmäßig amüsiert. Hier Beispiele:

Dezember 2017: Ankündigung aus Spaß oder Langeweile, dass (seine) Boring Company einen Flammenwerfer in limitierter Auflage auf den Markt bringen will. Vorausgesetzt, es werden 50.000 Baseballkappen mit der Aufschrift „Boring“ (Langeweile) verkauft. Das klappte, so dass Musk 20.000 Flammenwerfer herstellen ließ und auch alle für je 500 Dollar verkaufen konnte.

Februar 2018: Er teilt mit, dass ein Tesla Roadster an der Spitze einer SpaceX-Rakete aus Jux und Dollerei auf dem Weg ins All ist. Seither flitzt, kreist oder taumelt das Automobil irgendwo durchs galaktische Nichts.

Juli 2018: Als 12 Jungen und ihr Lehrer in einer Höhle in Thailand von Wasser eingeschlossen werden, bietet Musk technische Hilfe für deren Rettung an. Als die dankend abgelehnt wird, versteigt sich der beleidigte Musk zu einem peinlichen – inzwischen gelöschten – Tweet, in dem er einen britischen Höhlentaucher als Pädophilen bezeichnet.

August 2018: Musk gibt auf Twitter bekannt, dass er erwägt, Tesla für 420 Dollar pro Aktie zu privatisieren. Der Aktienkurs von Tesla steigt daraufhin von 340 auf zeitweise bis zu 390 US-Dollar an. Dabei ist davon auszugehen, dass Musk die Privatisierung offenbar als Scherz gemeint hat, denn 420 ist für Eingeweihte ein Code für Cannabis. Die US-Börsenaufsicht SEC fand die Aktion gar nicht lustig und Musk musste persönlich 20 Millionen Dollar an den Staat zahlen, Tesla als Firma noch einmal genauso viel. Von besonderem Interesse bei dem Vorgang ist die Zahl 420. Laut des Marihuana-Enthusiasten-Magazins „High Times“ wurde der Begriff „420“ 1971 von einer Gruppe von Schülern namens „Waldos“ an der San Rafael High School in Kalifornien geprägt. Der Begriff bezeichnet die Zeit (16:20 Uhr), an dem die Gruppe  angeblich jeden Nachmittag zum Marihuanarauchen verabredet war.

September 2018: Musk erscheint in einer Podcast-TV-Sendung und raucht Gras mit mit dem Moderator. Das Spektakel sorgt für Kopfschütteln.

März 2020: Seiner Meinung nach ist „die Coronavirus-Panik dumm.“ Seitdem äußert er lautstark sein Misstrauen gegenüber Antigentests und hat keine Angst, seine Frustrationen über Lockdowns mit seinen Anhängern zu teilen. Er sagte auch, dass das Virus nicht so tödlich sei und dass die Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19 überhöht seien, weil Ärzte Todesfälle fälschlicherweise dem Virus und nicht anderen Ursachen zuschrieben.

Januar 2021: Er fügte „#bitcoin“ zu seiner Twitter-Profilseite hinzu, was auf eine Strategie hindeutete. Wenige Tage danach gab Musk bekannt, dass Tesla Bitcoin im Wert von 1,5 Milliarden US-Dollar erworben hat, mit der Absicht, es als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Die Nachricht ließ den Preis von Bitcoin um 17 Prozent auf 44.000 Dollar steigen, damals ein Rekordhoch. Bitcoin blieb das ganze Jahr über im Rampenlicht, da die Kryptowährung weiterhin Unterstützung von großen Finanzinstituten erhielt. Einige Tage vor dem Coup hat Musk das Spekulationsfeuer um die GameStop-Aktie angeheizt. Der Wert stieg um mehr als 150 Prozent. Anschließend fragte er die Twitter-Benutzer, ob er zehn Prozent seiner Tesla-Aktien verkaufen sollte, um Steuern zu zahlen. Die Mehrheit der Twitter-Nutzer stimmte mit Ja. Der Milliardär tat es tatsächlich und verkaufte Tesla-Aktien im Wert von mehr als 16 Milliarden US-Dollar.
März 2022: Musk rät Politikern, die Atomkraft wieder zu beleben. Bereits Ende 2021 erklärte er, ebenfalls

auf Twitter, wenn Atomkraftwerke nicht von Naturkatastrophen bedroht seien, solle man sie laufen lassen. Jetzt ging Musk noch weiter: Mittlerweile sei es „hoffentlich extrem offensichtlich, dass in Europa ruhende Kernkraftwerke neu gestartet und die Stromerzeugung in bestehenden erhöht werden sollte, schrieb er. Das sei entscheidend für nationale und internationale Sicherheit. Und im Übrigen sei auch das von vielen gefürchtete Strahlenrisiko gar nicht so hoch. Zum letzten Punkt bot der Tesla-CEO natürlich keine wissenschaftlichen Daten an, sondern lediglich persönliche Erfahrungen. Kurz nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima sei er dort gewesen und habe Lebensmittel aus der Region gegessen, schrieb er. „Das Strahlungsrisiko ist viel, viel geringer, als die meisten Menschen glauben, lautet seine Erkenntnis.

14. März 2022: Seine Twitter-Verrückheiten hat Musk auf die vorläufige Spitze getrieben, als er Wladimir Putin über den Onlinekanal zum Zweikampf aufforderte. Der Sinn dahinter: Er wollte auf diese Weise dafür sorgen, dass der Krieg in der Ukraine beendet wird. Musk schrieb an Putin: „Sind Sie mit diesem Kampf einverstanden?“ Verwunderte Twitter-Nutzer fragten, ob Musk das durchdacht habe, woraufhin dieser mitteilte, dass es ihm absolut ernst sei. Elon Musk ist 1,84 Meter groß, Putin 1,69 Meter. Zudem sei er 19 Jahre jünger. Ferner sagte Musk, dass er als Kind Kyokushin-Karate, Taekwondo, Judo und Jiu-Jitsu trainiert habe. Putin hat nach eigenen Angaben Boxen, Sambo (russischer Kampfsport) und Judo ausgeübt. In Judo wurde er Leningrader Stadtmeister und erhielt nach eigener Aussage mit etwa 18 Jahren den schwarzen Gürtel – wobei seit Jahren darüber spekuliert wird, ob Putin den schwarzen Gürtel tatsächlich über echte Kämpfe erworben hat oder ihm der Gürtel lediglich nur aus Gefälligkeit verleihe wurde. Mit seinem Tweet traf Elon Musk den Nerv der Twitter-Gemeinde – auch wenn etliche Kommentare die Erfolgsaussichten Elon Musks in einem Zweikampf mit dem Kreml-Chef anzweifelten: „Junge, er ist ein Ex-KGB-Agent, schau ihn dir an.“ Oder: „Ich hätte gern etwas von dem, was du dir eingeworfen hast“ sind nur einige der schmunzelnden Reaktionen auf Elon Musks Tweet.

Klar, dass Putin nicht reagiert hat. Statt des „lupenreinen Demokraten“ (Ex-Kanzler Gerhard Schröder) hat Ramsan Kadyrow, Putin-treuer Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien reagiert. „Messen Sie sich nicht mit Wladimir Putin, sie spielen in zwei völlig unterschiedlichen Ligen“, riet Kadyrow Musk auf dem Web-Portal Telegram. Es würde unsportlich aussehen, wenn Putin „einen viel schwächeren Gegner verprügeln würde“, führte Kadyrow aus. Deshalb müsse Musk trainieren, um von der sanften „Elona“ zum brutalen Elon zu werden, den es für diesen Zweikampf brauche. Wenn er in eines der tschetschenischen Trainingszentren kommen würde – unter anderem einen Trainingsgelände für Spezialkräfte – würde aus Elona dann auch Elon werden. Musk antwortete prompt via Twitter: „Vielen Dank für das Angebot, aber solch ein hervorragendes Training würde mir einen zu großen Vorteil verschaffen. Wenn er (Putin) Angst hat zu kämpfen, werde ich zustimmen, nur meine linke Hand zu benutzen, und ich bin nicht einmal Linkshänder. Elona.“

16. April 2022: Musk twitterte, dass Tesla beim Autokauf künftig keine Ladekabel mehr beilegen wird. Wer dennoch ein Kabel möchte, muss dafür 200 Dollar extra berappen, obwohl die Preise für die Autos zuvor teils kräftig angehoben worden sind. Musks Begründung: „Die Nutzungsstatistiken waren extrem niedrig, was als Verschwendung empfunden wurde. Ein (kleiner) Pluspunkt ist, dass wir dem mobilen Steckerkit mehr Steckeradapter beilegen werden.“

18. April 2022: In einem Tweet teilt der Multimilliardär mit, dass er für den Fall einer gelungen Twitter- Übernahme der Geschäftsführung das komplette Gehalt streichen will. So ließen sich drei Millionen Dollar sparen. Er selbst hingegen sahnt ab. Angesichts eines Rekordergebnisses im ersten Quartal 2022 mit einem Gewinn von 3,3 Milliarden Dollar (+ 70 Prozent zu 1/2021) stehen ihm angeblich Aktienoptionen im Wert von 23 Milliarden Dollar zu, die sich aber mutmaßlich nicht nur auf das gerade abgelaufene Quartal beziehen werden. Der Herr bezieht kein Gehalt, sondern er lässt sich — abhängig von entsprechen positiven Geschäftszahlen — mit Tesla-Aktien entlohnen.

1 Kommentar zu "Der Meister der Sprücheklopfer"

  1. „Die Meinungsfreiheit ist das Fundament der Selbstverwirklichung, die es zu bewahren und zu schützen gilt und gehört nicht in Hände, die es sich einfach nur leisten können und daran glauben alles kaufen zu können was ihnen gerade so in den Sinn kommt“, sagt Roosen. Die sozialen Netzwerke insbesondere Twitter stehen für schnellen Nachrichtenaustausch, und sind für jedermann zugänglich und nutzbar. Twitter bietet Menschen über alle Grenzen hinweg die Möglichkeit sich zu organisieren, kollektiv zu agieren und ihre Nachrichten und Botschaften weltweit zu verbreiten. Und das soll auch so bleiben, wünscht sich Roosen,

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