Gastbeitrag von Peter Schwerdtmann: Bekenntnisse eines alten Autonarren

So weit wie in Norwegen sind wir noch lange nicht Foto: ampnet

Noch spielen die Wiener Philharmoniker das traditionelle Neujahrskonzert, da erwische ich mich mitten im Konfigurator eines koreanischen Herstellers bei der Suche nach dem passenden Infotainment für ein kompaktes SUV – mit Batterieantrieb. Sollte ich doch zu den mehr als fünfzig Prozent der Deutschen gehören, die den Erwerb eines Elektroautos erwägen? Dabei haben sie mich von frühester Jugend mit Benzin großgezogen, erst für den Fiat Topolino, dann mit Gemisch für den DKW 1000 SP mit stolzen 55 PS.

Gern sehe ich mich seither als Petrolhead und wehre mich vehement dagegen, dass die Politik das batterieelektrische Auto zur einzigen Alternative erklärt, die geeignet ist, das Klima zu retten. Dabei ist der Antrieb des E-Autos zunächst nur am Ort seines Einsatzes frei von Schadstoffen und vom klimaschädigenden Kohlendioxid. Doch das Klima ist global. Und aus der weltweiten Sicht fällt das Elektroauto hinten runter, solange sein Strom ganz oder teilweise aus Kohle gewonnen wird.Was also bewegt mich zu solchen Tabubrüchen?

Wo sollen die Ladestationen hin?

Die Musik aus der österreichischen Hauptstadt? Wir leben seit vielen Jahren in einer Kleinstadt im Weichbild einer norddeutschen Großstadt in einem Siedlerhaus aus dem 19. Jahrhundert mit gutem Stromnetz und großer Garage. Die Steckdose neben dem Tor zieht oft meinen Blick auf sich: ein Superplatz für ein batterieelektrisches Auto oder einen Plug-in-Hybrid. Meine größte Strecke ist die Fahrt zum Flughafen, hin und zurück gut 100 Kilometer. Eine Batterieladung würde also für eine Woche gut ausreichen und sogar einen Ausflug ohne Nachladen an die Küste ermöglichen.Vorher, in einem Gründerzeit-Kiez der Großstadt, hätten wir mit unserer Wohnung in der dritten Etage mit einem Elektroauto heute Probleme. Es gab ja schon damals nicht genug Parkplätze. Wo sollten da heute die Ladestationen hin?

Und wenn, dann steht da schon einer, der auch morgens immer noch die Säule blockiert. Uns wäre nur die Kabeltrommel geblieben. So geht es vielen in der Großstadt, wo heute Ladestationen in der Tiefgarage noch nicht genehmigungsfähig sind. Nicht viele Großstädter haben einen Privatparkplatz oder eine eigene Garage. Da hilft oft nur noch der Mitarbeiter-Parkplatz mit Stromanschluss.Aber auf dem Lande bietet die Elektromobilität erstaunlich viele Möglichkeiten, besonders für Pendler. Mit einem guten Stromtarif daheim werden hier das Elektroauto und der Plug-in zu wirtschaftlich attraktiven Alternativen, die einen vor Fahrverboten schützt und die Belastung am Fahrtziel senkt.

Das autonome „Taxi“ gehört erst aufs Land

Später, wenn das autonome Fahren Einzug gehalten hat, wird das Elektroauto dem flachen Land den Öffentlichen Personennahverkehr bringen können, von dem Großstädter heute schon verwöhnt werden. Kleine Einheiten ohne Fahrer können Dörfer und Zentren verbinden, auch ohne Fahrplan, ganz nach Bedarf. Das autonome „Taxi“ gehört deswegen erst aufs Land, bevor es in der Stadt Einzug hält.In der Stadt und auf dem Land kann die Elektromobilität bei solchen Flotten gedeihen, die von einem zentralen Punkt für Wartung und Ladung aus betrieben werden. Das gilt auch für die so genannte letzte Meile, die Auslieferung von Waren an den einzelnen Kunden. Wenn das alles auch noch ohne Fahrer geschehen kann, ist der Vorteil der Elektromobilität für den Großstädter komplett.

Auf dem flachen Land wäre solch ein Komfort auch willkommen.Bei den Wiener Philharmonikern hat es mich erwischt. Die ländliche Perspektive bei klassischer Musik verändert meinen Blick auf das batterieelektrische Autos. Nun bin ich überzeugt: Auf dem Lande, erst recht im Dunstkreis von Großstädten, gehören Elektroautos zuerst aufs Land, wenn die Politik nicht zulassen will, dass das Land schon wieder abgehängt wird. Die E-Mobilität ist geeignet, gleichwertige Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land herzustellen. Das ist für mich als Petrolhead ein unerwarteter Schlussakkord, den Wiener Philharmonikern würdig.

Hoffentlich kann ich bald synthetischen Diesel tanken

Doch auch das neue Jahrzehnt wird wohl nicht zu neuem Denken bei der Mobilität führen. Die Großstädter in Berlin werden weiterhin die Richtung bestimmen und sich nicht darum kümmern, wie man auf dem Land zu Fuß, mit Fahrrad, E-Scooter und Rollator, aber ohne U-Bahn zurechtkommt. Deswegen werde ich dann wohl mit Rücksicht auf das Klima doch einen Diesel kaufen, einen der mehr Feinstaub schluckt als er ausstößt und dann darauf hoffen, dass ich bald synthetisch hergestellten Diesel tanken kann, wegen des Klimas. (ampnet/Sm)

1 Kommentar zu "Gastbeitrag von Peter Schwerdtmann: Bekenntnisse eines alten Autonarren"

  1. Statt einen ganzen Industriezweig zu zerschlagen um ein Auto auf die Straße zu bringen, wo noch nicht einmal gewährleistet ist, dass dafür bei Bedarf auch jederzeit ausreichend Strom vorhanden ist, wäre es einfach nur logisch, das Know-How unserer Ingenieure dafür zu nutzen den Verbrennungsmotor noch effizienter und umweltfreundlicher zu machen. Deutsche Autos haben weltweit den besten Ruf. Mercedes Stern, AUDI, BMW und VW Logo sind in vielen Ländern bekannter als die deutsche Flagge.

    Die Zeigefinger-Politik der Grünen zwingt Fahrzeugkäufern Autos auf, die diese überhaupt nicht haben wollen.

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