Volkswagen schlägt der Hauptversammlung Entlastung aller Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats vor

Es ist ein juristischer Balance-Akt, der Kritik provozieren wird, wenn das ehemalige VW-Vorstandsmitglied Hans Dieter Pötsch nun als Vorsitzender des Aufsichtsrats über den Aufsichtsrat der Hauptversammlung seine eigene Entlastung als Vorstand vorschlägt. Genau das aber ist unter anderem das Ergebnis einer langen Aufsichtsratssitzung in Wolfsburg, das von kritischen Aktionären stellenweise sicher in Frage gestellt werden dürfte. Allerdings kann man wohl davon ausgehen, dass sich Pötsch bei der Abstimmung im Aufsichtsrat der Stimme enthalten und nicht seine eigene Entlastung (als Vorstand) vorgeschlagen hat. Eine offizielle Stellungnahme dazu ist nicht zu erhalten, „da Abstimmungen im Aufsichtsrat nicht kommentiert und öffentlich gemacht werden“, sagt der Sprecher des Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Brendel.




Der VW-Aufsichtsrat stand massiv unter Druck, denn die anstehende Hauptversammlung am 22. Juni setzte das Gremium unter Zugzwang. Die Empfehlung des Aufsichtsrats bedeute allerdings keinen Verzicht auf mögliche Schadenersatzansprüche, heißt es in der Einladung zur Hauptversammlung.

Dass diese Regelung viele juristische Fragen aufwirft, ist klar. Ein Münchner Gesellschaftsrechtler hält es für fragwürdig, ob man später von einem entlasteten Vorstand noch Schadenersatz fordern kann. „Das könnte bedeuten, dass man dann zuerst die Entlastung wieder aufheben lassen müsste. Ich kenne keinen Präzedenzfall.“ Aber: VW hat diese Frage durch renommierte Juristen prüfen lassen.

In einer Erklärung von VW heißt es wörtlich: „Grundlage dieser Empfehlung sind die derzeit vorliegenden Informationen aus der umfassenden, wenngleich noch nicht abgeschlossenen Untersuchung der US-amerikanischen Kanzlei Jones Day zur Diesel-Thematik. Auf dieser Grundlage hat die Anwaltssozietät Gleiss Lutz eine umfassende rechtliche Prüfung vorgenommen, die auch durch Prof. Wulf Goette (früherer Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof) bestätigt worden ist.“

Und weiter heißt es in der Erklärung: „Der Aufsichtsrat hat prüfen lassen, ob nach derzeitigem Kenntnisstand eindeutige und schwerwiegende Pflichtverletzungen von aktuellen oder ehemaligen Vorstandsmitgliedern festzustellen sind. Ungeachtet dessen, dass die Jones-Day-Untersuchung derzeit noch läuft, sind nach derzeitigem Kenntnisstand keine eindeutigen und schwerwiegenden Pflichtverletzungen von aktuellen oder ehemaligen Vorstandsmitgliedern festgestellt worden, die einer Entlastung zum jetzigen Zeitpunkt entgegenstehen würden. Der Aufsichtsrat hat in intensiven Diskussionen die maßgeblichen Kriterien für die Entlastungsvorschläge umfassend abgewogen. Die Abwägung orientierte sich am Interesse und Wohl der Gesellschaft. In der Entscheidung kommt das Vertrauen des Aufsichtsrats in den amtierenden Vorstand zum Ausdruck, die Diesel-Thematik zu bewältigen und den Volkswagen-Konzern und seine Marken erfolgreich für die Zukunft auszurichten.“

Die Untersuchung von Jones Day werde intensiv vorangetrieben. Der vom Aufsichtsrat eingesetzte Sonderausschuss werde diese Arbeit weiterhin eng begleiten. Volkswagen bedauere ausdrücklich, dass eine Veröffentlichung von Zwischenergebnissen der Untersuchung von Jones Day nach wie vor mit unvertretbaren Risiken für den Konzern verbunden wäre und daher auch zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfolgen könne. Aus diesem Grund seien derzeit auch nähere Ausführungen zu der Empfehlung zur Entlastung nicht möglich.

Aufsichtsrat und Vorstand betonen, dass dieser Beschlussvorschlag unter dem Vorbehalt stehe, dass sich bei den weiteren Untersuchungen bis zur Hauptversammlung am 22. Juni 2016 keine neuen Erkenntnisse ergeben, die eine andere Abwägungsentscheidung geboten erscheinen ließen.

Ausdrücklich heißt es: „Der Aufsichtsrat weist darauf hin, dass mit der vorgeschlagenen Entlastung durch die Hauptversammlung kein Verzicht auf mögliche Schadensersatzansprüche verbunden ist. Entsprechend seiner gesetzlichen Pflichten prüft der Aufsichtsrat seit dem vergangenen Herbst, als die Diesel-Thematik bekannt geworden war, ob er verpflichtet ist, Schadensersatzansprüche gegen einzelne Vorstandsmitglieder geltend zu machen. Diese Prüfung dauert aufgrund der laufenden Untersuchungen zur Diesel-Thematik an. Darüber hinaus empfehlen Vorstand und Aufsichtsrat der Hauptversammlung, allen Mitgliedern des Aufsichtsrats der Volkswagen AG Entlastung zu erteilen.

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