Für mich ist das größte Wunder des Golf: dass er über acht Generationen immer ein Golf geblieben ist. Nicht nur dem Namen, sondern vor allem dem Charakter nach. Obwohl zwischen den Generationen jedes Mal Fortschritte – mal kleine, mal große – zu verzeichnen waren, ist der klassenlose Charakter dieses Typs immer gleich geblieben. Und das, obwohl er sich äußerlich und technologisch doch stark verändert hat. Was heißt eigentlich klassenlos? Wenn man mit dem Golf vor jedem Luxushotel parken kann, ohne vom Hotelpersonal verscheucht zu werden.
Unsere Testfahrt mit dem Golf 8 PA Style 2.0 TDI und seinen 150 PS, die vom 7-Gang-Doppelkupplungs-Getriebe jederzeit gut abgestimmt sachgemäß auf die Antriebsräder übertragen werden, zeigte keinerlei Schwächen. Vielleicht nur die klitzekleine, aber subjektiv lang dauernde Zehntelsekunde beim Anfahren stört zuweilen, wenn es gilt, schnell anfahren zu wollen. Zum Beispiel weil ich kurz an einer roten Ampel die Grün-Phase verschlafen und den hupenden Hintermann nicht länger hinhalten und provozieren wollte. Nein, insgesamt bilden DSG und Drehmoment (max. 360 Nm/1600 1/min) des High-Tech-Diesels eine kongeniale Antriebseinheit. Dass am Ende mehrerer tausend Kilometer zügig gefahrener Kilometer nur ein Durchschnittsverbrauch mit einer Fünf vor dem Komma stand, spricht für die Reife dieses Antriebs. Auf unserer Sparrunde waren es sogar mal 4,2 Liter. Das Temperament dieses 150-PS-Golf macht richtig Spaß. Null auf 100 km/h in 8,8 Sekunden sprechen eine klare Sprache. Und die Höchstgeschwindigkeit von 223 Stundenkilometer macht deutlich, dass hier kein Verzichtsmobil unterwegs ist.
Dieser Golf Diesel ist auch ohne Subventionen erfolgreich
Und wie von mir schon oft beschrieben, stellt sich angesichts der Reife und Ausgewogenheit dieses (und vieler anderer!) Verbrenner/s die Frage nicht, ob es doch lieber ein Batterie-Fahrzeug sein sollte. Die E-Fraktion in Politik und Medien muss sich damit abfinden, dass exzellente Verbrenner noch lange begehrt sein und unsere Straßen befahren werden. Jedenfalls so lange die Autokäufer selbst entscheiden (dürfen), womit sie mobil bleiben wollen. Die E-Mobilität kann noch nicht in allen Bereichen des Alltags überzeugen. Daran ändert auch das Gesundbeten in zahlreichen Medien und durch die Politik nichts. Ja selbst in der Bibel automobiler Mobilität, der Zeitschrift auto motor und sport, wird die E-Mobilität im Batterieauto im bevormundenden Unterton protegiert. Leute, lasst doch einfach die Kunden entscheiden! Es ist doch bezeichnend, wie es um den wahren Erfolg der Batterieautos steht, dass sie ihre Verkaufszahlen nicht ohne Subventionen erhöhen können.
Wenn nach dem Betanken dieses Golfs eine Reichweite von über 1000 km zu erwarten ist, erscheint das Reichweiten-Gezappel der Batterie-Autos nachgerade albern. Aber selbst die Reichweite von E-Autos spricht nicht mehr gegen sie. Eher schon das immer noch dünne Ladenetz bzw. die notwendige Lade-Planung auf langen Strecken. Aber auch die wird in absehbarer Zeit hinfällig sein.
Die Extras im Testwagen kosten 10.000 Euro
Unser Testwagen, ausgestattet mit umfangreichen Sonderausstattungen, lässt kaum Wünsche offen. Allerdings summiert sich die Extra-Liste vom Grundpreis von 40.450 Euro auf über 50.000 Euro. Verzichten kann man dabei auf so Manches, aber verzichten wollen fällt schwer. Ob es der Perlmutlack Oryxweiß für 1.225 Euro sein muss? Geschmacksache. Die adaptive Fahrwerksregelung DCC für 1.045 Euro muss sein, ebenso Park Assistent Plus für 1.645 Euro. Das IQ.Light LED-Matrix-Scheinwerfer mit Licht-und-Sicht-Paket für 1.215 Euro macht die Fahrbahn vor dir auch nachts zum Tage und ist mit seiner automatischen Abblendfunktion ein absolutes Muss. Ebenso das Navigationssystem Discover für 910 Euro. Das im Testwagen verbaute Head-up-Display ist gut und schön, aber man muss sich quasi zwingen, es zu nutzen. Zu informativ sind die Anzeigen auf dem 12-Zoll-Display und die Anzeigen im Blick des Fahrers. Auf das Head-up-Display könnte ich verzichten. Aber mancher Kunde sieht das anders.
Wer die Umgebungsansicht Area View einmal genutzt hat, will sie nicht mehr missen. 390 Euro sind geradezu ein Trinkgeld im Verhältnis zum Nutzen dieses Systems, mit dessen Rückfahrkamera das Rangieren in engen Parkverhältnissen garantiert „berührungsfrei“ vonstatten geht. Heftige Kritik erfuhr die neue Golf-Generation, dass die haptische Zuverlässigkeit von mehreren Schaltern der Unsicherheit berührungssensibler Schieberegler gewichen war. Anfangs sogar noch unbeleuchtet war das Regeln der Radio-Lautstärke besonders für nicht so Digital-affine Menschen der Generation smart-Phone ein Problem. Volkswagen hat darauf reagiert und die gröbsten dieser „Konstruktionsfehler“ teilweise korrigiert. Die Bedienbarkeit wird aber schnell gelernt und vollzieht sich schon nach wenigen Stunden intuitiv.
Seit 1974 ein Erfolgsmodell
Fazit: Der Golf neuester Generation ist ein begeisterndes Automobil, das eigentlich alles bietet, was dem vernünftigen Autokäufer wichtig sein mag. Ein sehr gut abgestimmtes Fahrwerk, ein laufruhiger Diesel-Motor und ein ausgereiftes Handling. Es ist eben der Charakter des Golf, der sich seit seinem Erscheinen 1974 nicht verändert hat. Technisch und formal absolut auf der Höhe der Zeit wird er noch lange erfolgreich bleiben.
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