Jetzt hat auch das EU-Parlament das „Verbrenner-Aus“ beschlossen. Eine neue Situation begründet das nicht, von einer Korrektur früherer Entscheidungen ist die EU jedoch noch immer weit entfernt. Prof. Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ordnet den Beschluss ein.
Von Jens Meiners (cen)
Herr Professor Koch, nach der Kommission hat sich jetzt auch das EU-Parlament für ein Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2035 ausgesprochen. Hat sich damit an der Situation etwas geändert?
„Es ist insbesondere von der EU-Kommission, aber auch vom europäischen Parlament eine politische Entscheidung getroffen worden, die schlicht aufgrund der aktuellen Mehrheitsverhältnisse so möglich war. Es findet allerdings spätestens 2026 eine Überprüfung dieses Beschlusses statt, so ist es festgeschrieben worden. Bis dahin werden aber Alternativen wie etwa CO2-neutrale Kraftstoffe, die in anderen Ländern der Erde eine wichtige Rolle spielen, von der EU-Politik bewusst als Lösungsansatz für PKW verhindert.“
Hat sich das Parlament aus Ihrer Sicht ausreichend mit der Thematik befasst?
„Es wird behauptet, dass die Entscheidung aus Klimaschutzgründen notwendig sei. Dies ist aber ein vorgeschobenes und nicht belastbares Argument. Viele hundert Wissenschaftler haben die EU-Kommission und das EU-Parlament angeschrieben und wiederholt aufgeklärt, damit sie nicht auf einen Bilanzbetrug, der insbesondere von den bekannten NGOs wie Transport & Environment oder Greenpeace begangen wird, hereinfallen.“
Da wurde falsch gerechnet?
„Es wird schlicht mit total falschen Zahlen agiert. Ein Abgeordneter, der ja kein Experte ist, kann dies normalerweise nicht auf einen Blick identifizieren. Die Energiefachleute und Bilanzexperten haben aber darauf hingewiesen und genau erläutert, dass eine CO2-Einsparung per Elektromobilität in vielen Ländern Europas überhaupt nicht erreicht werden kann. Und so verstößt die EU-Strategie mindestens fahrlässig gegen die Empfehlung des Weltklimarates, das CO2-Restbudget der Menschheit zu schonen. Denn es werden mit dem schnellen Ausbau der Elektromobilität durch Infrastrukturaufbau, Produktion und Betrieb der Fahrzeuge sogar erhöhte CO2-Emissionen anfallen. Dass es in Wahrheit gar nicht um diese Emissionen geht, wird schon daran klar, dass sogar ein Wasserstoffmotor, der mit grünem Wasserstoff aus nachhaltigem Überschuss-Strom gewonnen wird, im Fahrzeugsegment bis 3,5 Tonnen nicht berücksichtigt wird.“
Womit rechnen Sie, wenn die aktuellen Entscheidungen nicht korrigiert werden?
„Es werden zunächst Kollateralschäden größeren Ausmaßes angerichtet werden. Viele europäische Firmen und Zulieferer werden den Betrieb einstellen, ins Ausland verlagern oder zumindest Arbeitsplätze abbauen, insbesondere in Deutschland. Chinesische Firmen werden beschleunigt Fuß fassen und mit attraktiven Hybridmodellen ihren Marktanteil ausbauen.“
Wird Europa das hinnehmen?
„Ich glaube, dass dieser Prozess irgendwann durch die EU erkannt wird und dann auch Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Doch der Schaden ist dann angerichtet, der Verlust unserer jahrzehntealten Technologieführerschaft ist schon heute nicht mehr umkehrbar. Und die gegenwärtigen Entscheidungen und Bekräftigungen, wie jetzt durch das EU-Parlament, verschärfen nur das Problem.“
Was bedeutet das für den Autofahrer?
„Es werden vor allem die Bevölkerungsanteile mit kleinem Portemonnaie leiden. Einstiegsfahrzeuge sind schon jetzt teuer geworden, der Betrieb wird zudem immer kostenintensiver. Offensichtlich handelt es sich bei den Aktionen nicht um ein Umweltschutzprogramm, sondern um einen Angriff auf die individuelle Mobilität.“
Gegen das Verbot von neuen Autos mit Verbrennermotor ab dem Jahr 2035 wird Widerstand laut.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat eine Blockade des EU-weiten Verbrenner-Aus angekündigt. Auch Italien will gegen das Aus der Verbrennungsmotoren stimmen. Wie zu hören ist, gibt es auch noch andere Länder, die das Projekt zu Fall bringen könnten.
Die für kommenden Dienstag geplante Abstimmung der EU Minister in Brüssel ist nun verschoben worden.
Italien ist der Ansicht, dass Elektrofahrzeuge nicht der einzige Weg sein sollten, um in der Übergangszeit null Emissionen zu erreichen. Letzte Woche sagte die italienische Regierung, sie wolle sich mit Frankreich und Deutschland zusammenschließen, um das Tempo der EU-Gesetzgebung zur Reduzierung von Pkw- und Lkw-Emissionen zu beeinflussen und zu verlangsamen.
In Brüssel ist derweil zu hören, dass Polen und Bulgarien bei einer Stimmenthaltung Deutschlands nicht für das Verbot von Verbrennungsmotoren stimmen könnten. Damit würde das wichtige Klimaschutzprojekt der EU-Kommission unter Führung von Ursula von der Leyen (CDU) vorerst gestoppt.