Geländewagen für die Ewigkeit

Sechs Autos hat die Menschheit bisher auf den Mond geschossen. Eines fährt noch immer. Die Geschichte des irrwitzigen Wettlaufs um die Mond-Mobilmachung begann vor mehr als einem halben Jahrhundert.

Von Harald Kaiser

Nur 80 Meter? Das klingt nach einem Katzensprung, einem Klacks. Auf alle Fälle nach einer Distanz, die per Auto in einer Minute zurückgelegt werden kann. Jedenfalls, wenn man einen irdischen Maßstab anlegt. Nicht jedoch auf dem Mond mit seinen speziellen Bedingungen. Diesen lächerlich erscheinenden Trip hat das chinesische Mondauto Jadehase 2 vor sich. Es ist das einzige von sieben internationalen Fahrzeugen, das noch auf dem Erdtrabanten rumkurvt. Die anderen sechs aus den USA, aus Russland und ein weiteres aus China (Jadehase 1) sind inzwischen im Ruhestand.

Der noch aktive Kundschafter aus dem Reich der Mitte bekam Anfang Dezember 2021 den Auftrag, zu einem merkwürdigen Gebilde in jenen 80 Metern Entfernung zu rollen, um es aus unmittelbarer Nähe untersuchen und Bilder zur Erde funken zu können. Bisher müssen sich die Wissenschaftler mit unscharfen Fotos zufrieden geben, die aus der Distanz geschossen wurden. Unklar ist, ob es sich in der tristen grauen Einöde um einen Felsbrocken, einen seltsam geformten Haufen Mondstaub oder womöglich um ein Trugbild handelt.

Nicht immer sorgt die Sonne für Strom

Der vermeintliche Katzensprung wird keinesfalls in wenigen Minuten zu bewältigen sein.  Noch nicht einmal in zwei oder drei Tagen. Denn Jadehase 2 ist mit einem Tempo von einem Meter pro Mondtag nicht nur eine besonders lahme Ente, er hat auch mit speziellen Anforderungen zu kämpfen. So erstreckt sich ein Mondtag über 14 irdische Tage, was an der Position des Mondes zur Sonne liegt. Nur dann strahlt der Zentralstern unserer Galaxie ausreichend, so dass Jadehase 2 mit Hilfe seiner Solarpaddel genügend Fahrstrom für die Elektromotoren an den sechs Rädern erzeugen kann. In der Mondnacht jedoch, die ebenfalls 14 Erdentage anhält, muss der Kundschafter pausieren, weil das schwache Sonnenlicht nicht genügend Energie liefert. Die Mission wird sich also zeitlich ziehen. Rein rechnerisch bräuchte der Rover 5,7 Monate bis zum Ziel. Das würde er um Ostern 2022 herum erreichen, sofern nicht irgendwelche Hindernisse großräumig umfahren werden müssen.

Der russische Lunochod 1: 756 Kilogramm schwer, 8 Motoren sorgen für 2,5 km/h Spitze

Der asiatische Pfadfinder landete im Dezember 2018 auf der erdabgewandten Seite des Mondes im riesigen Von-Kármán-Krater des Südpol-Aitken-Beckens. Experten schätzen, dass er seither etwa 500 Meter gefahren ist. Um ihn dort fernsteuern zu können, musste eigens ein Satellit hochgeschossen und in Stellung gebracht werden. Sonst würden die lichtschnellen Funkbefehle, die sozusagen über Bande laufen, ins Nichts gesendet. Den ulkigen Namen, benannt nach dem tierischen Begleiter der Mondgöttin „Chang’e“ aus der chinesischen Mythologie, hat er von seinem Vorgänger Jadehase 1 geerbt. Im Rahmen einer Online-Abstimmung hielt die Mehrheit von gut 650.000 Teilnehmern diese Bezeichnung für passend.

Der „Jadehase“ ist schon lange verstummt

Jadehase 1 erfüllte die in ihn gesetzten Hoffnungen nur zum Teil. Denn der ebenfalls mit Solarzellen und Elektroantrieb ausgestattete Robbie, 140 Kilo leicht und 1,5 Meter kurz, blieb bereits nach 114 Metern im teils knöcheltiefen Mondstaub stecken. Dafür arbeiteten seine wissenschaftlichen Geräte weit länger als die geplanten drei Monate, nämlich mehr als zweieinhalb Jahre. Am 31. Juli 2016 verstummte er schließlich, weil die Technik bei teils mehr als 100 Grad minus aufgegeben hatte.

Der chinesische „Jadehase“ ist mittlerweile im Ruhestand

Sein Ende wurde der Welt auf spezielle Weise mitgeteilt – in Ich-Form. Die Öffentlichkeitsarbeiter der Raumfahrtbehörde dichteten für ihn, als hätte er sprechen können, diesen Abschiedssatz: „Es gibt immer noch viele Fragen, die ich beantworten würde, aber ich bin das Kaninchen, das die meisten Sterne gesehen hat! Der Mond sagt, er hat einen langen, langen Traum für mich vorbereitet.“ Bevor China die Mobilmachung auf dem Mond mit der ersten Jadehase-Version am 14. Dezember 2013 wiederbelebte, herrschte 40 Jahre Stillstand. So lange wirbelte kein Automobil mehr Mondstaub auf. Der bis dahin letzte irdische Späher war der russische Lunochod 2, der schließlich wegen der brutalen Kälte des Weltalls im Mai 1973 für immer einfror.

Der irrwitzige Wettlauf begann 1970

1970 startete der irrwitzige Wettlauf zwischen den Großmächten Sowjetunion und USA um die Mobilmachung hoch über unseren Köpfen. Das auslösende Ereignis für diese fortan lang anhaltenden Muskelspiele war ein schmerzhafter Tiefschlag ins Selbstverständnis der Vereinigten Staaten, der die Amerikaner gleichzeitig zu neuen Großtaten anstachelte. In der Nacht vom 16. auf den 17. November 1970 wird die Führungsmannschaft der US-Raumfahrtbehörde NASA keinen oder nur schwer Schlaf gefunden haben, weil sie die Nachricht von der neuesten und erfolgreichen Weltraum-Mission der Sowjetunion lang wachgehalten haben dürfte.

Damals schafften es die Russen mit den USA wieder gleichzuziehen: Sie schossen das erste Automobil auf den staubigen Erdtrabanten – Lunochod 1. Das ist mehr als 50 Jahre her. Einen Tag nach der Landung meldete die New York Times in nüchterner Nachrichtensprache auf Seite eins: „Achträdriges Sowjet-Fahrzeug manövriert auf dem Mond.“ Es war der erwartet spektakuläre Gegenschlag zum Triumph der Amerikaner etwa sieben Monate zuvor, als deren Astronaut Neil Armstrong am 21. Juli 1969 als erster Mensch den Mond betreten hat. Grund genug eigentlich für die USA, sich angesichts dieser epochalen Leistung nicht eingeholt fühlen zu müssen. Und doch war die Gefühlslage in der Phase wohl bei der NASA so. Dort wusste man, dass Armstrongs atemberaubender Schritt das Konkurrenz-Weltreich UdSSR zu einer mindestens gleichwertigen Unternehmung herausfordern würde. Etwa, wenn es ihr gelingen sollte, eine Rakete mit einer außergewöhnlichen Fracht an der Spitze ins All zu befördern.

Luna 17 landete sanft im Staub

In besagter Nacht war es mit jenem Auto geschehen, das in etwa so groß ist wie der Kleinwagen Smart. Diesen Treffer wollten die Amerikaner in dem erbittert geführten Wettrennen der beiden Nationen um die Vorherrschaft im Weltraum keinesfalls unbeantwortet lassen. Denn längst ging es bei dem Schlagabtausch nicht mehr allein um die bloße technisch-wissenschaftliche Führerschaft oder um die Befriedigung der Eitelkeit des politischen Spitzenpersonals. Diese Milliardenprojekte dienten zuvorderst dem Weltmachtanspruch und der Demonstration der Überlegenheit des jeweils anderen politischen Systems.

Am frühen Morgen jenes 17. November um 6:47 Uhr Moskauer Zeit meldete das russische Raumfahrtkommando: Die Raumkapsel Luna 17 hat mit einer Sinkgeschwindigkeit von zwei Metern pro Sekunde relativ sanft im Staub der Region „Mare Imbrium“ auf der erdzugewandten Seite des Mondes aufgesetzt. Eine Bilderbuchlandung. Als diese Erfolgsmeldung kam war im Marshall Space Flight Center in Huntsville/Alabama wegen der Zeitverschiebung gerade Mitternacht vorbei. Genau 0:47 Uhr.

Der Fahrer von „Lunachod 1“ saß auf der Erde

Etwa 75 Minuten nach dem Aufsetzen mussten die Amerikaner auch noch zur Kenntnis nehmen, dass das Auto tatsächlich funktionierte. Gegen 2:02 Uhr früh in Huntsville meldete sich nämlich der Fahrer von Lunochod 1 im mitgehörten Funkverkehr mit den Worten: „Ich sehe die Mondoberfläche. Sie ist flach und wunderschön.“ Laien hätten bei diesem Satz sicher gestutzt, schließlich sieht ein Autofahrer ja immer, was vor ihm passiert. Nicht so die NASA-Experten, die genau wussten, was gemeint war: Der Fahrer des Mondmobils saß nicht im Auto, sondern gut 385.000 Kilometer entfernt in der Leitzentrale in Jewpatorija auf der Halbinsel Krim am Schwarzen Meer. Eine Meisterleistung.

Von dort dirigierte er das Fahrzeug zusammen mit vier weiteren Männern – Kommandant, Ingenieur, Navigator und Funker – von der runtergeklappten Rampe auf die Mondoberfläche. Die Bilder dazu lieferten zwei Schwarzweiß-Fernsehkameras vorne am Auto, die auf der Krim über einen Monitor flimmerten. Lunochod reagierte auf die gefunkten Lenkbefehle, die der Fahrer auf der Erde mit Hilfe eines Steuerhebels erteilte. Was einfach klingt, war alles anderes als das. Denn Bild- wie Funksignale trafen trotz Lichtgeschwindigkeit (ca. 300.000 Kilometer pro Sekunde) wegen der notwendigen Rückbestätigung immer mit etwa drei Sekunden Verzögerung für die etwa 770.000 Kilometer lange Strecke Erde-Mond-Erde ein. Hinzu kam noch etwa eine Sekunde Reaktionszeit des Fahrers. Das bedeutete, dass das Badewannen ähnliche Gefährt auf dem Erdtrabanten immer schon etwas weiter war als es die momentan auf der Erde ankommenden Bilder zeigten.

Acht Elektromotoren an acht Rädern

Überdies erkannte man bald nach der Landung einen kleinen Konstruktionsfehler: Zu niedrig montierte Kameras machten Lunochod gewissermaßen kurzsichtig, weil ihr Blickwinkel zu stark auf den Boden gerichtet war. Kam etwa ein größerer Stein in Sicht, dem es rasch auszuweichen galt, war angesichts der Zeitverzögerung und der Blickfeldbeschränkung rasches Lenken notwendig. Ähnlich verhielt es sich beim Beschleunigen oder Bremsen, was beides über simples Gasgeben oder Gaswegnehmen mit Hilfe der Elektromotoren an jedem der acht Räder geregelt werden konnte. Schnell war das Roboter-Fahrzeug Gottseidank nicht. Das Spitzentempo lag bei nur 2-3 km/h.

Während dieses Abenteuer weltweit Staunen hervorrief, mühte sich das Kommandoteam zusätzlich zur leichten Zeitverzögerung auch immer wieder mit schwachen Funksignalen, mit oft stockenden und teils auch unscharfen TV-Bildern sowie mit einer bestenfalls mäßigen Orientierung ab. Schließlich waren moderne elektronische Pfadfinder wie Google Maps noch nicht einmal Bestandteil von Träumen. Stattdessen hatte der Navigator mit Mondkarten aus Papier klarzukommen. Gemessen daran ist es eine phantastische Leistung, den mitunter festgefahrenen „Mondgänger“, wie Lunochod übersetzt heißt, aus Kratern oder aus anderweitig schwierigem Gelände befreit zu haben. Nicht zuletzt gelang dies auch dank einer Art Steigeisen an den Laufflächen der acht Räder und einem jeweils beherzten Hin- und Herruckeln.

Die Lebenszeit dauerte fast elf Monate

Seine Lebenszeit war auf ein Vierteljahr berechnet. Doch die Konstruktion erwies sich als weit solider und funktionierte viel länger. Fast elf Monate. Währenddessen sammelte sie  eine riesige Menge an neuen Informationen über die chemisch-physikalischen Eigenschaften des Mondes, über seine Geologie und Geographie, es wurden etwa 20.000 Fotos übertragen, der Boden gut 500 Mal mit Spezialgeräten analysiert oder ständig die kosmische Strahlung gemessen. Den Strom für all diese Arbeiten lieferten Solarzellen im beweglichen Deckel der ulkig aussehenden fahrenden Wanne. Der klappte bei Tageslicht automatisch auf und schloss sich bei Dunkelheit.

Dies nicht nur, weil ohne Sonnenlicht kein Strom erzeugt werden konnte, sondern auch, weil die empfindlichen Messgeräte in der Wanne nur bei geschlossenem Deckel vor der Kälte geschützt und gleichzeitig von einer atomaren Heizung warm gehalten werden mussten. Anfang Oktober 1971 schließlich gab Lunochod 1 keinen Mucks mehr von sich – er war, wie später auch das Brudermodell, eingefroren. Gegen die brutale Nachtkälte konnte selbst die spezielle Heizung offenbar nichts mehr ausrichten. Sie wurde mit einer kleinen Menge von radioaktivem Polonium betrieben, das während seines Zerfallsprozesses als Nebeneffekt Wärme erzeugt. Doch die hat nicht mehr ausgereicht. So hinterließ das erste von Menschenhand erbaute Mondfahrzeug eine auf ewig erkennbare Radspur von 10,5 Kilometern im Staub der Oberfläche. Sie endet in der Hügellandschaft der Region „Cap Heraclides“.

Die erste Raumsonde „Sputnik“ startete 1957

Jenseits der irdischen Autoverschickung ins All lief das eigentliche Rennen um die Vorherrschaft im Weltraum zu dem Zeitpunkt schon länger als ein Vierteljahrhundert. Mit ständigen Führungswechseln und verschiedenen Gerätschaften. Gestartet wurde der Nationenwettkampf von den Sowjets am 4. Oktober 1957. Damals schossen sie Sputnik 1 vom Kosmodrom in Baikonur/Kasachstan in eine Erdumlaufbahn. Die erste Raumsonde der Menschheit. Aus einer maximalen Umlaufbahnhöhe von 939 Kilometern sendete sie über Kurzwelle Pieptöne auf die Erde, die überall empfangen werden konnten.

Das waren Töne, die den Amerikanern heftige Ohrenschmerzen bereiteten. Denn mit dem kugelrunden Sputnik (83,6 Kilo schwer, Durchmesser 58 Zentimeter) war beweisen, dass es möglich ist, Objekte in den Weltraum zu befördern, von denen Gefahr ausgehen könnte. Sputnik verglühte zwar 92 Tage nach dem Start, als er in tiefere Schichten der Erdatmosphäre eindrang. Aber die Schlussfolgerung aus der Sputnik-Mission, dass die Sowjetunion in naher Zukunft womöglich in der Lage wäre, die USA mit bewaffneten Interkontinentalraketen zu erreichen, löste im US-Kongress ein derart immenses Bedrohungsgefühl aus, dass sich die Regierung von Präsident Dwight D. Eisenhower gezwungen sah, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Der Sputnik-Schock führte zur Gründung der NASA

Diese auch als Sputnikschock bezeichnete Angst führte als Folge im Juli 1958 zur Gründung der NASA und damit über Jahrzehnte zu einer Vielzahl von Weltraum-Missionen auf beiden Seiten. Die US-Programme hießen unter anderem „Mariner“, „Mercury“, „Gemini“ oder „Apollo“. Jene der Sowjets nannten sich „Lunik“, „Luna“, „Wostok“, „Woschod“ oder „Saljut“. Es ging Schlag auf Schlag. Mal hatten die Amis die Nase vorne, dann wieder die Russen. Wie am 12. April 1961, als Oberleutnant Juri Gagarin als erster Mensch an der Spitze einer mächtigen Wostok-Trägerrakete in den Orbit gejagt wurde und die Erde in seiner Kapsel einmal umrundete. 108 Minuten später landete sie an Fallschirmen hängend in der Nähe der Städte Saratow und Engels im Wolga-Gebiet. Gagarin war ein Held, wurde zum Major befördert und die Welt hatte wieder eine Weltraumsensation.

Der im Januar des selben Jahres angetretene US-Präsident John F. Kennedy wertete die Gagarin-Aktion als nationale Schmach. Also musste Amerika erneut zeigen, dass es zu einer noch größeren Leistung imstande war. Koste es, was es wolle. Kennedy formulierte den Weltmachtanspruch am 25. Mai 1961 vor dem US-Kongress so: „Ich glaube, dass diese Nation sich dazu verpflichten sollte, noch vor dem Ende dieses Jahrzehnts das Ziel zu erreichen, einen Menschen auf dem Mond landen zu lassen und ihn dann sicher wieder zur Erde zurückzubringen.“ 1969, acht Jahre nach Ausgabe dieser Marschrichtung, setzte US-Astronaut Neil Armstrong seinen Fuß auf den Mond. Diese Demonstration der Stärke kam gerade recht, denn beide Länder befanden sich mitten im kalten Krieg und suchten andauernd nach Profilierungs-Möglichkeiten und Drohpotential gegen die jeweils andere Großmacht.

Das zusammengeklappte Mond-Auto kam mit Apollo 15 auf den Mond

Zwei Jahre später, am 26. Juli 1971, stand schließlich Apollo 15 fertig zum Abschuss auf der Startrampe des Kennedy Space Center in Florida. An Bord der riesigen Saturnrakete waren neben den drei Astronauten David Scott, James Irwin und Alfred Worden (als Kommandant der Raumkapsel „Endeavour“) auch das zusammengeklappte erste Weltraumauto der USA, das einem billigen Wüsten-Buggy ähnlich sah, aber mehr als 40 Millionen Dollar Entwicklungskosten verschlungen hatte.

Mit dem „Lunar Roving Vehicle“ (LRV) ließ sich nicht nur der Aktionsradius der Astronauten von einst wenigen hundert Metern zu Fuß auf mehrere Kilometer mobil erweitern. Das viel Entscheidendere war, dass der Wagen nicht wie bei den Sowjets aufwändig ferngesteuert werden musste, sondern dass zwei Astronauten darin Platz nehmen und selbst fahren konnten. Zudem hatte der offene Wagen sicherheitshalber Allradantrieb, der ein Steckenbleiben im teils tiefen Mondstaub verhindern sollte. Man hatte ja Erfahrung mit Neil Armstrongs legendären ersten Schritten. Co-Raumflieger David Scott meldete später, dass die Oberfläche aus einer etwa 15 Zentimeter dicken Staubschicht bestehe, die sich wie Pulverschnee anfühle.

Es lief alles wie am Schnürchen, der Start, die Landung in der Nähe des Hadley-Gebirgszuges am 30. Juli, das Herausholen und das Aufklappen der Räder am Geländeauto wie auch der Rückstart zur Erde am 2. August 1971. Scott und Irwin legten während ihres gut zweitägigen Aufenthalts mit dem Space-Buggy 27,8 Kilometer bei einer Gesamtfahrzeit von drei Stunden und zwei Minuten zurück. Maximales Tempo: 14 km/h.

Das NASA-Auto war auf Leichtgewicht getrimmt

Im Gegensatz zum schwergewichtigen russischen Pendant (756 Kilo) war am NASA-Auto alles auf Gewichtsreduzierung getrimmt. Vom Alurahmen über die zwei Alusitze bis hin zu den vier Leichtbaurädern aus einem flexiblem Drahtgeflecht mit Titaneinsätzen in der Lauffläche. Der Wagen wog nur 210 Kilo und wurde von je einem Elektromotor pro Rad angetrieben. Leistung zusammen: ein PS. Dass dem Wagen auch eine Allradlenkung mitgegeben wurde, zahlte sich gleich zu Anfang der Mission aus. Scott funkte kurz nach dem Aufklappen zur Erde, dass die vordere Lenkung nicht funktioniere, was aber nicht weiter schlimm sei, denn er könne ja mit den Hinterräder lenken.

Die beiden Astronauten erforschten auf ihren drei Touren Krater, Gebirge und Täler. Dabei steuerten sie den Wagen über einen in der Mitte des Cockpits angebrachten Hebel, der damals schon so aussah und auch so wirkte wie heute ein Joystick für Computerspiele. Die Fahreigenschaften beurteilte David Scott am Funk so: „Das ist eine Rock-’n’-Roll-Fahrt. Ich werde seekrank.“ Tatsächlich war das, was im US-Fernsehen am 30. Juli 1971 gezeigt wurde, ein wilder Ritt. Untermalt von Countrymusic hob sich der Lunar Rover manchmal mit allen vier Rädern in die Höhe.

Glücklicherweise waren sie angeschnallt. Doch vor Antritt der ersten Fahrt hatten Scott und Irwin damit Schwierigkeiten. Die Sicherheitsgurte, die gegen die Schwerelosigkeit und gegen das Risiko montiert worden waren, dass die Astronauten auf unebener Piste unangeschnallt womöglich aus dem Auto gelupft werden könnten, ließen sich nur sehr schwer schließen. Die mittig über die Oberschenkel verlaufenden Gurte schienen im Gegensatz zum Training auf der Erde nun merkwürdigerweise nicht mehr lang genug zu sein. Was der Grund dafür war, steht im Missionsabschlussbericht der NASA vom Dezember 1971: Wegen der geringeren Schwerkraft auf dem Mond wurden die Druckanzüge im Sitzen viel weniger zusammengedrückt als auf der Erde. Scott und Irwin waren also etwas aufgeblasen und saßen durch diesen Umstand einige Zentimeter höher als geplant. Deswegen ließen sich ihre Gurte schwerer schließen und lagen auch weitaus strammer an.

Dem ersten Ami-Schlitten für den Einsatz im luftleeren Raum, maßgeblich mitentwickelt von dem deutsch-amerikanischen Raketen-Ingenieur Georg von Tiesenhausen und gebaut von Boeing und General Motors, folgten zwei weitere Autos im April und Dezember 1972 (Apollo 16 und 17). Alle ausgestattet mit TV-Kameras, Sende- und Empfangseinheit, verschiedenen wissenschaftlichen Messgeräten und jeweils einem Navigationsrechner, damit die Crews im grauen Einerlei des Mondes sicher zu ihren kombinierten Lande- und Startmodulen zurückfinden konnten. Denn mit denen sollten sie nach Beendigung ihrer Mondausflüge wieder in Richtung Heimat düsen.

Tödliche Kälte beendete das Leben von Lunochod 2

Zu den nun drei US-Geländewagen gesellte sich im Januar 1973 mit Lunochod 2 schließlich das auf Jahrzehnte hinaus vorerst letzte Mondauto. Es war mit 840 Kilo das Schwergewicht unter allen bisherigen Mondfahrzeugen und schaffte mit 39 Kilometern die zu dem Zeitpunkt längste Fahrtstrecke. Während dem Vorgängermodell die Kälte den Garaus machte, starb Lunochod 2 zunächst den Hitzetod, bevor auch er erstarrte. Den genauen Hergang der Ereignisse beschreibt der ‚International Atlas of Lunar Exploration‘ so: „Gegen Ende des Mondtages fuhr der Rover mit der Sonne im Rücken und schlechter Sicht. Dabei wurde er versehentlich in einen kleinen Krater gelenkt. Beim Versuch, ihn wieder heraus zu manövrieren, stieß die offene Klappe mit den Solarzellen, die nach hinten über den Rumpf hinausragte, an den Kraterwall, worauf sie und ihre Solarzellen teilweise mit Mondmaterial bedeckt wurden. Das Bodenteam stellte einen Abfall in der Energieleistung fest, betrachtete das jedoch nicht als ernsthaftes Problem. Als aber wenig später die Klappe geschlossen wurde, um den Rover während der Mondnacht einigermaßen warm zu halten, ergoss sich dieses Mondmaterial auf die Kühler, deren Zweck es war, den Rover während des Mondtages vor Überhitzung zu bewahren… Am 8. Mai 1973 wurde Lunochod 2 wieder geweckt und die Fahrt … fortgesetzt. Aber schließlich überhitzte er ….“ Dann wurde er Beute der tödlichen Kälte.

Bis auf den verbliebenen Jadehase-Aktivisten besteht die irdische Autoflotte aus sechs Dauerparkern. Die millionenteueren Elektro-Gebrauchtwagen aus Russland, den USA und China stehen einsam und verlassen weit verstreut im Staub. Jeweils mit lächerlich wenig Kilometer auf dem Tacho und ohne Aussicht auf Reaktivierung. Denn in ihren Akkuzellen regt sich längst kein chemischer Prozess mehr, der für Energie sorgen und sie wieder in Gang bringen könnte. Es ist ein Parkplatz für die Ewigkeit.

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