Es scheint ein Naturgesetz zu sein: Sobald ein neuer Marketing-Chef in eine Firma kommt, wird erst einmal die Corporate Identity überarbeitet – zumindest die „Modernisierung“ des Logos bei einer Agentur in Auftrag gegeben. Und wie immer wird das neue zukunftsweisende Design-Objekt ob seiner polarisierenden Kraft nicht nur gelobt, sondern teils heftig kritisiert und gefragt, ob das überhaupt notwendig ist. Antwort: ja, das ist notwendig, weil sich auch die Welt der Wahrnehmung und die Sehgewohnheiten verändern. Wir wollen nicht nur neue Autos, sondern auch neue Formen sehen. In jedem Detail.
Neue Logos sind zunächst immer umstritten. Das geht BMW-Marketingchef Jens Thiemer mit dem neuen BMW-Logo nicht anders als seinem Kollegen Jochen Sengpiehl von Volkswagen, der zur letzten IAA das neue VW-Logo mit einem „schwebenden“ W präsentiert hat. Man kann sich zu Recht fragen, ob der Kunde das kreative Treiben optischer Veränderungen überhaupt wahrnimmt. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass es dieser Veränderungen bedarf, um zu signalisieren: Wir entwickeln uns weiter, bleiben nicht stehen. Der Kunde mag diese Nuancen notwendiger Veränderung nicht bewusst wahrnehmen, aber subtil strahlt auch ein Logo die Orientierungskraft einer Marke in unser Unterbewusstsein.
Die Trends der letzten Jahre waren überall zu sehen. Von der Zweidimensionalität ging es zur Dreidimensionalität. Nun geht es wieder in die zweidimensionale Richtung. Bei Mercedes-Benz war der Stern früher zweidimensional, dann kamen dreidimensionale Logos in Mode und auch Mercedes folgte dem Trend zur plastischen Darstellung. Jochen Sengpiehl argumentierte das neue zweidimensionale VW-Logo (übrigens hausintern entwickelt) auch damit, dass das alte Logo nicht auf allen Farben zur Wirkung kam und dass das Digitale unserer Kommunikationswelt ja auch zweidimensional erscheint. Das neue VW-Logo lasse sich in diese digitale Welt einfach besser integrieren.
Logos sind nicht nur grafische Elemente, sondern sie sind auch hoch politisch. Als wir vor 15 Jahren den Auftrag bekamen, das Logo des Gase-Herstellers Linde weiter zu entwickeln, machten wir den Fehler, den altertümlichen Schriftzug radikal zu eliminieren und was ganz Neues zu präsentieren. Was für ein Unsinn das gewesen wäre, wurde mir erst später klar. Eine andere, für traditionelle Werte sensiblere Agentur hat dann den einst verschnörkelten Schriftzug einfach nur elegant gestrafft, reduziert und damit genau das Richtige getan. Es war absolut richtig, die Wahrnehmung des alten Logos zu behalten. Völlig unspektakulär, aber mit einem unglaublichen Impact. Ich bekomme noch heute Gänsehaut, wenn ich irgendwo den Linde-Schriftzug sehe, der die Tradition der Vergangenheit mit der modernen Ausrichtung in die Zukunft verbindet. So ist es auch beim neuen BMW-Logo, das aber – eigentlich unverständlich – nicht überall eingesetzt werden soll. Auch VW hat richtigerweise das alte Logo nur variiert; die Kunden werden das kaum merken.
Was jede Marketingabteilung wissen muss: Lassen Sie sich nicht von Kritik irritieren oder verunsichern. Wer sich bei der Logo-Gestaltung verunsichern lässt, ist unsicher. Außerdem ist es besser, wenn 50 Prozent der Zuschauer die Neuentwicklung kritisieren und 50 Prozent begeistert sind, als wenn 90 Prozent das neue Logodesigns nur ok finden. Eine Neuentwicklung ohne polarisierende Impulse kann nur eine langweilige Veranstaltung sein. Interessant ist, was Designer bei horizont.net dazu zu sagen haben. Das lesen Sie hier: https://www.horizont.net/marketing/nachrichten/redesign-neues-bmw-logo-spaltet-design-experten-181288
Ganz sicher ist, dass ein neues Logo erst nach ein, zwei Jahren Wirkung zeigt. Und das nur, wenn es konsequent eingesetzt wird. Und hier ist VW zu bewundern, BMW aber zu kritisieren. Das neue VW-Logo wurde vorgestellt und prangt bereits auf dem neuen Golf, auf allen Prospekten und sogar auf dem Verwaltungshochhaus in Wolfsburg. Es dauert zwar lange, bis weltweit auch der VW-Händler in Usbekistan mit dem neuen Logo arbeitet, aber VW handelt hier in bewundernswerter Konsequenz.
Das neue BMW-Logo soll nicht an Fahrzeugen zu sehen sein – warum?
Bei BMW soll das neue Logo neben dem alten aus 1997 kommuniziert werden. Eigentlich völlig unverständlich. Obwohl die neue CI sofort weltweit implantiert wird, ist das zweidimensionale Logo (noch) nicht an den Fahrzeugen zu sehen. Bei BMW heißt es im besten Marketing-Sprech: „Das neue Logo ist ein neuer medialer Markenauftritt und wird zusätzlich zum bestehenden Logo zum Einsatz kommen. Es findet keine Verwendung am Fahrzeug und auch nicht in der Außen- und Innenkennzeichnung in Handelbetrieben.“ Das ist ungewöhnlich und für Marken-Experten verwirrend. Denn der Chef der Markenkommunikation, Jens Thiemer, sagt auch: „Das neue Kommunikationslogo strahlt Offenheit und Klarheit aus. Mit dieser neuen transparenten Variante wollen wir unsere Kunden mehr denn je dazu einladen, ein Teil der Welt von BMW zu werden. Zudem ist unser neues Brand Design auf die Herausforderungen und Möglichkeiten der Digitalisierung für Marken ausgerichtet. Mit visueller Zurückhaltung und grafischer Flexibilität rüsten wir uns für die große Vielfalt an Berührungspunkten in der Kommunikation, an denen BMW zukünftig online und offline Präsenz zeigen wird. Das zusätzliche Kommunikationslogo symbolisiert die Bedeutung und Relevanz der Marke für die Mobilität und der Freude am Fahren in der Zukunft.“
Zwei unterschiedliche Logos schaffen Verwirrung, nicht Orientierung
Dass BMW neben dem bisherigen noch dieses neue „Kommunikationslogo“ nutzen will, ist in höchsten Maße inkonsequent. Die Wahrnehmung zweier unterschiedlicher Logos dürfte eher verwirren als Orientierung vermitteln. Und ist es nicht ein eklatanter Widerspruch zu sagen, dass das Logo an den Autos keine Verwendung finden wird, es aber gleichzeitig an einem Auto vorzustellen? Irgendwas ist da schiefgelaufen.
Nicht zuletzt durch ein Logo bekennen sich Autofahrer der verschiedensten Automarken, auf eine besonders angenehme Art und Weise zu ihrer bevorzugten Automarke.
Das UTR e.V. – Bündnis gegen Hass, Gewalt und Terror nutzt sein Logo mittels eines Autoaufklebers als eine der effektivsten Möglichkeiten eine Botschaft schnell und glaubwürdig unter die Leute zu bringen.
In den 80-er Jahren gehörten die bunten Sticker zum Straßenbild. Kein Mensch konnte sich damals hinter anonymen Internetbeiträgen verstecken. Das war die außerparlamentarische Stimme der Bürger und praktizierte Demokratie. Man stand persönlich zu seiner Botschaft, denn man saß ja selbst am Steuer und fuhr seinen Aufkleber spazieren.
Weltoffen – Gewaltfrei -Tolerant
https://www.ad-infinitum.online