Die US-Anklage gegen Ex-Volkswagenchef Martin Winterkorn und der konsequente internationale Haftbefehl können eigentlich nicht überraschen. Und liest man die Anklageschrift genau, sind noch weitere prominente und weniger prominente Namen auf der Anklageliste zu erwarten.
Die aktuelle Version der Anklageschrift (nachzulesen hier) verweist ausdrücklich darauf, dass es neben den angeklagten und per Haftbefehl gesuchten Richard Dorenkamp, Heinz-Jakob Neusser, Jens Hadler, Bernd Gottweis, Jürgen Peter und Martin Winterkorn noch andere, dem Gericht (Grand Jury) bekannte und unbekannte Personen gibt, die allerdings (noch) nicht erwähnt werden. Das große Zittern im Volkswagen-Reich dürfte also weitergehen, denn auch Winterkorn stand nicht von Anfang an auf der Anklageliste.
Wird auch der Aufsichtsratsvorsitzende Pötsch verdächtigt?
Auffallend auch, dass in der Nummerierung Anklageschrift die Nummer acht fehlt. Hinter den nicht mehr erscheinenden Nummern D-1 und D-6 verbargen sich die bereits verurteilten Manager Oliver Schmidt und James Liang. Zwischen D-7 Jürgen Peter und D-9 Martin Winterkorn wird der Defendant Nummer 8 ebenso nicht genannt. In den USA wird unter Journalisten kolportiert, dass dies den Ex-Vorstand betreffen könnte, der heute Vorsitzender des Aufsichtsrats ist: Hans Dieter Pötsch, der damals das Finanzressort als Vorstand leitete. Er habe verhindert, dass teure Abgasreinigungsanlagen in die Fahrzeuge verbaut wurden und auf enge Kostenvorgaben gedrängt. „Er wollte die 350 Euro pro Fahrzeug sparen“, behauptet ein Wolfsburger Ingenieur.
Schon die Kenntnis einer Straftat macht sie anzeigepflichtig
Weil im US-Recht eine Verschwörung alle Beteiligten unabhängig von der Schwere ihres Tat-Beitrages zunächst gleich belastet, sind nicht nur die damals aktiven Akteure in Gefahr, angeklagt zu werden. Dies könnte bei Volkswagen alle betreffen, die an entscheidenden Sitzungen teilgenommen haben, in denen sie vom „defeat device“ zustimmend Kenntnis genommen haben. Das US-Recht hat hier eine glasklare Sichtweise: Wer immer in einem Kreis von Beteiligten von einer „Verschwörung“ gegen die USA Kenntnis erhält, wird quasi zum Mittäter – wenn er sich nicht gegenüber den US-Behörden offenbart und seine Kenntnisse aktiv weitergibt. Er kann sich später nicht darauf berufen, nicht gefragt worden zu sein.
Das bedeutet im Klartext: Wer immer bei VW an Sitzungen teilgenommen hat, in denen das „Defeat Device“ ein Thema war, ist aus Sicht der US-Behörden dem Kreis der Täter zuzuordnen. Auch wenn der Betreffende an keinen Entscheidungen beteiligt war, den Betrug zu initiieren. Wie wir in Erfahrung gebracht haben, sollen die Ermittler anhand von Sitzungsprotokollen die Teilnehmer ausfindig machen, auch dann, wenn das Defeat Device nicht inhaltlich sichtbar wird. Die mit den US-Behörden „kooperierenden“ Angeklagten haben offenbar die Gesprächsrunden detailliert beschrieben und die anwesenden Teilnehmer benannt. „Dass da mancher Hinweis auch fragwürdig ist, weil sich der Zeuge dadurch Strafmilderung erhofft hat, liegt auf der Hand“, mutmaßt ein deutscher Strafrechtler.
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