Müller oder was? Der revolutionäre Umbau des VW-Konzerns birgt viele Fragezeichen

Matthias Müllers großer Auftritt ist nicht im Eiffelturm, pardon Elfenbeinturm entstanden. Sein humorig vorgetragener Versprecher bei der richtungsweisenden Pressekonferenz könnte einem Rhetorik-Handbuch entnommen sein, wie man dem Ernst der Stunde doch noch einen fröhlichen Touch geben kann. Der VW-Boss erschien zwar souverän, glaubwürdig, selbstbewusst und selbstsicher, aber auf konkrete Fragen konnte er (noch) keine Antworten geben. Die Sensorik der Börse strafte die offenen Fragen mit einem deutlichen Minus ab.

Müllers Credo vom „neuen Zeitalter der Mobilität“ verlor sich trotz handfester Richtungsangaben dann doch in nicht aufgeschlüsselten Details. Dass der Konzern in zehn Jahren zwei bis drei Millionen Elektrofahrzeuge mit Batterien im Jahr verkaufen will, ist eine mehr als mutige Prognose. VW erwäge sogar den Bau einer eigenen Batterie-Fabrik als „neues Kompetenzfeld“.

Auf jeden Fall mehr Elektroautos

Dass VW in Wolfsburg weltweit die teuerste Produktion betreibt, ist kein Geheimnis. Wenn die Marke VW eine Umsatzrendite von acht Prozent erreichen will, muss sich Müller die Frage stellen lassen, wie das ohne Personalabbau möglich sein soll. Doch davon hat Müller nicht gesprochen. Er gab lieber den Visionär, der nach vorne schaut und der sich den wichtigen Zukunftsthemen widmet, was aktuell zweifellos richtig ist. Mehr Elektro-Autos, Schwerpunkt Digitalisierung und umfassende Mobilitätsdienstleistungen nannte Müller als Schwerpunkte.

Das Kompetenzfeld Unternehmenskultur hat Müller auch irgendwie erwähnt. Sie zu verändern ist aber noch ein langer Weg, der schwieriger zu bewältigen sein wird als der strategisch-operative Schwenk in ein neues Mobilitätsangebot. Müller räumt ein, dass sich Volkswagen zu selbstgefällig auf Größe fixiert habe. Die Erfolge in diese Richtung hätten sich „in unser Denken eingeschlichen, trotz der mahnenden Worte Martin Winterkorns“, sagte Müller und wollte damit jeden Eindruck vermeiden, seinen Vorgänger zu kritisieren. Jedenfalls haben man seine 2007 festgesetzten Ziele vorzeitig erreicht, man habe den Umsatz verdoppelt, die Mitarbeiterzahl um 85 Prozent erhöht. Gerade letzter Punkt wird nun zur großen Herausforderung, auch über Personalabbau nachzudenken, was bei den momentanen Machtverhältnissen und dem drehmomentstarken Betriebsratsvorsitzenden schwer fallen dürfte.

„Die Diesel-Thematik hat uns durchgeschüttelt“

Die seit der letzten IAA im September letzten Jahres bekannt gewordenen Manipulationen an Diesel-Fahrzeugen markieren offensichtlich mehr als nur einen Wendepunkt. Müller dazu: „Die Diesel-Thematik hat uns durchgeschüttelt.“ Allerdings sei der Veränderungsdruck schon vor dem Diesel-Problem sichtbar geworden. Selbstbewusst verwies Müller auf die grundsätzlichen Eigenschaften des Unternehmens:

„Volkswagen bereichert mit seinen Marken und Produkten seit jeher das Leben vieler Millionen Menschen überall auf der Welt. Unser Anspruch ist es, diese Erfolgs-geschichte fortzusetzen und die Mobilität für künftige Generationen maßgeblich mitzugestalten. Voraussetzung dafür ist, dass wir – nach dem schweren Schlag durch die Dieselthematik – aus den gemachten Fehlern lernen, Defizite beheben und eine offene, werteorientierte, auf Integrität aufbauende Unternehmenskultur bei uns etablieren“, erklärte Matthias Müller bei der Vorstellung der neuen strategischen Ausrichtung in Wolfsburg, deren Details im Herbst konkretisiert vorgestellt werden sollen.

Viele wichtige Fragen sind noch nicht beantwortet

Viele offene Fragen türmen sich auf: Zum Beispiel wie die Straffung des Modellprogramms aussehen soll, wie die Personalplanung gedacht ist, ob und wo Stellen abgebaut werden. Es bleibt abzuwarten, ob Müller auf der anstehenden Hauptversammlung den Aktionären schon mehr sagen kann. Wie das Handelsblatt berichtet, soll die Zahl von 340 Modellen im Konzern um etwa 40 gekürzt werden.

Sicher ist, dass Müller auf der Hauptversammlung nichts zu den Verhandlungen in den USA vortragen wird. Das ist ihm nämlich von den US-Behörden quasi verboten worden, um den Annäherungsprozess so lange nicht zu stören, bis man sich tatsächlich definitiv geeinigt hat, wie die US-Kunden entschädigt werden sollen.

Volkswagen soll in allen Unternehmensfeldern erfolgreich bleiben

Matthias Müller fasste seine Vision von Volkswagen der nächsten Jahre so zusammen: „Volkswagen der Zukunft wird seine Kunden mit faszinierenden Fahrzeugen, bedarfsgerechten Finanzdienstleistungen und smarten Mobilitätslösungen begeistern. Wir werden technologisch führend und ein Vorbild bei Umwelt, Sicherheit und Integrität sein. Der Konzern wird eine wettbewerbsfähige Ertragskraft haben – und so ein attraktives Investment und zugleich ein exzellenter, zuverlässiger und sicherer Arbeitgeber bleiben. Kurzum: Volkswagen wird ein Unternehmen sein, auf das wir alle gemeinsam stolz sein können“, resümierte der Vorstandschef.

Die Pressekonferenz können Sie sich hier in voller Länge ansehen: http://volkswagen.gomexlive.com/vw_live_pk/?lang=de

 

 

 

 

 

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