Der neue Toyota Prius: Vernunft braucht keine Emotionen

Warum nicht gleich so? Das möchte man fragen, wenn Autohersteller eine neue Generation eines Modells vorstellen. Natürlich hat der Neue besser zu sein als der Vorgänger. Das ist das logische Grundgesetz jeder technischen Entwicklung. Und geht man dann wie beim neuen Toyota Prius drei Generationen zurück, fragt man sich, warum und wie die erste Prius-Generation weltweit so einen Hybrid-Hype auslösen konnte. Über das erste Hybrid-Fahrzeug hat die Welt anfangs gelächelt. Mittlerweile rollen 8,5 Millionen Hybrid-Autos von Toyota auf den Straßen der Welt, davon fast vier Millionen Prius-Modelle.

Der Prius in vierter Generation hat nicht mehr viel mit der ersten Ausgabe zu tun. Design – na ja, es könnte ein wenig gefälliger sein. Aber über Geschmack lässt sich streiten. Der Charme dieser Vernunfts-Ästhetik mündet hier in eine rationale Emotionslosigkeit. Toyota sieht das ganz anders. „Der neue Prius ist nicht nur ein weiteres grünes Auto. Sein Design und seine hohe Qualität stärken seine emotionale Anziehungskraft und seine markante Präsenz auf der Straße“, argumentiert die Firma. Und Prius-Chefentwickler Kouji Toyoshima setzt noch eins drauf: „Der neue Prius ist ein emotionales Statement. Sein Karosserie-Design ist innovativ, emotional und vielleicht sogar ein wenig sexy. Aus Kundenperspektive soll der Prius einfach Spaß machen, egal ob man ihn betrachtet, berührt oder fährt.“ Hier wird deutlich, dass wir es eben mit zwei kulturellen Welten zu tun haben. Design oder nicht sein, ist hier die Frage.

Bildschirmfoto 2016-02-15 um 17.22.01

Die Armaturen wirken futuristisch, die Materialien im Innenraum sind wertiger geworden Fotos: Toyota

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Toyota-Design ist schon immer schwer zu definieren, weil es in jedem Detail der Vernunft entsprechen will. Die Prius-Käufer schätzen eben andere Werte und wollen vor allem ihr Umweltbewusstsein demonstrieren. Oder einfach nur sparen, wenn es um den Benzinverbrauch geht. Den reinen Fahrspaß erwartet kein Prius-Kunde. Es ist zweifellos ein Auto der Vernunft, die sich sportliche Dynamik oder ausgeprägten Fahrspaß zu verweigern hat. Um von A nach B zu kommen bedarf es keiner überbordenden Leistungsreserven.

Trotzdem muss man dem neuen Prius bescheinigen, dass er der beste Prius geworden ist, den es je gegeben hat. Dieses Urteil fällt nach drei Generationen wohl nicht all zu schwer. Im Ernst: Der neue Prius fährt sich wesentlich angenehmer, als die Generationen vor ihm. Das beim Vorgänger quälend ansteigende Geräusch beim Beschleunigen mit stufenlosem Getriebe ist kaum noch wahrzunehmen. Die Geräusch-Entwicklung entspricht jetzt komfortablem Standard fernab drehzahlabhängigem Jaulen. Die Techniker haben weggedämmt, was gedämmt werden konnte. Dies fällt vor allem dann auf, wenn man noch den Vorgänger im Ohr hat. Die Geräuschentwicklung beim Beschleunigen war sicher einer der wesentlichen Kritikpunkte auch aus dem Kundenkreis.

Bildschirmfoto 2016-02-15 um 17.51.12Während eigentlich alle anderen Hersteller von Generation zu Generation mehr Power bieten, geht Toyota den Weg zurück: Ein bisschen weniger Power als der Vorgänger, das ist ebenfalls der Vernunft geschuldet, die sich mit gerade mal 122 System-PS dennoch ausreichend motorisiert anfühlt. Im Stadtverkehr ist es überhaupt kein Problem, zügig mit zu schwimmen. Es kommt kein Gefühl von Trägheit auf, aber eben auch nicht von übermäßiger Dynamik. 0 auf 100 km/h in 10,6 Sekunden erscheinen länger, als das Fahrgefühl vermuten lässt. Die Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h ist nicht mehr oder gerade wieder zeitgemäß, wo doch jeder Mittelklassewagen bei 250 km/h abgeriegelt wird. Wir sind verwöhnt und wissen doch, dass auf unseren Autobahnen ein Schnitt von 120 km/h kaum zu erreichen ist und – ehrlich – eher bei 100 km/h liegt.

Ein auf sparsamen Verbrauch hin optimiertes Hybrid-Fahrzeug weckt natürlich Erwartungen. Auf unserer Versuchsfahr auf spanischen Autobahnen ließ sich das deutsche Straßenverkehrs-Bild wegen des Tempolimits nicht reproduzieren. Aber auch mit starken Beschleunigungsvorgängen ließ sich der Durchschnittsverbrauch nicht über die Fünf-Liter-Marke heben. Dass wir bei vernünftiger Fahrweise bei vier Litern oder gar drunter gelandet wären, ist keine Fantasie. Insofern ist hier der offizielle Durchschnittsverbrauch von 3,0 Litern auf 100 km zumindest in Sichtweite der Wirklichkeit. Ganz bestimmt lässt sich dieser Wert realisieren, wenn der Fahrer sich jederzeit diszipliniert.

Bildschirmfoto 2016-02-15 um 17.22.26Das überarbeitete Fahrwerk, Feinschliff an Lenkung und Federn sowie zahlreiche Assistenten machen das Fahren im Prius 4 zu einer angenehmen Beschäftigung. Der Prius ist kein Auto, in dem man die Grenzen des Über- oder Untersteuerns ausloten will. Bitte nicht falsch verstehen: Das Fahrwerk vermittelt jederzeit ein sicheres Fahrgefühl. Aber der Prius provoziert nicht den Raser in uns, was ja wiederum vernünftig ist. Auf schlechten Straßen könnte das Fahrwerk einen Tick komfortabler sein, aber das ist kein dicker Minuspunkt, sondern bestenfalls eine kleine Anmerkung.

Das Fahrgefühl hängt auch vom Interieur ab. Und hier punktet Toyota wieder mit einem futuristischen Cockpit und einem Innenraum, der deutlich hochwertiger erscheint als beim Vorgänger. Die Bedienung des Navigationssystems erfordert einen gewissen Lernprozess. Wir hatten auf unserer Testfahrt zuweilen das Gefühl, dass das Auto schneller ist als das Navi, das uns den richtigen Weg immer wieder zu spät anzeigte und wir zum Umkehren gezwungen waren. Vielleicht könnten hier schnellere Prozessoren für Abhilfe sorgen. Natürlich bietet der Prius zahlreiche High-Tech-Features wie das Pre-Collision System, das im Ernstfall von selbst bremst, eine adaptive Geschwindigkeitsregelanlage, Spurhalte-Assistent, Fernlicht-Assistent, Verkehrszeichen-Assistent per Kamera-Erfassung, einen Einpark-Assistenten, der nun auch kleinere Parklücken automatisch ansteuern soll, Head-up-Display und ein induktives Ladegerät ohne Kabel fürs smartphone – sofern es diese Technologie nutzen kann. Der neue Prius hat bei aller Emotionslosigkeit durchaus seine Qualitäten. Und zweifellos seine Fan-Gemeinde.

Technische Daten Toyota Prius 2016: Viertürige Limousine, Länge: 4.54 Meter, Breite: 1,76 Meter, Höhe: 1,47 Meter, Radstand: 2,70 Meter, Leergewicht: 1.450 Kilogramm, Tankinhalt: 43 Liter, Motoren: 1,8-Liter-4-Zylinder, Leistung: 98 PS / Elektromotor mit max. Leistung von 53 kW, max. Systemleistung 122 PS bei 5.200 U/min, max. Drehmoment: 142 Newtonmeter bei 3.600 U/min, 0 – 100 km/h: 10,6 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h Verbrauch kombiniert: 3,0 Liter Super/100 km, CO2-Emission: 70 g/km, Preis: ab 28.300 Euro

Kommentar hinterlassen zu "Der neue Toyota Prius: Vernunft braucht keine Emotionen"

Hinterlasse einen Kommentar

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*