Mercedes-Benz ist knapp vor BMW die wertvollste Marke Deutschlands – wie wird das berechnet und nützt es dem Kunden?

 

Das Ranking deutscher Marken der Firma Interbrand

Das Ranking deutscher Marken der Firma Interbrand (durch Doppelklick vergrößern)

Für den Markenexperten Jochen Sengpiehl ist die Botschaft von der wertvollsten Marke Deutschlands kein Grund zu ehrfurchtsvoller Bewunderung. Er hält das von der Firma Interbrand erstmals für deutsche Marken etablierte Ranking für ein Relikt aus vergangener Zeit und kritisiert: „Noch so ein überflüssiges und undurchsichtiges PR-Instrument aus den 90-er Jahren! Diese Rankings sind nicht mehr zeitgemäß, reflektieren weder den aktuellen noch den zukünftigen Markenwert. Interbrand sollte die Ergebnisse im Internet transparent machen und vollständig veröffentlichen.“

Der von Interbrand errechnete Markenwert für Mercedes-Benz ist mit 25.546 Milliarden Euro nur knapp vor BMW mit 25.494 Milliarden Euro platziert. Wie diese Werte zustande kommen, ist ein hoch komplexer, teilweise auch mathematischer Vorgang, der die Berechnung des Raum-Zeit-Kontinuums zur Grundschulaufgabe degradiert. Denn anders als bei mathematischen Formeln zu physikalischen Problemstellungen ist die Bewertung einer Marke von vielen weichen Faktoren abhängig, die sich eigentlich nicht in Zahlen schreiben lassen. Dass sie dennoch zu einem Zahlenergebnis führen, ist nicht unbedingt ein mathematischer Beweis.

Wie mir Sandra Köhler von Interbrand erläutert, lasse sich der Markenwert durchaus präzise ermitteln. Es sei wichtig für Unternehmen, zu wissen, wo sie stehen. „Marken schaffen Wert. Für Verbraucher, die eine Marke begehren und verwenden, genauso wie für Unternehmen, denen die Marke gehört.“ Interbrand beschäftigt sich sei 25 Jahren weltweit mit Marken und bewertet sie. Und wofür das Ganze?

„Diese Markenbewertungen schaffen einen hohen Nutzen in verschiedenen Anwendungen wie zum Beispiel der Bilanzierung, der Lizenzierung oder auch für das wertschöpfungsorientierte

Markenmanagement.“ Interbrands Methodik zur Markenbewertung bestehe aus drei Hauptkomponenten: eine Analyse der Finanzperformance der Markenprodukte oder -dienstleistungen, des Stellenwerts der Marke bei der Kaufentscheidung und der Wettbewerbsstärke der Marke.

Diesen geht eine Segmentierungs-Entscheidung voran, und zum Ende des Prozesses werden diese Bereiche zusammengeführt, um den Finanzwert der Marke zu berechnen. Interbrand setze damit drei Parameter, die zum Markenwert beitragen, in Relation:

1. Den unternehmerischen Erfolg der Marke, der sich aus den finanziellen Kennzahlen des Unternehmens ergibt,

2. die Wirkung der Marke auf den Kunden, die angibt, wie wichtig der Beitrag der Marke für die Kaufentscheidung tatsächlich ist – je größer die Rolle der Marke, desto größer auch der Anteil am Unternehmenswert

3. und die relative Markenstärke, die die Fähigkeit einer Marke misst, zukünftige Gewinne zu sichern und vergleicht den Wert mit der Konkurrenz.

„Die Markenbewertung liefert einen vertieften Einblick in die Art und Weise, wie die Marke Nachfrage schafft und bildet die Brücke zwischen der Wirkung der Marke in ihren Märkten und dem geschaffenen ökonomischen Wert im Unternehmen“, heißt es bei Interbrand. Der Markenbewertungsansatz von Interbrand sei weltweit gleichermaßen von Akademikern und Wirtschaftsexperten anerkannt und seit Dezember 2010 erfolgreich nach ISO 10668:2010 zertifiziert. Diese internationale Norm lege Grundanforderungen an die Verfahren und Methoden zur Bestimmung des monetären Wertes einer Marke fest. Die Norm definiert damit einen in sich stimmigen und zuverlässigen Ansatz zur Markenbewertung, welcher finanzwirtschaftliche, verhaltenswissenschaftliche und rechtliche Aspekte einschließt. Die Zertifizierung bescheinigt Interbrand, dass das Bewertungsverfahren von Marken dem internationalen Standard ISO 10668 Markenwertbewertung entspricht.

Dass diese Bewertungen auch Kritiker auf den Plan ruft, ist nachvollziehbar. „Diese Bewertung sagt nichts über den wirklichen Erfolg einer Marke“, kritisiert der Marketingexperte eines Autherstelles, der nicht genannt sein will. „Ein recht schwammig ermittelter Markenwert wird bestimmt keinen Käufer für eine bestimmte Marke einnehmen. Das Bauchgefühl der Kunden hängt von vielen Faktoren ab, die in dieser Markenbewertung wahrscheinlich zu wenig berücksichtigt werden: Wie gut wird der Kunde in der Werkstatt behandelt, wie zufrieden ist er mit der Betreuung nach dem Kauf und vor allem mit dem gekauften Produkt.“ Hier spielten sehr viele emotionale Kriterien eine Rolle, die sich auch schnell ändern können. Dass Interbrand auch Kunden zum Markenerlebnis und zu den Marken-Images befragt, schließe nicht aus, „dass ein schiefes Bild entsteht“.

„Kein Autokäufer wird nun einen Mercedes kaufen, weil die Marke im Ranking auf dem ersten Platz gelandet ist. Deshalb ist dieses Ranking nur was für die Eitelkeiten der Manager. Damit lässt sich ganz besonders der Aufsichtsrat beeindrucken. Und die Aktionäre. Potenziellen Kunden ist das ziemlich egal. Und nur wenn sie schon Fan einer Marke sind, fühlen sie sich vielleicht in ihrer Wahl bestätig.“

 

 

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