Elon Musk, der Zahlenjongleur

Tesla-Chef Elon Musk

Von Harald Kaiser

Und wieder klatschen alle Beifall. Elon Musk, der Glamourboy der amerikanischen Wirtschaft und angeblich der reichste Mensch der Welt, hat für seinen Elektroautokonzern Tesla soeben den Jahresabschluss 2021 veröffentlicht. Die Anleger jubeln, die Presse sowieso.

Die Erlöse kletterten um 665 Prozent, wie Tesla nach US-Börsenschluss in Austin mitteilte. Im Detail sehen die Zahlen so aus: Gesamtumsatz: 53,7 Mrd. Dollar (47,2 Mrd. Auto/6,5 Mrd. sonstiger Umsatz), Betriebs-ausgaben:40,2 Mrd. Dollar, Rohertrag: ca. 13,5 Mrd. Dollar, Nettogewinn nach Steuern und Abschreibungen etc.: 5,5 Milliarden Dollar, Schulden Ende 2021: 19,7 Milliarden Dollar.

Tatsächlich also 5,5 Milliarden Gewinn aus dem reinen Autogeschäft? Klingt mal wieder super, wie fast alles, was Mister Musk so von sich gibt oder per Bilanz ausweist. Wer sich die Bilanz* jedoch genau anschaut, der bekommt Zweifel, dass der Gewinn tatsächlich aus dem Autobau und dem Autoverkauf kommt. Denn es ist nicht nur so, dass sich in den 5,5 Milliarden Dollar Gewinn auch 1,45 Milliarden Dollar Einnahmen stecken, die gar nichts mit dem Bau von Autos zu tun haben. Diese Betrag entspringt so genannten „regulatory credits“, mithin Einnahmen, die aus dem Verkauf von Verschmutzungsrechten an Konkurrenten resultieren, die keine oder wenig Elektroautos im Angebot haben. Diese „credits“ werden vom US-Staat an jene Hersteller verschenkt, die ausschließlich Elektroautos verkaufen oder ein gemischtes Modellprogramm anbieten.

Wer keine oder zu wenig abgasfreie Autos im Angebot hat, muss an den Staat teils saftige Verschmutzungsstrafen blechen. Und da es nach den US-Regeln legal ist, diese „credits“ an Konkurrenten zu verkaufen, macht Tesla genau dies – freilich auch, um die eigene Bilanz aufzuhübschen. Und die Hersteller, die vor allem Stinker verkaufen, sind dankbar dafür, dass es diese Möglichkeit gibt, weil sie dadurch ihre Strafzahlungen reduzieren können.

„Einnahmen“, die noch gar nicht eingenommen sind

Musk, das Schlitzohr, geht in seinem Zahlenwerk für das Geschäftsjahr 2021 bei einem anderen Punkt noch einen Schritt weiter: Er führt dort unter „assets“ (Vermögenswerte) auch Einnahmen auf, die noch gar nicht in der Kasse klimpern. Das Stichwort dafür heißt „accounts receivable“, also „erwartete Einnahmen“. Und die summieren sich in der Bilanz 2021 von Quartal zu Quartal auf – man glaubt es kaum – 7,9 Milliarden Dollar. Theoretisch könne man sagen: Eigentlich müssten diese Zahlen einen Unternehmer um den Schlaf bringen, denn es ist ein Bilanzposten, der im darauf folgenden Geschäftsjahr womöglich gar nicht als echte Einnahme realisiert werden kann, weil der oder die Schuldner eventuell zahlungsunfähig geworden sind.

Dennoch ist es nach der US-Rechnungslegung legal, solche „Erträge“ zu bilanzieren, sonst würde es Tesla nicht tun. Übrigens nach deutschem Bilanzierungsrecht auch. Es handelt sich dabei um so genannte „zeitliche Abgrenzungsposten“. Damit ist gemeint, dass solche Erträge fürs laufende Geschäftsjahr zwar verbucht werden dürfen, aber erst im Jahr darauf als echte Einnahmen anfallen. Aber vielleicht auch nicht.  Es lebe der Unterschied der Begrifflichkeiten zwischen „Ertrag“ und tatsächlicher „Einnahme“.

Software-Probleme führen zum Ausfall eines Warntons

Aber kann man angesichts dieser Augenpulver-Zahlen tatsächlich Beifall klatschen, dass es Tesla allen Erz-Konkurrenten mal wieder gezeigt hat? Und die Frage ist vor allem, ist Tesla nach einem Jahrzehnt der roten Zahlen nun tatsächlich profitabel im Geschäft Auto gegen Geld? Die Musk-Gläubigen, die an den Lippen des Zahlenjongleurs hängen, sind offenbar komplett kritiklos, kau-fen weiter wie wild Aktien und setzten darauf, dass es der große Macher schon richten wird. Dabei läuft bei den Automodellen des Konzerns längst nicht alles rund. Das Handelsblatt** berichtet dazu jüngst: „US-Elektroautobauer Tesla muss wegen Sicherheitsrisiken mehrere zehntausend Fahrzeuge in die Werkstätten zurückrufen. Betroffen seien insgesamt 53.822 Autos mit einer Software, die sogenannte ,rollende Stopps` ermögliche und an Kreuzungen nicht vollständig den Wagen stoppen, teilte die US-Sicherheitsbehörde NHTSA mit. Im Dezember hatte die NHTSA eine vorläufige Untersuchung der Tesla-Modelle 3, S, X und Y der Baujahre 2017 bis 2022 eröffnet. Hintergrund war hier die Funktion ,Passenger Play´, die nach Ansicht der Behörde den Fahrer ablenken und das Risiko eines Unfalls erhöhen kann. In der letzten Woche hatte die NHTSA mitgeteilt, im Rahmen einer Untersuchung von 580.000 Fahrzeugen zusätzliche Informationen von Tesla angefordert zu haben, da der Autohersteller nun Fahrgästen das Spielen von Games auf dem Touchscreen in der Mitte des Autos ermögliche. Bereits im August hatte die NHTSA eine formelle Sicherheitsuntersuchung des Autopiloten von Tesla in 765.000 US-Fahrzeugen eingeleitet. Zuvor war es zu rund einem Dutzend Unfällen gekommen, an denen Tesla-Modelle beteiligt waren. Diese Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen.“

Anfang Februar schließlich wurde auch bekannt, dass Tesla mit einem Software-Update Mängel beim Sicherheitsgurt-Alarm zahlreicher Modelle in den USA beheben muss. Betroffen sind 817.143 Fahrzeuge der Baureihen S, X, 3 und Y mit Modelljahrgängen von 2017 bis 2022. Das geht aus Dokumenten hervor, die die NHTSA am 3. Februar auf ihrer Internetseite veröffentlichte. Demnach kann ein Software-Problem zum Ausfall eines Warntons führen, der den Fahrer beim Start des Autos darauf aufmerksam machen soll, dass einer oder mehrere nicht angeschnallt sind. Unfälle im Zusammenhang mit dem Defekt seien bislang aber nicht bekannt.

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